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Innenminister: „Demonstranten sind keine Flüchtlinge“

JERUSALEM (inn) – Nur ein geringer Anteil der illegalen Einwanderer in Israel hat bislang Antrag auf Asyl gestellt. Darauf wies Innenminister Gideon Sa‘ar angesichts der aktuellen Massenproteste in einem Zeitungsinterview hin.
Innenminister Gideon Sa'ar sieht bereits Auswirkungen des neuen Einwanderungsgesetzes. (Archivbild)

„Die meisten illegalen Einwanderer haben kein Asyl beantragt“, sagte Sa‘ar der Wochenendzeitung „Sof HaSchavua“. „Nach unseren Aufzeichnungen gibt es derzeit 53.600 illegale Einwanderer in Israel, das natürliche Wachstum nicht eingeschlossen. Nur 1.800 Asylanträge sind eingereicht worden. In anderen Worten, nur 3,4 Prozent der illegalen Einwanderer haben beantragt, dass sie als Flüchtlinge anerkannt werden. Das ist ein wichtiges Indiz dafür, dass sie keine echten Flüchtlinge sind, sondern Wirtschaftsmigranten.“
Der Innenminister sieht unterschiedliche Gründe für den Ausbruch der Massenkundgebungen und Streiks am vergangenen Sonntag: „Mehrere Schritte wurden in letzter Zeit unternommen: Das neue Einwanderungsgesetz wurde verabschiedet, das offene Inhaftierungszentrum in Holot wurde eröffnet und illegale Einwanderer wurden von Tel Aviv dorthin gebracht. Zusätzlich wurde der finanzielle Anreiz für Eindringlinge erhöht, die bereits sind, aus eigenem Willen das Land zu verlassen. Ihnen werden jetzt 3.500 Dollar angeboten. Die Schmuggler, die sie an die israelische Grenze bringen und die Organisationen, die ihnen helfen, sobald sie angekommen sind, haben festgestellt, dass die Regierung die ernsthafte Absicht hat, ihre Politik umzusetzen.“
Im Dezember sei eine Rekordzahl von Afrikanern aus freiem Willen zurückgekehrt, für den Januar zeichne sich eine ähnlich hohe Zahl ab. Sa‘ar führt dies auf die neue Gesetzgebung zurück.
Der Minister hat nach eigener Aussage grundsätzlich nichts gegen die Proteste einzuwenden: „Es ist legitim, nicht mit der Regierungspolitik einverstanden zu sein. Was mich wütend macht, ist, wenn Organisationen vor ausländischen Botschaften verleumderische Äußerungen über den Staat Israel und die Demonstrationen machen und vor den Kameras der internationalen Medien verbale Angriffe ausgetragen werden. Israel hat keinen Grund, sich zu schämen. Es kommt mit diesem Phänomen ebenso gut zurecht wie andere westliche Länder, die mit derselben Angelegenheit zu tun hatten.“

Außenministerium: „Erhebliche Herausforderung für Israel“

Unterdessen veröffentlichte das Außenministerium eine Erklärung zum Problem der illegalen Einwanderung. Darin heißt es laut der israelischen Botschaft in Berlin: „Seit einigen Jahren steht Israel, ähnlich wie viele andere Industrienationen, vor der Herausforderung des Zustroms von Personen. Diese überqueren illegal die israelisch-ägyptische Grenze. Seit 2006 sind insgesamt ungefähr 64.000 Menschen auf diese Art nach Israel gekommen. Ein Teil von ihnen ist seitdem freiwillig in die Heimatländer zurückgekehrt, wodurch sich ihre Zahl auf 53.600 verringert hat. Die schiere Anzahl der Menschen und die weitreichenden Fragen, die dadurch aufgeworfen werden, stellen eine erhebliche Herausforderung für Israels Wirtschafts- und Sozialsystem dar – ein Land mit acht Millionen Einwohnern.“
Weiter teilte das Außenministerium mit: „Die Situation in Israel ist weitaus komplizierter als in anderen Industrieländern. Israel ist das einzige Industrieland mit einer Landgrenze zu Afrika und damit vergleichsweise zugänglicher für Einwanderungswillige. Hinzu kommt, dass es aufgrund Israels geostrategischer Situation und der derzeitigen politischen Instabilität an seinen Grenzen, praktisch unmöglich ist, eine gemeinsame regionale Lösung mit den Herkunfts- und Transitländern zu erarbeiten, wie es von anderen Industrienationen, zum Beispiel den europäischen Ländern oder den USA, praktiziert wird.“ Israel sei bemüht, „einen Ausgleich zu finden zwischen der Notwendigkeit der Sicherung seiner Grenzen und dem Schutz der Menschenrechte derer, die einreisen“.

Anführer: „Kein Ende des Streikes in Sicht“

In der Tageszeitung „Ha‘aretz“ wiederum meldet sich einer der Anführer der Proteste zu Wort. Der Sudanese kam 2009 von Darfur nach Israel und hat als Schichtleiter im Tel Aviver Hotel „Carlton“ gearbeitet. Zu seinem eigenen Schutz wird er nur unter dem Namen „Mutasim“ zitiert. „Wir haben den Streik am Sonntag begonnen“, schreibt der 27-jährige Afrikaner. „Wir haben vorerst keine Pläne, ihn zu beenden. Es ist sehr schwierig für manche Leute, die Wohnungen mieten, aber nicht arbeiten, und Familien haben. Aber der Punkt ist, zu beweisen, dass wir Menschen sind, und um als Menschen behandelt zu werden, sind wir bereit, alles aufzugeben.“ Bei dem Streik gehe es auch um die Ehre, deshalb müsse er weitergehen.
„Dieser Protest hat so viele Dinge verändert“, ergänzt der Sudanese. „Dass das Außenministerium eine Pressemitteilung herausgegeben hat, ist wirklich etwas Großartiges. Es heißt, dass sie den Druck spüren. Dass Präsident Schimon Peres herauskommt und sagt: ‚Wir haben unsere Geschichte vergessen‘, ist ein wirklich gutes Zeichen. Israelis auf den Straßen diskutieren nicht mit uns, und ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Zuerst habe ich befürchtet, die israelische Polizei würde versuchen, uns zur Gewalt zu provozieren, aber weil wir so gut organisiert sind, kann es nicht funktionieren. Sie wollen uns als gewaltsam und gefährlich darstellen, aber wir haben ihnen und der ganzen Welt erklärt, dass wir gewaltlose Leute sind, dass wir Recht und Ordnung achten.“

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