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Israel hört Europas Schrei nach Gas

Vor Israels Küste ruht jede Menge Erdgas. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs lechzt Europa nach diesem Stoff. Israel kann ein Baustein für die Energieversorgung werden.
Von Daniel Frick
Die Verarbeitungsplattform für das Leviathan-Gasfeld vor der israelischen Küste

Angesichts der Krise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine suchen Deutschland und andere europäische Länder auch in Israel nach Alternativen für die Energieversorgung. Bis 2027 will die Europäische Union unabhängig von russischen Energieimporten werden. Mitte Juni hat der Staatenverbund zu diesem Zweck eine Absichtserklärung mit dem jüdischen Staat und Ägypten vereinbart. Die Vorkommen in israelischen Erdgasfeldern wie Leviathan sollen den europäischen Gasmarkt bereichern.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte die Absichtserklärung einen „großen Schritt nach vorne bei der Energieversorgung Europas“. Die israelische Energieministerin Karine Elharrar (Jesch Atid) schwärmte davon, dass „das kleine Israel ein signifikanter Akteur im globalen Energiemarkt“ geworden sei. Experten schätzen, dass Israel damit etwa 280 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen winken.

Pläne durchkreuzt

Der Jubel der Ministerin ist verständlich, doch restlos begeistert wird sie angesichts der Entwicklungen nicht gewesen sein. Noch Ende vergangenen Jahres war sie es, die die Lizenzvergabe für Gas­erkundungen für das Jahr 2022 einfror. Die Regierung wollte stattdessen den Fokus auf Erneuerbare Energien legen.

Dann kam am 24. Februar der russische Angriff auf die Ukraine. „Als ich das Ausmaß der Krise begriff, sagte ich, dass wir es nicht länger beiseite schieben können“, erklärte Elharrar dem israelischen Verteilblatt „Israel Hajom“ ihren Sinneswandel. „Es wurde klar, dass es einen weltweiten Bedarf geben würde.“ Dogmatismus sei in solch einer Lage fehl am Platz, Entscheidungen könnten auch revidiert werden. „Dennoch ist die Welt des Erdgases nicht die Zukunft – es ist die Welt der Erneuerbaren Energien.“

Jede Lieferung hilft

Die EU wird ebenfalls ihre klimapolitischen Ziele – „Klimaneutralität“ bis 2050 – nicht aus den Augen verlieren. Doch auch für Brüssel stehen vorerst praktische Lösungen im Vordergrund. Zahlen nennt die Absichtserklärung nicht, aber ein EU-Sprecher gab einen Wert von zunächst bis zu 10 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2023 an. Das wären dann 2,9 Prozent der EU-Gesamtimporte des Jahres 2021, die sich auf 344 Milliarden Kubikmeter beliefen.

Ein kleiner Anteil also, aber angesichts des europäischen „Schreis nach Erdgas“ (so formuliert es die israelische Wirtschaftsseite „Globes“) hilft jeder Beitrag. Schon bis Ende dieses Jahres sind insgesamt 7 Milliarden Kubikmeter an Erdgaslieferung geplant, 2 mehr als ursprünglich vorgesehen. Und die Mengen sollen in den kommenden Jahren signifikant steigen. Dabei hilft auch, dass sich Israel und der Libanon nach langem Streit im Oktober auf eine Seegrenze geeinigt haben. Die Einigung ermöglicht es Israel, das Gasfeld Karisch zu erschließen, ohne einen Angriff aus dem Libanon fürchten zu müssen.

Die einzige Möglichkeit für den Transport des Erdgases ist aktuell der Weg über Ägypten. Dort wird das Erdgas verflüssigt – in Israel fehlen dafür die Anlagen. Das Produkt wird dann nach Europa verschifft. Der Transport von Israel nach Ägypten erfolgt über eine Unterwasserleitung von Aschkelon zum Sinai. Im März 2021 haben sich Ägypten und Israel auf den Bau einer zweiten Pipe­line direkt vom Gasfeld Leviathan verständigt. Mit diesem Bau und anderen angedachten Vorhaben sollen Israel und Ägypten in den kommenden Jahren zusammen bis zu 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr exportieren können (8,7 Prozent der EU-Importe von 2021).

Neureiches Land

Israelis haben oft mehr oder weniger scherzhaft geklagt, dass Gott ihnen ausgerechnet den Streifen Land im Nahen Osten gegeben hat, wo es kaum Energievorkommen wie Öl gibt. Seit rund zwanzig Jahren laufen derartige Beschwerden aber ins Leere: Im Jahr 2000 wurde mit dem Feld „Mari B“ erstmals ein Gasvorkommen vor der israelischen Küste entdeckt. Es folgten weitere Funde: das Tamar-Feld 2009, ein Jahr später das bislang größte Feld Leviathan. „Dieses uns zugekommene Gas ist ein Geschenk Gottes“, frohlockte der damalige (ansonsten eher säkular eingestellte) israelische Premier Benjamin Netanjahu im Jahr 2015.

Mit der Entdeckung der Gasfelder begannen für Israel aber erst die Herausforderungen: Die bislang recht energielosen Israelis hatten wenig Expertise bei der Erschließung von Gasfeldern im Meer. Sie holten daher ausländische Firmen wie Noble aus Texas ins Boot; größere Unternehmen wollten damals nicht, aus Furcht vor einem Boykott der Araber. Hinzu kamen einige bürokratische Hürden, so dass die Förderung von Leviathan erst Ende 2019 begann, mehr als neun Jahre nach der Entdeckung.

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Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

Inzwischen ist Israel längst nicht allein mit derartigen Funden: Einschlägige Unternehmen haben im gesamten östlichen Mittelmeer eine Reihe von Vorkommen ausgemacht; neben Israel zählen Ägypten, der Libanon und Zypern zu den Profiteuren. Erst im Jahr 2015 kam das Zohr-Feld in ägyptischen Gewässern dazu, das doppelt so groß ist wie Leviathan.

Insgesamt lagern in dem Gebiet etwa 10.800 Milliarden Kubikmeter, auf Israel entfallen etwa 1.000 Milliarden Kubikmeter – je nachdem, was weitere Bohrungen ergeben, könnte sich der Wert für Israel noch verdreifachen. Im Vergleich reichen diese Werte längst nicht an Russland heran, das Schätzungen zufolge mehr als 37.000 Milliarden Kubikmeter an Erdgasvorkommen hat. Aber das Vorkommen im östlichen Mittelmeerraum könnte die Energieversorgung der EU in den kommenden zwei Jahrzehnten sicherstellen, sofern diese nötig ist.

Nachgewiesene Erdgasvorkommen

Quelle: BP Statistic Review of World Energy 2021

LandMilliarden Kubikmeter (bcm)Globaler Anteil (%)
Russland37.40024,3
Iran32.10017,1
Katar24.70013,1
Saudi-Arabien6.0003,2
Emirate5.9003,2
Ägypten2.0001,1
Israel6000,3
Als „nachgewiesen“ gelten Vorkommen, wenn sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (über 90 Prozent) wirtschaftlich erschlossen werden können. Daneben gibt es noch „vermutete“ und „mögliche“ Vorkommen.

Komplizierte Routenplanung

Aktuell besteht die größte Herausforderung darin, geeignete Transportwege zu schaffen. Der Weg über Ägypten mittels Verflüssigung und Verschiffung ist teuer. Als günstiger und stabiler gilt eine Pipeline – nur welche? In den vergangenen Jahren haben Israel, Zypern und Griechenland die sogenannte EastMed-­Pipeline vorangebracht.

Alles sah danach aus, dass sie bis 2025 fertiggestellt werden kann. Anfang 2022 entzogen die USA aber ihre Unterstützung; damit galt das Projekt als praktisch gescheitert. Offiziell gaben die Amerikaner Klimabedenken zu Protokoll: Angesichts der Hinwendung zu Erneuerbaren Energien lohne sich das Projekt nicht. Doch unter der Hand ging es wohl auch um eine diplomatische Aufwertung der Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan ist die Pipe­line ein Dorn im Auge, weil er sein Land gerne als Energieknotenpunkt sähe. Zudem gibt es einen Streit mit Griechenland um Hoheitsgebiete im Mittelmeer, der im Jahr 2020 fast zum Krieg eskaliert wäre.

Tatsächlich haben Israel und die Türkei schon länger über eine eigene gemeinsame Pipeline nachgedacht. Doch zwischen den beiden Ländern herrschten in der vergangenen Dekade vor allem Spannungen. Erdogan gab antizionistische Töne von sich, die Türkei beherbergte hochrangige Hamas-Terroristen. Zu einer Annäherung kam es erst kürzlich. Von einem Pipeline-Projekt ist man aber weit entfernt: Israel würde sich abhängig machen von der Türkei, und hierzu fehlt noch das Vertrauen.

Der Verlauf der geplanten EastMed-Pipiline
Angedachte EastMed-Pipeline: Das Bauprojekt könnte angesichts der Energiekrise neuen Auftrieb erhalten

Seit dem Ukraine-Krieg scheint sich die Gunst wieder der EastMed-Pipeline zuzuwenden. „Das Eastmed-Projekt ergibt jetzt wirtschaftlich und politisch mehr Sinn als je zuvor“, sagte Alexandra Sdoukou, die Generalsekretärin im griechischen Ministerium für Umwelt und Energie, Anfang November. Doch der Bau ist nicht ohne: Mit rund 1.300 Kilometern wäre EastMed die längste Unterwasser-Rohrleitung der Welt. Da sie zudem durch Gewässer von bis zu 3 Kilometern Tiefe muss, ist sie kostspielig – laut Schätzungen 6 Milliarden Euro.

Der Bau könnte sich aber doppelt lohnen: Die Leitung soll technisch so ausgelegt sein, dass sie in Zukunft auch Wasserstoff transportieren könnte, vor allem Grünen Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus der nahöstlichen Sonne entsteht. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, deutet aber Nachhaltigkeit so einer Leitung an. Der Ukraine-Krieg fordert jedenfalls die Ordnung der Dinge raus: Pipeline-Projekte leben wieder auf, und das kleine Israel wird ein Baustein in der Energieversorgung Europas.

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3 Antworten

  1. Danke@ Redaktion für diesen ausführlichen Artikel. Interessant.
    Seit 24.2.2022 hat sich vieles verändert.
    Energie ein teures, kostbares Gut.
    OT:
    Denke, so wird es einmal mit Wasser kommen.
    Und da ist Israel Vorreiter mit der Aufbereitung.

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  2. Es wächst zusammen, was prophetisch zusammengehört. Israel und Europa. Europa wird in irgendeiner Form in Kürze zum antichristlichen Weltreich gehören, dessen Diktator bekanntlich einen Vertrag mit Israel schließen wird, dessen Unterzeichnung wiederum der Beginn des „Tags des Zornes Gottes“ sein wird. Sieben Jahre des Grauens, wie es die Menschheit noch nie erlebt hat. Für Christen aber gilt: Wir sind nicht gesetzt zum Zorn! Unser Herr holt uns bald hier ab!

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  3. @ Michael Fasse
    Ihre These bitte etwas näher erläutern und mit Schriftstellen belegen!

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