Früher habe man geglaubt, die arabische Welt werde sich durch den Einfluss Europas demokratisieren. Doch das Gegenteil sei geschehen. Heute habe der Islamismus die Oberhand in der arabischen Welt. „Europa muss wieder zum Wegbereiter von Werten werden“, sagte er bei einer Lesung im Berliner „Institut Français“. Wegen wirtschaftlicher und diplomatischer Krisen befinde sich Europa in einem „mentalen Erschöpfungszustand“. Deshalb seien der Islam und andere Religionen derzeit erfolgreich.
Mit Blick auf die Ukraine sagte er: „Immer wenn es Leichen gibt, folgt der Versuch, Menschen zu bekehren.“ Krisen seien ein „Segen für Islamisten“. Sansal sprach von einem „Eroberungszug“ des Islam. Der Islamismus sei überall auf dem Vormarsch.
Muslime in der westlichen Welt rief er dazu auf, sich vom Glauben in ihren Herkunftsländern zu emanzipieren. „Wir müssen ihnen sagen, dass sie sich befreien müssen“, forderte der Schriftsteller. Zugleich erklärte er aber, er halte den Islam für nicht reformierbar, weil die Trennung von Glaube und Staat im Koran nicht angelegt sei. „Die muslimische Welt muss sich revolutionieren, weil sie sich nicht reformieren kann“, sagte er. Er vermisse den Mut, Kritik am Islam offen auszusprechen. Niemand in Europa wage dies, dabei sei „höchste Eile geboten“: „Ihre Politiker sagen Ihnen nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen – aber das müssen Sie!“
Im Mai 2012 war Boualem Sansal durch einen Israelbesuch in der arabischen Welt negativ aufgefallen (Israelnetz berichtete). Der „Rat der arabischen Botschafter“ in Paris erkannte ihm daraufhin einen Literaturpreis ab. Im Oktober desselben Jahres hatte der algerische Schriftsteller gemeinsam mit seinem israelischen Kollegen David Grossmann einen Appell veröffentlicht, der zu einem Ende des Nahostkonfliktes beitragen soll. Sansal hat auch schon den Holocaust thematisiert. In seinem Roman „Das Dorf des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller“ entdecken zwei algerische Brüder, die in Frankreich leben, dass ihr Vater ein SS-Offizier war. Entsetzt begeben sie sich auf Spurensuche. Der Autor weist auf Verbindungen zwischen Nationalsozialismus und Islamismus hin.