Am Sonntag hat der neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sein Amt angetreten. Der Spanier folgt damit der Italienerin Federica Mogherini, die seit 2014 EU-Außenbeauftragte war. In ihrer Zeit kam es zu erheblichen Spannungen in den Beziehungen zu Israel. Markantes Beispiel ist der Streit um die Kennzeichnung von Siedlungsprodukten im Jahr 2015.
Dass die Beziehungen unter Borrell besser werden, darf bezweifelt werden. Aus einschlägigen Äußerungen lässt sich eine eher kühl-belehrende Haltung zu Israel herauslesen. Als spanischer Außenminister sagte der Sozialdemokrat dem Politikmagazin „Politico“ im Februar dieses Jahres: „Der Iran will Israel auslöschen. Das ist keine neue Nachricht. Damit muss man leben.“
Dieser Satz ist auf mehreren Ebenen erstaunlich: Der Chefdiplomat eines europäischen Landes zeigte sich bereit, die Auslöschung Israels als eine Selbstverständlichkeit hinzunehmen, um dem Iran entgegenzukommen. Und diese Haltung wird auch auf EU-Ebene keineswegs geschmäht: Sie ist unproblematisch, wenn es um die Verteilung wichtiger EU-Posten geht. Bei den Anhörungen im EU-Parlament Anfang Oktober sah sich jedenfalls kein Abgeordneter dazu veranlasst, bezüglich dieses Satzes bei dem 72-Jährigen nachzufragen. Und das vor dem Hintergrund des Narrativs, das sich die EU selbst gegeben hat: Dass das „Zusammenwachsen Europas“ als „Friedensprojekt“ eine Antwort auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs ist. Nun droht ein Staat erneut mit Gewalt, dieses Mal nicht gegen Juden, sondern gegen den jüdischen Staat – und auf EU-Ebene scheint dies salonfähig zu sein.
Preise für die Sicherheit
Borrell hat früher auch andere Töne gegenüber Israel angeschlagen. Im Jahr 2005 sprach er als EU-Parlamentspräsident in der Knesset. Dabei erwähnte er, dass er den Sommer 1969 in einem Kibbutz verbrachte. Er betonte die besondere Verantwortung der EU „für die Existenz Israels als jüdischer Staat und als Demokratie, die mit ihren Nachbarn in Frieden und Sicherheit lebt“. Er begrüßte zudem die damals geplanten Wahlen zum palästinensischen Parlament und den in jenem Sommer anstehenden israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen – und er forderte, dass Israel dies einmal auch für das Westjordanland nachhole: „Das ist der Preis, den Israel für seine eigene Sicherheit zu zahlen hat.“
Inzwischen ist bekannt, dass bei den Wahlen die radikal-islamische Hamas siegreich war und der Rückzug aus dem Gazastreifen keinen Frieden, sondern Raketenterror mit sich brachte. Diese und andere Entwicklungen halten Borrell nicht davon ab, weiter auf altbekannte Lösungsansätze zurückzugreifen: Am Atomabkommen mit dem Iran will er trotz der Verstöße Teherans festhalten. Und auch die Zwei-Staaten-Lösung ist weiterhin Favorit, zumal die EU-Außenpolitik unter Mogherini diese bereits als „einzige“ Lösung charakterisiert hat. Bei den Anhörungen sah sich Borrell zu der Klarstellung veranlasst, es sei „nicht anti-israelisch oder antisemitisch“, diese Lösung einzufordern. Ähnlich wird er auch bei der Frage der Kennzeichnung von Siedlungsprodukten denken. Rückendeckung dafür gibt es: Der Europäische Gerichtshof hat dieses Verfahren Mitte November bestätigt.
Von: Daniel Frick
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