Den täglichen Nachrichten zu lauschen ist in Israel seit Jahren ein andächtiger Akt, ähnlich wie am Sonntag in Deutschland das Hören der Predigt in der Kirche. Als Busse in die Luft flogen, Grenzunruhen ausbrachen oder Raketen aus dem Libanon oder Gaza in Aschkelon, Tel Aviv oder Haifa explodierten, konnte so jeder selber entscheiden, welche Buslinie oder Gegend er meiden sollte – zu seiner eigenen Sicherheit. Früher lief jeder mit einem laut plärrenden Transistor durch die Straßen. Heute stellen die Busfahrer das Bordradio bei den Piepsern der vollen Stunde automatisch lauter, damit alle Passagiere die Nachrichten verfolgen können.
Aber dieser Tage ist die Lage ziemlich mau: Es gibt die Meldung, dass in Tel Aviv zwei Fahrradfahrer zusammengestoßen sind. Im Rahmen einer Pressekonferenz erklärten die Ärzte des Beilinson-Krankenhauses, dass einer der beiden Radfahrer sich beim Sturz den rechten Fuß verstaucht habe. Außerdem wurde eine 56 Jahre alte Frau in Be‘er Scheva von einem Auto angefahren, als sie ordnungsgemäß am Zebrastreifen eine Hauptstraße überquerte. In den Nachrichten wurden sogar die Uhrzeit, der Name der Straße und die Automarke genannt.
„Terrorüberfall“ mit Nagelschere
Und schließlich haben aufmerksame Soldaten am Grenzübergang Kalandia zwischen Jerusalem und Ramallah einen „Terrorüberfall“ verhindert. Sie schossen in die Luft, als sie eine junge Palästinenserin erblickten, die sich mit einer Nagelschere in der Hand dem Grenzposten näherte. Die junge Frau ließ die „Waffe“ fallen und erklärte anschließend beim Verhör, dass sie sich wegen einer häuslichen Fehde habe festnehmen lassen wollen. Vermutlich wollte sie einfach nur einmal ihre Ruhe haben.
Und so fragt man sich, wieso gewisse Nichtereignisse ihren Weg in die landesweit mit religiöser Frömmigkeit verfolgten Nachrichtensendungen gefunden haben. Die wirklich „wichtigen“ Informationen kommen erst nach dem vier Minuten langen Schwall nichtiger Meldungen: Der Wetterdienst meldet 33 Grad in Jerusalem und über 40 Grad in Eilat. Das sind die Temperaturen im nicht vorhandenen Schatten. Und so breitet sich für den Moment fast himmlische Ruhe aus.