Das Misstrauen sitzt tief. Und wahrscheinlich völlig zu Recht. Denn wer die Jüdische Gemeinde Berlin in der Fasanenstraße betreten möchte, muss sich einem Check unterziehen, der es in sich hat. Personalausweis, Taschenkontrolle und manchmal bohrende Fragen des Wachhabenden, so ist das Prozedere am Eingang, ähnlich wie am Flughafen.
„Wir müssen das tun“, sagt eine Sprecherin der Gemeinde. Denn jüdische Einrichtungen stehen in Deutschland quasi rund um die Uhr im Visier antizionistischer Gruppen und muslimischer Terror-Organisationen, die nicht selten finanzielle Unterstützung aus dem Iran bekommen. Gefahr droht auch aus dem rechtsextremen und dem linksextremen Milieu.
Wer die jüngsten Proteste im selbst ernannten Gottesstaat und die dünnhäutigen Reaktionen des Teheraner Regimes verstehen will, der braucht nur auf jüdische Einrichtungen hierzulande schauen, die mitunter Hochsicherheitstrakten gleichen, da sie permanenter Anschlagsgefahr ausgesetzt sind. Und doch gäbe es Alternativen.
Die einzige Alternative scheint das Ende des Regimes in Teheran zu sein. „Denn fiele das Mullahregime, dann würden wohl auch seine Finanzströme rasch versiegen, und das weltweit“, mutmaßt der Berliner Historiker und Publizist Sven Felix Kellerhoff, der sich intensiv mit dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 und der anschließenden Jagd auf die Drahtzieher beschäftigt hat.
Schon damals hat Israel gezeigt, dass es keine Gnade mit Menschen kennt, die jüdisches Leben auf dem Gewissen haben. Bis auf einen wurden später alle Terroristen von israelischen Sicherheitskräften eliminiert, was die Regierung Israels als ausdrückliche Warnung an mögliche Nachahmer versteht.
Abgrenzung vom Islam
Doch mit den jüngsten Protesten im Iran ist zugleich auch die Gefahr für israelische und jüdische Einrichtungen wieder gestiegen. Denn die Mullahs sehen dahinter eine Provokation Israels und seiner westlichen Verbündeten. Das will sagen: Sie lassen über ihre Pressestäbe verkünden, dass dem so sei.
Der Verfassungsschutz in Köln warnt mehr denn je zur Vorsicht auf Reisen und in den sozialen Medien. Denn auch wer nur verbalen Widerstand gegen Teheran leiste, gerate schnell ins Visier seiner Dienste, mit oft gravierenden Folgen für Leib und Leben, heißt es auf Nachfrage.
Im vergangenen Winter fanden vor der Berliner Parteizentrale der Grünen Mahnwachen für die Opfer muslimischen Terrors im Nahen Osten statt. Dreimal wurden die Demonstranten von Iranern handgreiflich angegriffen, noch bevor die Polizei eingreifen konnte, berichtet Mina Ahadi. Ahadi ist Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland, der sich als Forum für Menschen versteht, die sich vom Islam bedroht sehen. Er pflegt enge Kontakte zu jüdischen Gemeinden in Deutschland.
Selbstherrlich und gewaltbereit
Was passiert, wenn das Teheraner Regime zuschlägt, hat auch Jamshid Sharmahd erlebt. Er ist in Deutschland aufgewachsen, bis heute freundschaftlich mit der jüdischen Gemeinde Berlin verbandelt und vor rund 20 Jahren mit seiner Familie aus dem Iran in die USA ausgewandert. Von dort wollte er den Kampf gegen muslimisches Unrecht, also die Selbstherrlichkeit und Gewaltbereitschaft seiner selbst ernannten Repräsentanten im Iran und Nahen Osten, aufnehmen.
Jamshid Sharmahd hatte vor 16 Jahren eine Onlineplattform gegründet, auf der sich User ungefiltert Luft machen können. 2020 sollen ihn iranische Agenten während eines Zwischenstopps in Dubai entführt haben, erklärt Sharmahds Familie. Das Regime behauptet, er sei bei einem Anschlag auf eine Moschee im Jahr 2008 beteiligt gewesen. Im iranischen Fernsehen wurde dazu ein Geständnis ausgestrahlt, das Fachleute für unecht halten, da es unter Folter erzwungen sein dürfte. Ende Februar dann das Urteil für den 67-Jährigen: Todesstrafe.
„Die Richter sind meist Männer, die sich mit Berufung auf den Koran im Besitz eines allumfassenden Wahrheitsanspruchs gegenüber ihren Gesellschaften wähnen“, so kommentierte Mina Ahadi das Urteil. Viele Menschen würden in Deutschland verdrängen, dass der Islam von jeher auf Abgrenzung und Konfrontation zu allem Nicht-Islamischem ausgerichtet sei, dass der Terror im Namen Allahs systemisch sei.
Anschläge auf Synagogen in NRW
Und daher ist auch die Causa Sharmahd kein Einzelfall. Seit der Machtübernahme im Jahr 1979 werden iranischen Diensten zahlreiche Anschläge in Europa und Deutschland zugeordnet. Einer der jüngsten Vorfälle: Für Angriffe auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2022 sollen nach Ermittlungen des LKA Nordrhein-Westfalen Angehörige der iranischen Revolutionsgarden verantwortlich sein.
Doch wie weit reicht der Arm der Mullahs gegen jüdische Einrichtungen wirklich? Laut Bundesamt für Verfassungsschutz agieren in Deutschland zwei iranische Nachrichtendienste. Das „Ministry of Intelligence“ (MOIS) sitzt in Teheran und operiert in Deutschland unter anderem aus der Botschaft und den drei Konsulaten.
Daneben gibt es die Quds-Einheit. Sie ist eine Spezialeinheit der Revolutionsgarde. Sie führt wirtschaftliche und militärische Operationen im Iran und im Ausland durch. Ihre Mitarbeiter sind der ideologische Schlagarm der Mullahs. Während der MOIS vor allem Oppositionelle und Exiliraner attackiert, sind das Ziel der Revolutionsgarden allein jüdische und israelische Organisationen, deren Gebäude auch deshalb weiter wie Festungen gesichert werden müssen.
Dr. Benedikt Vallendar arbeitet als freier Publizist und ist Berichterstatter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main. 2004 promovierte er an der FU Berlin im Fach Neuere Geschichte.
14 Antworten
„Die einzige Alternative scheint das Ende des Regimes in Teheran zu sein“
Nein, die einzige Alternative ist eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern.
Zwei Staaten? Palästina und Palästina?Denn etwas anderes akzeptieren die Palästinenser und ihre Unterstützer ja nicht. Wo wollten Sie die Juden nochmals unterbringen, Dieter?
Wenn man doch weiß, dass der Iran aus der Botschaft negativ agiert, wieso schliesst man diese nicht?
Solche haben Diplomatenstand. Werden nicht bestraft.
Na ja, Diplomaten und diplomatische Territorien sollte man per se nicht angreifen. Egal was man von denen hält.
Außerdem: Sonst wären in den 1950/60 Jahren sämtliche diplomatischen Territorien der USA in Lateinamerika, Iran etc. geschlossen worden.
Heute würden ALLE russischen und chinesischen diplomatischen Territorien geschlossen.
@Dieter
Aber diese Alternative wollen die Palästinenser doch gar nicht, sie dulden keinen jüdischen Staat neben sich.
Die Antwort auf alle Probleme (Strommangel in Europa, Krieg in der Ukraine, Christenverfolgung in fast allen islamischen Ländern usw.): die „Zweistaatenlösung“. Wie naiv (oder bösartig judenfeindlich?) muss man sein, um immer denselben Sermon zu leiern.
Ja, und wenn die Juden endlich aus dem Land vertrieben sind, herrscht Weltfrieden: Putin umarmt Selenski, Biden streichelt Kim, Die Suniten und Schiieten vertragen sich. Und so weiter und so weiter.
Denn bekanntlich ist ja nur der Jude an allem schuld, was auf der Welt böse ist. Ich weiß nicht, was so schön an diesem braunen Gedankengut ist, dass man es immer und immer wieder bringt.
Ich verstehe diesen Kommentar nicht: warum sollten die Palästinenser einen eigenen Staat im Iran erhalten? Btw: Der Wunsch der Mullahs und Anderer, das Volk der Juden verschwinden zu sehen/zu eliminieren, ist doch völlig unabhängig von einer Ein- oder Zweistaatenlösung – wo auch immer das sein soll. Die Zweistaatenlösung würde diesem Wunsch allerdings Vorschub leisten. Ist es das, was oben gesagt werden sollte?
Klar, wen interessiert auch schon das Schicksal der unter einer brutalen Diktatur leidenden Iraner. Hauptsache, man kann wieder gegen Israel hetzen! Und das, obwohl es eine FREIE Entscheidung der Palästinenser ist, seit 1948 jede Verhandlung mit Israel abzulehnen! Q.e.d.!
Deutschland wird sich noch wundern.
Erst wir Juden, dann die Christen.
Nee, es würde aus einem inoffiziellen Terrorstaat ein offizieller, von dem aus dann die
Beseitigung der verhassten zionistischen Herrschaft in „Palästina“ vorangetrieben würde.
Man darf noch nicht vergessen, dass es ein judenreiner Staat sein sollte wie Abbas genauso wie Adolf seinen Landsleuten heilig versprochen hat.
Lieber Dieter ich zitiere Dich: „Nein, die einzige Alternative ist eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern.“ Deine einzige Alternative ist keine Alternative, sondern würde mit Sicherheit in nicht langer Zeit, einen weitern Krieg auslösen. Die Bedrohung Jüdischer Einrichtungen in Deutschland ist nur ein Vorgeschmack mit dem was in Israel passieren würde, nur noch stärker und schlimmer als heute. Würde dieser Krieg von der arabischen Seite gewonnen, gäbe es keine Existenz mehr für die jüdische Seite. Das Land würde verarmen. Gewinnt die israelische Seite diesen erneuten Krieg, was sicher geschehen wird, darf die arabische Seite im Land bleiben. Aber es wird viele Opfer auf beiden Seiten geben. Fragen Sie sich, ob dies eure einzige Alternative bleibt. Sie fragen sich, woher ich meine Sicherheit nehme. Ich glaube an den lebendigen Gott, Der dem jüdischen Volk dieses Land gegeben hat. Ich glaube, dass die Nationen in nicht allzu ferner Zeit, ich nehme an mit ihren Heeren, in das jüdische Land Israel einfallen werden und der lebendige Gott wird diese Völker auf den Bergen Israels richten. Gott macht das nicht willkürlich, Gott spricht ein Gerichtsurteil, warum Er dies tut. Es lautet: Weil die Völker das Land teilen wollen, dass Er seinem Volk Israel gegeben hat. Ein abschliessender Gedanke: Würde Israel das ihm gegebene Land im Geschrei nach der Zweistaatenlösung der Völker im vorauseilenden Gehorsam und im Ungehorsam Gott gegenüber abgeben. Welches Volk müsste dann noch zum Gericht Gottes? So bleibt das Land in israelischen Händen, es ist das beste für Juden und Araber.
Was soll das sein: ‚christlich-jüdische Wertegemeinschaft‘? Das klingt für mich wie eine hohle Propagandaphrase-tut mir leid !
Natürlich werden die iranischen Herrschenden, wie auch die türkische Ditib etc. nicht von einem projüdischem Herzschlag angetrieben. In Deutschland können sich diese Leute aber gut aufgehoben fühlen….