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Israel erlebt weiteren „Tag der Störung“

Zahntausende Demonstranten stören bewusst den Alltag in Israel: Sie blockieren Straßen, füllen Bahnhöfe und äußern lautstark ihre Meinung. Die Polizei nimmt 45 Menschen fest. Die gesamte Woche wird weiter protestiert.
Von Israelnetz
Proteste gegen die Justizreform

TEL AVIV / JERUSALEM (inn) – Die Proteste gegen die geplante Justizreform in Israel ebben nicht ab. Am Dienstag veranstalteten die Organisatoren zum dritten Mal einen nationalen „Tag der Störung“. Ziel der Demonstranten war es, das gesamte Land zu blockieren und ihren Unmut über die Reformen zu bekunden, um politischen Druck zu erzeugen.

Den ganzen Tag versammelten sich in großen Städten Tausende zu einzelnen Demonstrationen. Wie in den vergangenen Wochen und Monaten war jedoch die Küstenstadt Tel Aviv das Zentrum für die Protestler.

Morgens fingen Demonstranten an, einige Straßen zu blockieren. Wie die Zeitung „Jerusalem Post“ berichtet, sammelten sich hunderte Israelis und blockierten die Schnellstraße zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Auch Bahnhöfe waren betroffen. Laut der Nachrichtenseite „Arutz Scheva“ blieb der Protest an Flughäfen, an dem sich in den vergangenen Wochen viele beteiligt hatten, am Dienstag aus.

Proteste gegen die Justizreform Foto: Israelbetz/mh
„Großvater Jitzchak wir kämpfen“ – auf den Demonstrationen drücken viele Israelis ihre Sorge darüber aus, dass die Werte, für die ihre Großeltern bei der Staatsgründung gekämpft haben, bald nicht mehr gültig sind.
Proteste gegen die Justizreform Foto: Israelnetz/mh
Noch zu später Stunde waren in Israel Kritiker der Justizreform auf den Straßen unterwegs

Über den gesamten Tag skandierten die meist friedlichen Israelis Rufe wie „Demokratie“ oder „Rettet unser Israel“. Viele Demonstranten kamen mit Israel-Fahnen zu den unterschiedlichen Treffpunkten. Des Weiteren hatten einige selbstgemachte Plakate dabei.

Wasserwerfer bei Abend-Kundgebung

Analog zu den wöchentlichen Protesten veranstalteten die Organisatoren am Abend in Tel Aviv eine Massenkundgebung. Zehntausende Israelis zog es auf die Kaplan-Straße, wo auch samstags die Demonstrationen stattfinden. Dies berichtet die Onlinezeitung „Times of Israel“.

Nach der Kundgebung blockierten Tausende Demonstranten die innerstädtische Ajalon-Schnellstraße. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Blockade aufzulösen. Dabei wurden laut Angaben der Organisatoren einige Teilnehmer verletzt. Im Verlauf des Sommertages klagten einige Demonstranten in verschiedenen Städten über Unwohlsein angesichts der Hitzewelle in Israel.

Proteste gegen die Justizreform Foto: Israelnetz/mh
Den ganzen Dienstag blieben Straßen aufgrund der Proteste blockiert und gesperrt – wie hier in Tel Aviv. Gegen Mitternacht wurde die letzte Sperrung in der Küstenstadt aufgehoben.
Proteste gegen die Justizreform Foto: Israelnetz/mh
Der „Tag der Störung“ verlief laut der Polizei größtenteils friedlich

Die Sicherheitsbehörden teilten mit, dass im Tagesverlauf insgesamt 45 Demonstranten festgenommen wurden. Wie die „Times of Israel“ berichtet, gab es die meisten Festnahmen bei der Auflösung der Blockade der Ajalon-Schnellstraße sowie bei gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in Jerusalem.

Viertägiger Marsch nach Jerusalem gestartet

Zwar blieb die Nacht zum Mittwoch ruhig, dennoch geht der Protest gegen die Reformen weiter. Eine Gruppe von Hunderten Kritikern traf sich in Tel Aviv, um einen Protest-Marsch zu starten. Zu Fuß wollen sie in das rund 65 Kilometer entfernte Jerusalem laufen. Die Ankunft in der Hauptstadt ist für Freitagnachmittag geplant. Die Teilnehmer wollen den politischen Druck gegenüber der Regierung und den Parlamentsabgeordneten erhöhen.

Am Mittwoch ist der Reformprotest erneut auch in der Berufswelt angekommen. Die „Jerusalem Post“ berichtet von einem zweistündigen Warnstreik der israelischen Ärztekammer. Zwischen 8:30 und 10:30 Uhr weigerten sich tausende Ärzte und Assistenten, ihrer alltäglichen Arbeit nachzugehen. Innerhalb der zwei Stunden wurden alle Operationen abgesagt. Die Ärztekammer sicherte jedoch zu, dass die Patientenversorgung jederzeit gewährleistet sei.

Die Proteste gegen die Justizreform halten Israel seit Jahresanfang in Atem. Ende März verkündete Premier Benjamin Netanjahu (Likud) eine Pause im Reformprozess. Nun wird er wieder fortgesetzt. Vergangene Woche erhielt ein Teil der Reform in der Knesset in erster Lesung eine Mehrheit. Demnach wäre es dem Obersten Gerichtshof künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung als „unangemessen“ zu bewerten.

Kritiker befürchten, dass dies Korruption sowie die willkürliche Besetzung hochrangiger Posten begünstigen könnte. In den nächsten Tagen werden weitere Bestandteile der Justizreform in der Knesset beraten. (joh)

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12 Responses

  1. Ich wünsche der Regierung viel Erfolg 🙂

    Für jeden, der sich tiefer mit den Plänen beschäftigt, ist es offensichtlich, dass es um den typischen Kulturkampf der (radikalen) Linken gegen Rechts/Konservativ geht. Genau wie in Europa.
    Ein Satz belegt das im Übrigen gut: ‚Die Hauptproteste kommen aus Tel-Aviv‘, das kleiner ist als Jerusalem. Warum? Weil dort eine internationale Hochburg der LGTBQ-Bewegung ist, ein Hot-Spot der woken Unzufriedenen. Die Regierung insgesamt soll weg, und die Justizreform, die im Übrigen auch schon die Regierung Lapid plante (weil es eine Notwendigkeit ist) ist da ein guter Aufhänger 😉

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    1. „Kulturkampf der (radikalen) Linken gegen Rechts/Konservativ“

      Schon interessant. In Israel gibt es anscheinend nur radikale Linke und in Deutschland nur radikale Rechte.
      Vielleicht sollten die deutschen Linken mehr mit den israelischen Rechten zusammenarbeiten um den „Radikalen“ in beiden Ländern ein auszuwischen.

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    2. Gisela hat völlig Recht.

      „Kulturkampf“, „radikale Linke“, „woke“.

      Sie haben offenbar völlig übersehen, dass politische Führer wie Herr Gantz oder Herr Lapid in der erste Reihe mitdemonstrieren?

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  2. Unabhängig was man von dieser Justizreform hält, was diese Demonstranten tun, geht gar nicht und hat mit Demokratie nichts zu tun. Da nimmt eine Minderheit eine Mehrheit in Geiselhaft und ärgert Menschen, die arbeiten müssen.

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    1. „Da nimmt eine Minderheit eine Mehrheit in Geiselhaft und ärgert Menschen, die arbeiten müssen.“

      Das ist für die Menschen in Deutschland inzwischen Alltag. Klimaextremisten nötigen Menschen, die zur Arbeit wollen oder sogar ins Krankenhaus müssen. Komischerweise kommt die Polizei bei uns aber nicht mit Wasserwerfen, sondern stellt sich auch noch schützend vor die Störer.

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    2. Sorry, das verwechseln Sie mit den deutschen Klima-Klebern.

      In Israel protestiert die Mitte der Gesellschaft gegen Bibi und sein rechtsradikalen resp. ultra-orthodoxen Mehrheitsbeschaffer.

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  3. Wohlwollend ist der israelische Unmut zu verstehen. Wird aber das öffentliche Leben beeinträchtigt und damit auch die Verteidigungsbereitschaft, sollten derartigen Proteste, mit vielen Trittbrettfahrern, unterbunden werden. Den Israelis ist anzuraten, bei der Neuwahl einer Regierung genau zu überlegen, wo sie ihr Kreuz abgeben, damit es zu solchen infantilen Ausbrüchen gar nicht erst kommt. Durch Israel sollte ein Ruck gehen, der sie an einheitliche Zeiten erinnert. Das wird auch außenpolitisch ein Zeichen setzen, das momentan doch arg zerzaust ist und nur ihren Feinden in die Hände spielt. Wenn die israelische Bevölkerung sich darauf besinnt, dass JAHWE ihr Helfer ist, wird es zu solchen Vorkommnissen wie oben nicht mehr kommen.
    Written 2023,19,07 by Friedhelm Seelig

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  4. Es ist ja auch eine Frechheit, dass die säkularen Israelis sich zu Wort melden, um den Rechtsstaat bzw. die liberale Demokratie zu bewahren. Sollen sie doch gefälligst damit zufrieden sein, für die Religiösen in ZAHAL dienen zu dürfen und den allergrößten Teil der Steuern zu zahlen, der in Form von Sozialleistungen den Haredim und in Form von „Strukturhilfen“/Siedlungsausbau etc. den anderen Religiösen zugute kommt! Und das bisschen Korruption, Selbstbereicherung, Nepotismus und Selbstexculpierung von Politikern – da sollen die Demonstranten auch nicht so kleinlich sein. Fehlt nur noch der großflächige Bananenanbau in Israel!
    Der Einsatz von Wasserwerfern und von Gewalt allgemein gegen Demonstranten, die für die Demokratie in Israel eintreten, passt nahtlos zu „illiberalen Demokratien“. „Weiter so Israel“, „weiter so, Religiöse“, kann ich da nur rufen. Es muss doch möglich sein, DAS Israel, das immer glorifizierend in meiner Vorstellungswelt war, das ich in Diskussionen immer und überall verteidigt habe, völlig zu zerstören! Q.e.d.!

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  5. Währe Netanjahu eine Koalition der Mitte mit Lapid und Co. eingegangen, würde eine Justitsreform, die nähmlich auch von Politikern der sogenannten Mitte befürwortet wird, geräuschlos über die Bühne gegangen. Die Demonstrationsführer wittern nach meiner Einschätzung eine Change, diese Regierungskoalition zu stürzen, genau wie es Netanjahu mit der Vorgängerregierung machte.

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    1. Hans sollte schon wissen, wovon er spricht! Bisher hat nämlich noch KEINE Regierung versucht, eine „Justizreform“ in dem Sinne zu machen, dass die Regierung den Obersten Gerichtshof auf letztendliche Bedeutungslosigkeit reduzieren kann. Dieser Abbau von Rechtsstaat bzw. von liberaler Demokratie ist präzedenzlos – zumindest in Israel. Aus Ungarn und Polen kennt man diese „illiberale Demokratie“ hingegen bestens! Glückwunsch zu diesem Stallgeruch! Oder ist es eher schon eine Bananenrepublik?

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