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„Ich will Brücken schlagen“

Er ist mit einer Ägypterin verheiratet, liest den Koran in Arabisch und hat viele muslimische Freunde. Wenn Kurt Beutler über den Islam spricht, dann spürt man, dass seine Gedanken in jahrelangen Gesprächen mit Muslimen geformt worden sind.
„Die Kriege im Nahen Osten finden kein Ende, weil es um Ehre geht“, meint der Pastor und Islamkenner Kurt Beutler.

Der Satiriker Andreas Thiel schrieb in einem „Weltwoche“-Artikel, Mohammed sei ein Sklaventreiber, Kinderschänder und Massenmörder. Und dieses Verhalten werde im Koran gerechtfertigt. Was ging Ihnen beim Lesen seines Artikels durch den Kopf?

Kurt Beutler: In meinem Buch „Zwischen Bomben und Paradies“ habe ich das Leben Mohammeds dargestellt. In seinem Leben gibt es zwei Abschnitte: Die ersten zwölf Jahre als Prophet verbrachte er in Mekka, die nächsten zehn Jahre in Medina. Die Suren im Koran sind ungefähr zur Hälfte in Mekka entstanden, die andere Hälfte in Medina. In diesen beiden Teilen finden sich sehr unterschiedliche Aussagen und Themen. Das macht es schwierig, allgemeingültige Aussagen über Mohammed zu machen.

Lassen sich Thiels Beschreibungen aufgrund von Mohammeds Lebensführung belegen?

Tatsächlich lassen sich entsprechende Taten bei Mohammed nachweisen. Man kann aber nicht sagen, dass diese das ganze Leben und Wirken Mohammeds beschreiben – er hat auch Sklaven befreit und Menschen gerettet.

Dann hat Andreas Thiel den Koran selektiv gelesen und nur die düstere Seite des Propheten komprimiert dargestellt?

Ja, vor dieser Entscheidung stehen wir alle: Suche ich nur das Negative oder nur das Positive? Oder versuche ich fair zu sein und zu verstehen, was wirklich war und worum es tatsächlich ging.

Trotzdem bleibt die Frage – hat Thiel den Koran falsch gelesen und überhaupt nicht verstanden? Im Gegensatz zu Ihnen hat er nämlich keine einzige Perle im Koran gefunden.

Hätte er eine andere Aufgabenstellung gehabt, hätte er die Perlen möglicherweise ebenfalls entdeckt. Aber offensichtlich suchte er nach Gefahren. Das ist ihm in einer Zeit, in der von Muslimen ausgeübter Terror die Schlagzeilen beherrscht, nicht zu verübeln. Die von ihm zitierten Texte stehen so im Koran. Es sind ja durchweg religiöse Muslime, die Gewalt verbreiten.

Sie können den Koran in Arabisch lesen.

Ja, das versuche ich. Der Text ist schwierig und zudem in einem alten Arabisch verfasst. Aber diese Kenntnis hilft mir in Gesprächen, auf die zugrunde liegende Textquelle in der Originalsprache einzugehen. Wenn ich etwas nicht verstehe, hilft mir meine aus Ägypten stammende Frau.

Es gibt keine Stelle im Koran, die explizit die Todesstrafe für Blasphemie oder die Beleidigung des Propheten vorsieht. Weshalb ist es für Muslime Gotteslästerung, wenn ihr Prophet kritisiert wird? Es gibt Länder, in denen man für Kritik am Propheten hingerichtet wird. Im Buch „Perlen im Koran“ schreiben Sie, Mohammed behaupte ja gar nicht, der Erlöser oder sündlos zu sein. Worauf stützt sich dieses Verständnis, wenn nicht auf den Koran?

Im Gegensatz zu den meisten Muslimen behauptet nicht eine einzige Koransure die Sündlosigkeit Mohammeds. Allah fordert ihn sogar mehrfach auf, Buße zu tun. In der Biografie Mohammeds gibt es allerdings durchaus Erzählungen über Menschen, die auf seinen Befehl hingerichtet wurden, aus unterschiedlichen Gründen. Tatsächlich gibt es die Tendenz, ihn unbewusst zu vergöttern. Nach Abfassung des Korans, im Laufe der späteren Jahrhunderte, wurde aus Mohammed etwas gemacht, was er gar nie sein wollte.

Das ergibt keinen Sinn. Mohammed kann gar nicht Gott sein, weil es nur den einen gibt.

Wenn ich sage, dass alles, was Mohammed gesagt und getan hat, fehlerlos richtig war, dann wird er zu einer Art Gott. Genau dies ist im Islam geschehen. Das hat genau genommen mehr mit den Hadithen als mit dem Koran zu tun. Es ist so, dass Muslime einerseits behaupten, der Koran sei das letzte göttliche Buch, während sie anderseits die danach geschriebenen sogenannten Hadithe und Mohammeds Biografie, die Sira, ebenfalls als heilige Bücher akzeptieren. Dies kommt wohl daher, weil der Islam als Gesetzesreligion viel mehr Regeln benötigt als im Koran enthalten sind. Im Grunde befindet sich der Islam damit in einem inneren Widerspruch. Wenn Muslime wirklich glauben, dass der Koran das letzte von Gott offenbarte Buch ist, dann müssten sie eigentlich die Hadithe als Menschenwerk erkennen. Aber anstatt diese Bücher, die erst 200 Jahre später entstanden sind, zu hinterfragen, werden sie sogar als Richtschnur genommen für die Koranauslegung. Dies ist einer der offensichtlichen Widersprüche im theologischen Denken des heutigen Islam.

Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher hat nach dem Attentat in Paris eine drastische Reform der islamischen Theologie gefordert. Sie sagte: „So lange die Kampfaufrufe Mohammeds und der Kalifen nicht für alle Zeiten für ungültig erklärt werden, wird der Islam sein Gewaltproblem nicht loswerden.“ Hat sie Recht?

Ich denke ja. Es ist so: Wir haben ja auch im Alten Testament Gewaltaufrufe, die Steinigung ist vorgeschrieben, ganze Städte werden ausradiert. Diese Anordnungen betreffen aber allein die Juden, in einer bestimmten Zeit und einer bestimmten Region. Sie gelten nicht für immer, nicht für überall und nicht für die ganze Menschheit. Als Jesus kam, gab er dem Gesetz einen neuen Sinn. Er sagte: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Damit hat er die Steinigung nicht abgeschafft, aber er hat sie verunmöglicht, weil kein Mensch besser ist als der andere. Genau das fehlt im Islam. Unter meinen muslimischen Bekannten gibt es solche, die durchaus sagen, es könne gar nicht sein, dass Gott solche drastischen Strafen befehle. Und doch – wenn sie religiös werden, ihre Schriften lesen und sich nach dem Vorbild Mohammeds ausrichten wollen – werden sie damit konfrontiert.

Lassen sich solche Suren nicht als an die damalige Zeit gebunden interpretieren?

Der Koran ist in seinem Aufbau chaotisch. Es gibt keine Zeitangaben, keine Chronologie, vielfach fehlen die Orts- und Namensangaben. Damit weiß man selten, um welchen Kriegszug und mit welchem Motiv es in einer bestimmten Sure gegangen ist. So ist es kaum zu verhindern, dass die Gewaltaufrufe im Koran von manchen als Anordnung des Propheten an die muslimischen Gläubigen von heute verstanden werden.

Und Gehorsam und Unterwerfung gegenüber Allah und seinem Propheten sind für einen ernsthaften Muslim oberstes Gebot.

Genau. Dazu kommt, dass er ins Paradies gelangen will. Aufgrund verschiedener Koranverse ist der Weg dorthin allerdings ein sehr schwieriges Unterfangen. Es gibt die „Grabesqualen“: Für jede begangene Sünde wird man bestraft werden. Diesen höllischen Aussichten möchte ein Muslim entfliehen. Der einzige konkret gewiesene Ausweg gilt demjenigen, der im Kampf um das Reich Allahs stirbt. Sein Opfer – so sagen mehrere Suren – ist nicht vergebens, er wird den göttlichen Garten mit all seinen Wohltaten direkt erreichen und er dürfe zusätzlich 40 Verwandte mitnehmen. Im Dschihad Gefallene und ihre Familien erfahren in ihren Dörfern große Ehre.

Das heißt, der Ruf nach einer Reformation der islamischen Theologie ist berechtigt und dringlich?

Leider schlugen alle bisherigen Versuche fehl. Im Christentum erfolgte eine Reformation, indem man zurückfand zur ursprünglichen Bedeutung biblischer Texte. Das brachte eine Veränderung zum Besseren. Ruft man im Islam zurück zu den ursprünglichen Texten, wird nichts verbessert. Denn gerade dort finden sich die Aufrufe zum Dschihad und Futuhat, das sind Eroberungskriege. Im Sudan gab es den Versuch, die friedlichen Mekka-Suren über die kriegerischen Medina-Suren zu stellen. Ergebnis: Der Reformator wurde hingerichtet. Heute existiert eine innerislamische Bewegung, die sich nur an den Koran hält und die Hadithe ablehnt. Schon das ist ein Fortschritt. Aber es ist nicht die Lösung.

Während bei westlichen Politikern und Journalisten der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ als Angriff auf die Meinungsfreiheit gilt, sagte einer der Attentäter: „Wir sind keine Mörder. Wir sind Verteidiger des Propheten.“ Versteht der Westen die tatsächlichen Motive nicht?

Im Islam geht es um Ehre. Um die Ehre Allahs, um die Ehre des Propheten. Selbstmordattentate sind eine Art von Ehrenmorden. Auch beim Mord an Konvertiten geht es im Kern um verletzte Ehre. Die Blutrache dient ebenfalls der Wiederherstellung der eigenen Ehre. Die Kriege im Nahen Osten finden kein Ende, weil es um Ehre geht.

Da könnte man schon zur Meinung gelangen, dass der Terror dem Herzen des Islam entspringt?

Würde der Koran lediglich aus dem Aufruf bestehen: „Geht und tötet die Ungläubigen!“, hätte diese Religion keinen Bestand gehabt. Es gibt Perlen im Koran – es gibt aber auch Anti-Perlen. Dieses rätselhafte Buch enthält beides und der Leser weiß an manchen Stellen nicht, was dort genau gemeint ist.

Aktuell taucht die Forderung auf, man solle islamischen Gemeinschaften den gleichen öffentlich-rechtlichen Status erteilen wie den Landeskirchen. Ist das die Lösung?

Nein. In islamischen Ländern, wo diese Religion den bestmöglichen Status hat, geht es nach wie vor repressiv und kriegerisch zu und her. Es gilt zu bedenken, dass in diversen Suren friedfertige Muslime als Heuchler dargestellt werden. Vorgeworfen wird ihnen geheucheltes Beten und die Verweigerung, Besitz und Leben für den Heiligen Krieg einzusetzen. Muslime, welche diese Textstellen ernst nehmen, verurteilen die in ihren Augen zu liberalen Muslime. Diese Spannung lässt sich auch mit einer öffentlichen Anerkennung des Islam als Landesreligion nicht auflösen und auch die Integration wird damit nicht besser. Das Problem liegt in den grundlegenden islamischen Schriften selber: Koran, Hadithe und Sira.

Nun, Ihre Tätigkeit ist nicht die des Politikers. Sie arbeiten als interkultureller Mitarbeiter des Missionswerkes MEOS und sind in der Kontakt- und Integrationsarbeit unter arabisch sprechenden Ausländern tätig, dazu immer wieder auch als Buchautor. Eines Ihrer Bücher heisst „Perlen im Koran“. Worum geht es darin?

Ich glaube an Jesus, der uns zur Wahrheitssuche ermutigt hat. Er sagt, wir sollen nicht richten. Nur weil eine Religion anders ist, lehne ich sie nicht ab. Ich will sie verstehen, auch das Positive in ihr suchen und Muslimen respektvoll begegnen. Diese Haltung zeigt dieses Buch. Sein Untertitel heißt: „Ein Christ entdeckt das Buch der Muslime“. Im Koran finde ich Aussagen über Jesus, über Maria, Johannes den Täufer, über manchen alttestamentlichen Propheten, dann auch über die Bibel und über Christen. Diese Berichte dienen mir dazu, eine Brücke zu schlagen im Gespräch mit meinen muslimischen Freunden. Es gibt Koranverse, die besagen, der Koran beabsichtige, die Torah, die Psalmen und das Evangelium zu bestätigen. Das macht diesen vergleichenden Austausch so interessant.

Christen werden im Koran als Gotteslästerer, denen die Hölle gebührt, bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?

Sie finden beides: Einerseits steht im Koran, dass ernsthafte Christen ins Paradies kommen, anderseits auch, wer sagt, Gott habe einen Sohn, der sei ein Gotteslästerer. Es ist nicht meine Aufgabe, diesen und andere Widersprüche aufzulösen.

Das heißt, Sie beziehen sich im Gespräch mit Muslimen auf aussagekräftige Koranverse, schlagen eine Brücke zur Bibel und interpretieren den Korantext mit dem biblischen Bericht. Einem Imam dürfte diese Vorgehensweise eher suspekt sein.

Mag sein. Ich kenne allerdings viele muslimische Freunde, die das Buch „Perlen im Koran“ mit Interesse gelesen haben. Zum Teil staunen sie über das Gelesene, weil sie gar nicht wussten, dass diese Geschichten im Koran stehen. Man muss wissen, dass der Islam zu einem grossen Teil auf Propaganda beruht. Kritisches Denken ist nicht erlaubt, Zweifeln ist Sünde. Somit wird eine Aussage ständig wiederholt, bis sie sich als Wahrheit verfestigt hat. Sie wird nicht mehr hinterfragt und jeder kritische Einwand gilt als satanischer Angriff. In diesem Buch gebe ich – ausgehend von den islamischen Schriften – Hinweise darauf, dass man eine Sache auch anders betrachten kann.

Gehört der Islam zur Schweiz?

Wenn fünf Prozent der Bevölkerung muslimisch sind, sind Muslime ein Teil der Schweiz. Es ist aber keine Lösung, so zu tun, als wäre der Islam eine durch und durch friedliche Religion ohne Konfliktpotenzial und der Koran ein Buch nur voller Perlen. Islam bedeutet „sich Gott unterwerfen“. Das ist etwas Gutes. Die Frage ist: Wie verläuft der Weg dieser Unterwerfung? Solange Mohammed das kritiklose Vorbild ist, bleibt der Islam gefährlich. Wenn ich Koran, Hadithe und Sira studiere, stelle ich fest, dass Mohammed kein geeignetes Vorbild ist. Er ist zu widersprüchlich, zu hemmungslos. Nach 1.400 Jahren muss man sagen, dass eine Reformation des Islam nur dann gelingt, wenn man ein anderes Vorbild der Unterwerfung nimmt.
Das viel geeignetere Vorbild ist Jesus. Er steht nicht unter Verdacht des Kindsmissbrauchs, bei ihm gibt es kein Gewaltpotenzial, er hat nie Menschen versklavt und keine Kriege geführt. Ich würde mich als Muslim bezeichnen, aber nach dem Vorbild von Jesus und niemals nach dem Vorbild von Mohammed. Nur so kann der Islam reformiert werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Der Abdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung von ideaSpektrum Schweiz. Die Fragen stellte Rolf Höneisen.

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