Mogherini ist erst seit Februar italienische Außenministerin. Infolge ihrer Ernennung wurde in Europa Kritik laut, weil die 41-Jährige zu unerfahren sei. Gegenüber Israel ist sie bislang kaum in Erscheinung getreten. „Sie ist schlicht eine unbekannte Größe, die aus der Welt der linksgerichteten Nichtregierungsorganisationen in Europa kommt“, zitiert die Tageszeitung „Jerusalem Post“ einen Beamten in Jerusalem. „Es ist nicht klar, in welchem Grade sie bereit ist, sich mit sehr komplizierten Themen auseinanderzusetzen, wie dem iranischen Thema.“
Ein weiterer offizieller Vertreter vermutet, dass es möglich sein könnte, gute Beziehungen mit Mogherini zu entwickeln. Aus Israels Perspektive sei eine junge, relativ unerfahrene Diplomatin in dieser Rolle vielleicht nützlich, weil bestimmte EU-Länder dann mehr zur Außenpolitik aus Brüssel zu sagen hätten. Deren Regierungen nähmen oftmals eine wohlwollendere Haltung gegenüber Israel ein als die Europäische Union. Die Ernennung liefere Israel eine gute Gelegenheit, ein neues Kapitel mit der EU aufzuschlagen.
Angriffe auf Israel verurteilt
Die italienische Politikerin hat den jüdischen Staat am 15. Juli besucht, in der ersten Phase der Operation „Starker Fels“. Sie traf den damaligen Staatspräsidenten Schimon Peres und Regierungschef Benjamin Netanjahu. Letzteren lobte sie, weil er einen ägyptischen Vorschlag für eine Feuerpause angenommen hatte, den die Hamas ablehnte.
Ferner begleitete sie den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman in die Küstenstadt Aschdod nördlich des Gazastreifens. Dort suchten sie auch eine Wohnung auf, die durch eine palästinensische Rakete beschädigt worden war. Infolge eines Raktenalarms mussten sie sich vorübergehend in einen Bunker begeben.
Die italienische Ministerin verurteilte bei ihrem Besuch den Beschuss auf Israel. Der körperliche und psychische Druck auf die Bewohner sei groß. „Als Mutter verstehe ich das gut, aber gleichzeitig bin ich sehr besorgt über die Zahl der Opfer in Gaza“, zitiert sie das Nachrichtenportal „Walla“. Sie rief Israel auf, im Gazastreifen keine Unschuldigen zu treffen und eine Feuerpause anzustreben. Zugleich gestand sie dem Staat das Recht zu, seine Bürger zu verteidigen.
„Italiens höchste Priorität ist ein Ende des Beschusses auf Israel“, sagte Mogherini laut der Tageszeitung „Ma‘ariv“ bei ihrem Treffen mit Netanjahu. „Aber mit demselben Atemzug wollen wir den politischen Prozess beginnen, um eine politische Lösung für das Problem zu finden.“ Der israelische Premierminister entgegnete: „Diejenigen, die auf uns schießen, suchen keine politische Lösung, sondern wollen Israel vernichten. Deshalb muss man Gaza entwaffnen.“
„Ma‘ariv“: Strategische Misshandlung Jerusalems
Im Internet kursiert ein Foto, das Mogherini als junge Frau mit dem Ende 2004 verstorbenen Palästinenserführer Jasser Arafat zeigt. Es wird in das Jahr 2002 datiert. Das Bild lasse womöglich darauf schließen, dass sie gegenüber den Palästinensern eine ähnliche Haltung einnehmen könnte wie ihre Vorgängerin Ashton, merkt die israelische Tageszeitung „Ma‘ariv“ an.
Das Blatt schreibt über die scheidende EU-Hochkommissarin für Auswärtige Angelegenheiten: „Ashton war mit dem Gesicht nach Gaza gerichtet, mit dem Gesicht zu den Palästinensern. Auch als jüdische Kinder in Toulouse ermordet wurden, vergaß sie nicht, den ungehörigen Vergleich mit den Kindern von Gaza zu machen.“ In Israel oder in der Gesellschaft eines israelischen Politikers habe sie immer ein saures Gesicht aufgesetzt – als wäre es aus ihrer Sicht eine Schande, sich in solch einer Begleitung öffentlich zu zeigen. Im Gegensatz dazu seien die Treffen der bisherigen EU-Außenbeauftragten mit iranischen Außenministern voller Freundschaft und Zuneigung gewesen. „Ihr Gesicht strahlte, wenn sie die Iraner traf.“
„Ma‘ariv“ nimmt auch die Beziehungen zwischen Ashton und den USA aufs Korn: „In ihrer Epoche gab es eine völlige Abstimmung zwischen dem amerikanischen Außenminister John Kerry und ihr – gegen Israel. Wenn sie in Washington unsanften Druck auf Israel ausüben wollten, taten sie das auch mittels der Europäer. Diese erhielten grünes Licht für eine strategische Misshandlung Jerusalems, einschließlich Andeutungen auf die Ausweitung des Boykottes gegen israelische Erzeugnisse, über den Boykott der Siedlungen hinaus.“ Beamte in Jerusalem äußerten nach der Ernennung, in jedem Fall sei es nach Ashton nicht schwer, die Lage zu verbessern.
Federica Mogherini wurde 1973 in Rom geboren. Sie studierte Politikwissenschaften und schrieb ihre Diplomarbeit über das Verhältnis zwischen Islam und Politik. Als Studentin beteiligte sie sich an Demonstrationen gegen Apartheid und Rassismus. Im Jahr 2008 wurde sie erstmals für die linksgerichtete Demokratische Partei ins italienische Parlament gewählt, im Februar 2014 übernahm sie das Amt der Außenministerin. Die Politikerin ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Die außenpolitischen Belange der EU soll sie die kommenden fünf Jahre vertreten.