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Israel bewahrt die „Kronen von Damaskus“

In einer geheimen Mission schmuggelt der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad 1993 Bibelabschriften aus Damaskus nach Israel. Beteiligt sind israelische Spione, ein kanadischer Aktivist und ein syrischer Rabbiner.
In einer Geheimdienstaktion konnte die wertvolle Bibelabschrift nach Israel geschmuggelt werden

JERUSALEM (inn) – Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad hat Anfang der 1990er Jahre in einer bis heute weitgehend geheim gehaltenen Operation ein Manuskript einer der frühesten fast vollständig erhaltenen Bibelabschriften von Syriens Hauptstadt Damaskus nach Israel geschmuggelt. Wie israelische Medien berichten, arbeitete der Mossad mit der kanadischen Aktivistin Judy Feld-Carr und Rabbi Abraham Hamra, dem letzten Leiter der jüdischen Gemeinde in Damaskus, zusammen. Ziel war es, die „Kronen aus Damaskus“ von Syrien nach Israel zu bringen. Der Name geht auf das hebräische Wort „Keter“ (Krone) zurück – eine Krone wurde früher auf jede Torarolle gesetzt..

Die Texte wurden ursprünglich im 13. bis 15. Jahrhundert in Europa kopiert und reich illustriert, bevor sie nach der Vertreibung der Juden aus Spanien nach Damaskus kamen. Diese hebräischen Bibeln enthalten, anders als die traditionellen Torarollen, auch Vokale, Interpunktions- und andere Zeichen, die für eine korrekte Aussprache aushelfen. Die aufwendig verzierten Bibeln wurden von der jüdischen Gemeinde in Damaskus sehr geschätzt und nur bei seltenen Gelegenheiten herausgenommen.

In einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Gericht sagte Feld-Carr, dass sie 1993 in Absprache mit Rabbi Hamra eines der Manuskripte einem kanadischen Diplomaten übergeben habe, der es in einer schwarzen Plastiktüte aus Syrien herausschmuggelte. Die Nationalbibliothek in Jerusalem, deren Aufgabe es ist, jüdisches Erbe und Kulturgüter zu sammeln und zu bewahren, behütet diese Kronen seit ihrer Ankunft in Israel. Nachdem bekannt geworden war, dass die kostbaren Bücher in Israel sind, forderten die dort überlebenden syrischen Gemeindeglieder die Bücher für sich zurück. Die Nationalbibliothek erklärte jedoch, dass sie die alten Manuskripte fachgerecht restauriert habe und es für archäologische Laien kaum möglich sei, eine entsprechende klimatische Umgebung zu schaffen, um diese alten Werke vor weiterem Verfall zu bewahren.

Salomonisches Gerichtsurteil

Rabbi Hamra behauptet seit langem, israelische Beamte hätten versprochen, dass die Bücher an ihn zurückgegeben würden, damit sie in einem dem syrischen Judentum gewidmeten Kulturzentrum untergebracht werden könnten. Er sagte, ihm sei für das Zentrum ein Grundstück in einem Vorort von Tel Aviv zugeteilt worden. Doch Jahrzehnte später hat der Bau noch nicht einmal begonnen. Er verklagte die Bibliothek auf Eigentum an den Kronen, und die Bibliothek erhob 2014 Gegenklage und bat das Gericht, sie in einer öffentlichen Treuhand unter der Autorität der Institution zu stellen.

Das Jerusalemer Bezirksgericht beendete diesen Streit nun mit einem geradezu salomonischen Urteil und entschied am 17. August, dass die Bücher „Schätze des jüdischen Volkes“ seien. Sie hätten „historische, religiöse und nationale Bedeutung“ und müssten erhalten werden. Es verfügte, dass der beste Weg, dies zu tun, darin bestehe, sie in der Nationalbibliothek unter öffentlicher Bürgschaft aufzubewahren.

Das Gericht entschied weiter, dass zwar die Kronen in der Bibliothek verbleiben, sich aber alle gemeinsam darum kümmern sollten. Sowohl die Mitglieder der syrisch-jüdischen Gemeinde in Israel, als auch Vertreter der Nationalbibliothek, der sephardische Oberrabbiner Israels, Jitzchak Josef, der Präsident der Hebräischen Universität, Ascher Cohen, sowie Rabbiner Hamra wurden von dem Gericht zu den Treuhändern bestellt.

Weitere Damaskus-Krone in Jerusalem

Es ist nicht die erste Krone aus Damaskus, die in der Bibliothek in Jerusalem gehütet wird. Eine weitere Bibel, die ursprünglich 1260 in Burgos, Spanien, hergestellt wurde, war seit Jahrhunderten in der Synagoge von Huschbascha Al’anabi aufbewahrt worden. Dieses Manuskript erreichte Damaskus zu einem unbekannten Zeitpunkt – daher die Bezeichnung „Keter Damesek“. In der Schlussformel des Textes heißt es: „Ich, Menahem, Sohn von Abraham ibn Malek, möge seine Seele in Frieden ruhen, schrieb diese vierundzwanzig [Bücher] für den lieben, verehrten … Isaac, Sohn des geehrten Weisen Abraham … Haddad und vollendete sie am Montag, dem 17. Tag des Monats Adar im Jahr 5020 in Burgos … „.

Die Masorah Magna, die Belegstellen für besondere Ausdrücke oder Wortfolgen auflistet, ist in mikroskopischen Ornamenten sowie auf farbigen „Teppich“-Seiten geschrieben, deren Konturen eine Kombination aus Blumenmotiven und geometrischen Formen bilden. Das 1962 bei Sotheby’s in London versteigerte Manuskript wurde durch großzügige Spender für die Bibliothek erworben. Bekannt und berühmt ist auch der Damaskus Pentateuch, der ebenfalls in der Bibliothek in Jerusalem bewahrt wird.

Syrische Juden stammen aus zwei Gruppen ab: Von Juden, die seit der Antike in der Region des heutigen Syrien lebten und von den Sephardi-Juden von der Iberischen Halbinsel. Diese flohen wegen des Alhambra-Dekrets, das 1492 die Vertreibung der Juden aus Spanien erzwang, nach Syrien. Das Edikt ordnete die Vertreibung der Juden aus allen Territorien der Krone von Kastilien und der Krone von Aragón zum 31. Juli des Jahres an, sofern sie bis dahin nicht zum Christentum übergetreten waren. Es gab jahrhundertelang große Gemeinden in Aleppo („Halabi-Juden“) und Damaskus („Schami-Juden“) und eine kleinere Gemeinde in Qamischli an der türkischen Grenze in der Nähe von Nusajbin.

Die meisten syrischen Juden flohen nach der Gründung Israels 1948 aus dem Land, vertrieben durch die schweren Ausschreitungen gegen die 3.000 Jahre alte jüdische Gemeinde. Die wenigen Verbliebenen wurden unterdrückt. Erst in den 1990er Jahren gewährten die syrischen Behörden mehr Freiheiten. Nach Syriens jahrzehntelangem Bürgerkrieg ist nur noch eine Handvoll Juden im Lande verblieben. Die Diskriminierung, Flucht und Vertreibung der Juden aus Nahost und Nordafrika hatte auch die reiche Kultur der Juden in Syrien untergehen lassen. Weitere unermesslich kostbare Bibelabschriften konnten aus der Synagoge von Aleppo gerettet und nach Israel gebracht werden, ehe diese nach außerbiblischer Überlieferung schon von Erzvater Abraham vor 5.000 Jahren gegründete Stadt im Laufe des dort wütenden Bürgerkriegs dem Erdboden gleichgemacht worden ist.

Von: Ulrich W. Sahm und Elisabeth Lahusen

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