BERLIN (inn) – Es ist notwendig, eine Gewichtung bezüglich der verschiedenen Formen des Antisemitismus vorzunehmen. Das sagte der Politologe Stephan Grigat am Montag in Berlin. Zwar müssten Judensterne und ähnliche Holocaust-Relativierungen auf Corona-Demonstrationen und anderswo benannt und verurteilt werden. Sie müssten aber auch ins Verhältnis zu anderen Formen des Antisemitismus gesetzt werden.
Als Beispiel nannte Grigat das iranische Regime. Der „potenziell atomar bewaffnete Antisemitismus“ des Iran sei für Israel und Juden die größte Gefahr. Im Vergleich zum Antisemitismus auf Corona-Demonstrationen stelle der Iran das „tödlichere, das gefährlichere“ Problem dar. Allerdings komme die iranische Bedrohung in den Medien zu wenig vor.
Um gegen diese Bedrohung vorzugehen, helfe nur ein Sturz des Regimes, erklärte Grigat. Eine andere Möglichkeit gäbe es nicht. Zudem plädierte er für eine Stärkung der iranischen Opposition durch den Westen.
Islamischer Antisemitismus vor Staatsgründung
Der Professor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen wehrte sich weiterhin gegen das Argument, dass islamischer Antisemitismus eine Reaktion auf die Staatsgründung Israels sei. Bereits vor 1948 habe es im Nahen Osten antisemitische muslimische Strömungen gegeben.
Die 1928 gegründete Muslimbruderschaft und vor allem der Jerusalemer Großmufti Mohammed Amin al-Husseini hätten bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts islamische Judenfeindschaft mit dem modernen europäischen Antisemitismus verbunden. Das Erstarken radikal-islamistischer Gruppierungen und Ideologien in dieser Zeit sei zentral für die gesamte weitere Geschichte des Nahostkonflikts, erklärte Grigat.
Demonstration im Vorfeld
Vor der Veranstaltung versammelten sich schätzungsweise 30 Personen vor dem Gebäude der Freien Universität Berlin und demonstrierten gegen Grigat. Aufgerufen zum Protest hatte die trotzkistische Gruppe „Klassegegenklasse“. Die Demonstranten riefen unter anderem „Free Palestine“. In einem zuvor veröffentlichten Schreiben bezeichnete die Gruppe Grigat als „Rassisten“, der zum Hass gegen Muslime aufrufen würde. Im Hörsaal selbst kam es zu keiner Protestaktion.
Veranstalter des Vortragabends war die Fachschaftsinitiative des Otto-Suhrs-Instituts an der Freien Universität Berlin. Beteiligt waren auch das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und die Amadeu Antonio Stiftung.
38 Antworten
Der Antisemitismus nimmt weltweit erschreckend zu. Einer der wichtigsten Ursachen dafür, ist die schnell wachsende Gottlosigkeit der Nationen, leider einschließlich auch Israels. Mit seiner Warnung hat der Politologe Stephan Grigat mit Sicherheit recht.
Wir dürfen jedoch niemals vergessen, dass der allgewaltige Gott Jahwe, all diese Entwicklungen zulässt. Der Wille Gottes geschieht im Himmel und auf Erden.
L.G. Martin
Solange Herr Grigat nicht in der Lage ist zu differenzieren zwischen Gegnerschaft zu Unterdrückung und Entrechtung des palästinensischen Volkes und Antisemitismus, sollte er nicht „Politologe“ genannt werden, sondern schlicht Lobbyist für den (übrigens atomar bewaffneten!) Zionismus.
Man muß kein Freund des autoritären iranischen Mullah-Regimes sein, um die Thesen des Herrn Grigat als abwegig anzusehen. Würde es stimmen, was er dem Iran unterstellt, wie erklärte es sich dann, dass religiöse Minderheiten im Iran wie z.B. die armenischen Christen oder jüdische Iraner eine garantierte Vertretung im Parlament haben und ihre Religion frei ausüben können?
Grigat verwechselt Gegnerschaft zum aggressiven und das Völkerrecht mit Füßen tretenden atomar bewaffneten Staat Israel mit Antisemitismus und macht sich damit zum Lobbyisten Israels. Das ist sein gutes Recht, ist aber wenig überzeugend.
Herr Luley,
Sie meinen häufig im Kern etwas Vernünftiges. Überziehen dann aber en detail masslos („aggressiver und das Völkerrecht mit Füssen tretender atomar bewaffneter Staat Israel“), so dass man schlussendlich nur kopfschüttelnd sich abwendet… .
Und Ihre Beiträge schlicht in die Tonne tritt wie die des Juden-Missionars, dem Untertänigsten… .
@ Eddie Jobson
Was ist bitteschön an meiner Wortwahl „masslos überzogen“?
Israel bereitet in Absprache mit den USA sowie unter Duldung Azerbaidjans einen bewaffneten militärischen Angriff auf den Iran vor und attackiert seit Jahren meist vom Libanon aus syrisches Territorium. Das können Sie in seriösen Tageszeitungen lesen und ist kein Geheimnis. Überzogen?
Israel entrechtet die Palästinenser tagtäglich, annektiert Land, besiedelt fremdes Land mit eigenen Bürgern und baut eine Mauer auf Territorium, das ihm nicht gehört. Sie kennen die Dutzenden entsprechenden UN-Resolutionen, die all das als völkerrechtswidrig kritisieren. Überzogen?
Israel ist ein atomar bewaffneter Staat? Ein Märchen, Gerücht oder eine Lüge? Überzogen?
Auf Ihre Antwort freue ich mich.
Per Verfassung sind Juden und Mitgliedern anderer Minderheiten in der Islamischen Republik Iran die Ämter des Staatsoberhaupts, des Staatspräsidenten, eines Ministers, des obersten Richters der Justiz, des Staatsanwaltes und des Leiters des obersten Gerichtshofes, die Mitgliedschaft im Wächterrat, die Mitgliedschaft im Schlichterrat, die Mitgliedschaft im Expertenparlament, die Mitgliedschaft in der Revolutionsgarde verwehrt.
Toll, möchten Sie auch etwas zu den Christen sagen, die in iranischen Gefängnissen sitzen und gefoltert werden. Oder aufgehängt werden? Auf dem Christenverfolgungsindex steht der Iran auf Rang 9.
Nennt sich das Religion frei ausüben können?
Minderheiten haben je einen Sitz als Anspruch im iranischenen Parlament. Bei 290 Abgeordneten sind dies gerade mal 5 Sitze im aktuellen Parlament.
Israel hat 120 Abgeordnete und wie viele Araber im Parlament? Sogar in der Regierung. Welche Regierungsposten haben denn Davidian, Abrahamian, Googtapeh, Motamed und Dabestani inne? Das sind nämlich die fünf, die derzeit für die vier Minderheiten im Parlament vertreten sind.
Können Sie rechnen? Dann tun Sie es mal.
@ Bjoern
…“dass religiöse Minderheiten im Iran wie z.B. die armenischen Christen oder jüdische Iraner eine garantierte Vertretung im Parlament haben und ihre Religion frei ausüben können?“
Das kommt wohl eher aus dem Reich der Märchen. Sie sollten wissen, dass Christen im Iran massiv verfolgt werden und die Alibi-Vertreter im Parlament eine Farce ist. Juden im Iran sind gegenüber der schiitisch/sunnitischen Bevölkerung eher benachteiligt. Forschen Sie mal ein bisschen nach.
Die in den traditionellen Kirchen organisierten Christen gehören jedoch ebenso wie die Juden und Zoroastrier zu den durch die Verfassung der Islamischen Republik Iran geschützten Religionen, während andere Religionen wie etwa die Baha’i nicht geduldet werden. Die traditionellen Kirchen, die – unter staatlicher Aufsicht – Schulen und Kultureinrichtungen unterhalten, haben auch unter diesen Bedingungen erhebliche Gestaltungsspielräume für ihr Gemeindeleben. Diejenigen Kirchen, die sich nicht an das Verbot der Mission unter Muslimen halten, also die evangelikalen Protestanten, werden dagegen direkt verfolgt. Deswegen verzichten diese Kirchen seit etwa 2006 auf offizielle Taufen neuer Christen, die von den Behörden registriert werden
Haben Sie Bespiele für die erheblichen Gestaltungsspielräume?
Im Rahmen ihrer Gemeinschaft genießen die anerkannten christlichen Minderheiten Kultusfreiheit und unter- halten eigene Kulturzentren, Schulen und Zeitungen. (Quelle: bamf)
Es scheint nicht möglich zu sein eine Antwort zu bekommen welche erheblichen Gestaltungsräume es gibt. Es wäre schön, wenn man die Angaben, die man schön brav abschreibt mit Leben füllen würde. Bsp. welche Kulturveranstaltungen können von Christen im Iran abgehalten werden? Kann in der Schule die Bibel gelehrt werden? Kann in den Zeitungen Position bezogen werden? Oder heißt es nur, dass diese Einrichtungen vorhanden sind, aber die Christen in der Praxis kuschen müssen? Aber es ist wohl schwer praktische Bespiele zu finden, die die angebliche Religionsfreiheit belegen.
@ JK
„dass religiöse Minderheiten im Iran wie z.B. die armenischen Christen oder jüdische Iraner eine garantierte Vertretung im Parlament haben und ihre Religion frei ausüben können?”
Das kommt wohl eher aus dem Reich der Märchen.“?????
Gemäß Art. 64 der Verfassung sind die armenischen Christen durch zwei, die assyrischen und chaldäischen durch einen gemeinsamen Abgeordneten im iranischen Parlament (Majlis) vertreten. Die Wahl dieser Abgeordneten findet zeitgleich mit den allgemeinen Parlamentswahlen statt. Nach Auskunftslage wurde bisher noch kein Kandidat der Christen von staatlicher Seite von einer Kandidatur ausgeschlossen.
Im Rahmen ihrer Gemeinschaft genießen die anerkannten christlichen Minderheiten Kultusfreiheit und unter- halten eigene Kulturzentren, Schulen und Zeitungen. (Quelle: bamf)
@Bjoern
Einer, der die Gesichte Israels (und der ‚pal. Araber) nicht kennt und doch meint, sich „qualitativ“ zu diesen Themen äussern zu können, sollte sich nicht „Historiker“ nennen oder genannt werden, sondern schlicht Lobbyist der BDS u.a. anti-israelischen/anti-jüdischen Organisationen.
„Christen mit einem muslimischen Hintergrund sind der stärksten Verfolgung ausgesetzt, vor allem durch die Regierung, in einem geringeren Maße auch durch die Gesellschaft oder die eigene Familie.
Die historischen Gemeinschaften der armenischen und assyrischen Christen werden vom Staat anerkannt und geschützt, aber als Gemeinschaften zweiter Klasse behandelt. Sie dürfen nicht mit persischen Christen, die einen muslimischen Hintergrund haben, in Kontakt treten.“ – soviel zur Freiheit der Christen im Iran. Auf dem Weltverfolgungsindex 2022 (gegen Christen) belegt der Iran den 9. Platz.
Quelle Opendoors CH
@ JK
Christen seien die weltweit am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft, Gewalt gegen sie sei auch in deutschen Flüchtlingsunterkünften an der Tagesordnung, und die Täter seien meist Muslime: Mit Meldungen wie diesen drängte das Hilfswerk Open Doors zuletzt nach vorne – und hat damit zumindest in Deutschlands großen Kirchen weniger Bestürzung ausgelöst als vielmehr Befremden.
(SZZ)
@Christin
„Es scheint nicht möglich zu sein eine Antwort zu bekommen welche erheblichen Gestaltungsräume es gibt“
Es scheint nicht möglich zu sein, eine Antwort zu schreiben, die Sie in der Lage sind zu verstehen . Sie scheinen auch nicht die Bedeutung von Kultusfreiheit zu kennen.
Ach ja, die Bedeutung von Kultusfreiheit wird in Deutschland und im Iran gleich ausgelegt?
Die institutionalisierten Dauersitze der Minderheiten im Parlament der Islamischen Republik Iran sind ein reines Feigenblatt. Der Wächterrat lässt nur linientreue Kandidaten zur Wahl zu. Von der politischen Entscheidungsbildung sind Juden und andere Minderheiten durch die Verfassung der Islamischen Republik ausgeschlossen.
Ich selbst kenne Iraner die geflohen sind, weil es lebensgefährlich wurde.
Oder meinen Sie einen anderen Iran.
Ich selbst kenne auch Iraner, die sind allerdings vor Schah Reza Pahlavi ,und seinem vom Mossad ausgebildeten Geheimdienst geflohen.
Ich habe vor etwa 40 Jahren Iranische Studenten in London kennen gelernt, die selbst dort die Schergen von Khomeini gefürchtet haben. Sie hatten ein gegenseitiges Warnsystem, und trauten sich oft nicht alleine auf die Strasse! Aktuell kenne ich auch einen Iraner, der vor der Regierung flüchten musste …
Seltsam, wenn es den Iranern unter dem Mullah-Regime so gut geht, warum flüchten dann so viele?
Niemand hat hier behauptet, dass es den Iranern unter dem Mullah-Regime gut geht.
Diejenigen die flüchten sind überwiegend Systemkritiker, Sie erkennen den Unterschied?
Ach je, Christen sind also Systemkritiker?
Ja, der Iran, nein, die Mullahs im Iran, nicht ein Großteil der Menschen, sind antisemitisch.
Dem folgt Katar mit Hamas und die restlichen
terroristischen Gruppierungen sind bekannt.
In DE steigen die Übergriffe auf uns Juden.
Kein Wunder wie dumm manche in ihren Heimatländern Judenhass gelehrt wurden.
Dazu BDS, deutsche Antisemiten, Rechte, Linke und Heuchler.
Wobei Israels Technik und Intelligenz weltweit gefragt sind.
Was stören uns die Dummen und Hassprediger.
Wer Seinen Augapfel antastet….
Shalom zu allen Israelfreunden.🇮🇱
So ist es. Das iranische Volk ist nicht israelfeindlich, nicht judenfeindlich. Die Führung ist es.
Shalom zu dir und habe einen gesegneten Tag.
Stephan Grigat liefert Fakten — wunderbar, wie unbeeindruckt er von der Gegendemo im Vorfeld war!
Daß Israel Europa als Erdgaslieferant unterstützt finde ich positiv und lobenswert. Da werden „mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen“. Rußland wird mit dem Embargo der Wind aus den Segeln genommen, im Ukrainekrieg und als Unterstützer des Iran. Durch die Zusammenarbeit von Israel und Europa entstehen Vorteile für beide.
Dafür dürfte Israel wohl der Hauptakteur für den globalen Antiiranismus sein.
Nicht nur Israel. Evangelikale Propaganda wie die von Open Doors trägt auch dazu bei.
Schon klar, Christenverfolgung darf nicht thematisiert werden. Sie hat verschwiegen zu werden. Die Christen, die in iranischen Gefängnissen gefoltert werden, sind ja selber schuld. Würden sie zum Islam übertreten oder nicht vom Islam zum Christentum übertreten wären sie nicht in dieser Situation.
Nennt sich dann bei manchen Zeitgenossen Religionsfreiheit.
Und ja, Open Doors prangert an. Und das ist gut so. Christenverfolgung hat man zu registrieren. Und dagegen aufzustehen. Wer zuschaut, macht mit schuldig am Mord von Christen.
Kritiker werfen Open Doors trotzdem vor, ein fragwürdiges Islambild zu verbreiten und so gewollt oder ungewollt Pegida und der AfD das Wort zu reden. Zudem ist die Methodik des Index umstritten: Unter „Verfolgung“ fasst Open Doors ein breites Spektrum von Diskriminierung auf mehreren Ebenen zusammen.
Open Doors gab es lange vor Pegida und AfD.
Und es erscheinen nicht nur islamische Staaten in dem Index. Viele Jahre führte Nordkorea die Rangliste an. Ist Nordkorea ein islamisches Land? Wohl kaum. Oder China, Vietnam. Leider erscheinen in der Tat viele islamische Länder auf dem Index. Vor was hat eigentlich der Islam so Panik, dass er die Christen in seinen Ländern verfolgt?
Breites Spektrum? Ja und das ist gut so. Da geht man nicht hin und sagt, dies ist ein kommunistischer Staat oder ein islamischer Staat und wir schätzen mal, so 30 % werden verfolgt.
Ne, da wird tatsächlich das Leben in den Ländern angesehen. Wie sieht es im Privat- und Familienleben aus. Kann man eine Bibel haben oder muss man Angst haben einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen, wenn man sich outet? Wie reagiert die Gesellschaft, die Politik?
Und ja, das ergibt dann ein Gesamtergebnis. Wird in hunderten anderen Statistiken ebenso gehandhabt. Aber da ist es korrekt. Schließlich sind die Christen selber schuld, dass man sie foltern muss, ermorden muss. Schließlich müssen sie ja nur ihrem Glauben abschwören. Und schon wäre alles gut. Die Welt wäre friedlich, der IS müssten nicht mehr Menschen köpfen, vierteilen, ersäufen, erhängen, verbrennen und Staaten wie Nordkorea und China müssten sie nicht mehr ins Umerziehungslager stecken, wo sie elendig verrecken. Aber sie sind ja selbst schuld an ihrem Schicksal, genauso wie die Juden, die der arme Hitler ermorden musste, wie auch Christen wie Bonhoeffer oder Schneider. Er musste ja so leiden unter diesem Schicksal Mörder sein zu müssen.
Zynismus Ende.
Darauf, dass es Open Doors schon vor der AfD und Pegida gab, wäre ich von selbst nicht gekommen, danke für den Hinweis.
Deren Berichte schließen zudem aus Einzelfällen tatsächlicher Verfolgung auf die Situation ganzer Bevölkerungsgruppen. So würden Christen in Palästina überall von Muslimen unterdrückt. In Eritrea zeigten angeblich viele Muslime, die dort etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, eine Tendenz zum Extremismus. Und in Ägypten machen die einheimischen koptisch-orthodoxen Christen laut Open Doors den evangelikalen Christen das Leben extrem schwer und tragen selbst zur Verfolgung bei. Natürlich wird es für jede dieser Aussagen aus den jeweiligen Ländern Beispiele geben, die dies belegen. Verallgemeinern lassen sie sich aber nicht so einfach.
Diese Ungenauigkeiten und Pauschalierungen entlarven den Weltverfolgungsindex als ein Propaganda-Instrument der evangelikalen Bewegung, die im Islam die Hauptbedrohung für das Christentum sieht und ihre evangelikale Les- und Lebensart des Evangeliums über andere christliche Traditionen stellt. Ökumene und der gleichberechtigte Dialog mit Anhängern anderer Religionen haben in diesem Weltbild offenbar keinen Platz.
Und das war jetzt kein Zynismus!
Habe eine Tipp für Sie. Fliegen Sie nach Israel, gehen Sie nach Bethlehem und fragen Sie die Christen dort wie es ihnen geht. Wenn Sie nicht gerade sagen, ich finde Abbas toll, bekommen Sie vielleicht sogar eine Antwort. Gehen Sie mal in christliches Geschäft, z.B. die Olivenholzschnitzereien und fragen Sie mal nach wie viele von ihnen noch da sind und wie viele von ihnen geflohen sind, weil sie den Druck nicht mehr aushalten konnten. Weil sie nicht bereit waren ihre Kinder des Mobbings in den Schulen auszusetzen. Die nicht mehr bereit waren, wenn sie vergewaltigt werden auf die Polizeistation kommen und Anzeige erstatten wollen, ertragen müssen auch noch verspottet zu werden. Selber schuld, werde Muslima und es passiert dir nichts. Wo Christen einfach mal so auf der Straße zusammen geschlagen werden, weil man ein bisschen Spaß wollte. Wo man ihre Häuser enteignet.
Gott sei Dank gibt es Organisationen wie Open Doors, die nicht wegschauen. Weder in kommunistischen Ländern, in islamischen Ländern oder auch in christlichen Ländern, wenn es Übergriffe geben sollte.
Und das war auch kein Zynismus.
Sie kennen doch gar niemand, der wegen seines Glaubens verfolgt wurde. Und wenn es jemand sagt, dann ist es für Sie kein Thema. Iran? Hunderte Christen werden Jahr für Jahr aufgehängt. Egal. Sind halt Systemkritiker. Solange sie sich weigern Muslime zu bleiben oder zu werden sind sie halt selbst schuld. Dann hat man die Pflicht sie zu töten. Genau wie die Juden vor 80 Jahren. Wie jämmerlich muss man sein, um so zu denken.
Zudem geht Open Doors mit Zahlen recht großzügig um. Lange hieß es, 200 Millionen Christen weltweit seien verfolgt. Als Journalisten 2012 kritisch nachhakten, wo diese denn alle leben würden, korrigierte das Werk die Zahl nach untenund sprach nur noch von 100 Millionen verfolgten Christen. Ab 2016 waren es auf einmal wieder 200 Millionen, 2020 dann 260 Millionen und dieses Jahr sollen es 309 Millionen Christen sein, „die einem sehr hohen bis extremen Maß der Verfolgung ausgesetzt sind“. Wie es zu diesem enormen Anstieg in den letzten zwei Jahren gekommen ist, wird mit Verweisen auf die zunehmenden Einschränkungen der Religionsfreiheit und auch mit Covid19 erklärt.
Deshalb lohnt ein Blick in die Methodik des Berichts. Dort heißt es, bei der Berechnung der Zahl verfolgter Christen lehne man sich „an die international gebräuchliche Definition des UNHCR“ an. Die aber besagt, dass nur die Christen als verfolgt bezeichnet werden dürfen, die wegen ihres Glaubens um Leben oder Freiheit fürchten müssen. Dass dies niemals 309 Millionen sein können, gibt auch Open Doors zwischen den Zeilen zu. Das Werk folgt einer „eher theologischen“ Definition, die „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus“ einschließt. Statt „theologisch“ könnte man da auch „individuell gefühlt“ sagen. Nach diesem aufgeweichten Verfolgungsbegriff dürften sich auch muslimische Frauen in Deutschland als verfolgt bezeichnen, die wegen ihres Kopftuchs blöd angemacht werden.
Bevor Sie mir eine „jämmerliche Denkweise“ unterstellen, sollten Sie versuchen zu verstehen, um was es überhaupt geht. Ich habe mit keinem Wort bestritten, dass Christen verfolgt werden
Vor allem die Art der Abgrenzung ist es, der Open Doors Anspruch, Christen das Label der am meisten verfolgten Glaubensgruppe verleihen zu können, ad absurdum führt. Open Doors untersucht gar nicht erst die Situation anderer Religionsgruppen, kann den Grad der Verfolgung also auch schlecht vergleichen. Stattdessen nimmt Open Doors schlicht die absolute Zahl von 100 Millionen Verfolgten als Gradmesser. Einen Wert, den beispielsweise die in relativer Hinsicht sehr viel stärker verfolgten Bahai gar nicht erst erreichen können.
Wie absurd ein solches Ranking ohnehin ist, zeigt sich, welchen Umkehrschluss die Rechnung von Open Doors zulässt. Mit rund 1,9 Milliarden Anhängern, die nach den Zahlen von Open Doors nicht verfolgt werden, könnte man Christen genauso gut zur am wenigsten verfolgten Glaubensgruppe erklären. Eine Methode, die weder dem Schicksal der assyrischen Bewohner von Qaraqush noch den vielen anderen religiös verfolgten Menschen auf der Welt gerecht wird.