Zunächst haben sie auf Abstellgleisen nach einem echten Waggon gesucht. Einzige Voraussetzung war, dass der Güterwagen mit dem braun gespritzten hölzernen Aufbau mit Schiebetür tatsächlich vor Mai 1945 gebaut worden war. Sie wurden fündig. „Dieser Wagen wurde von Dr. Gottwaldt (Leiter der Abteilung Eisenbahnwesen im Technikmuseum Berlin und ausgewiesener Kenner der Deportationtransport-Geschichte) für gut befunden“, sagt Ruge.
„Wir wollen kein neues Denkmal für die Schoah-Massenvernichtung in Israel errichten, sondern den Waggon als Lehrmittel bringen.“ Dotan erzählt, dass er jedes Mal eine Gänsehaut bekomme, wenn er in einen solchen Eisenbahnwagen steige und sich vorstelle, dass während der Schoah darin über hundert Menschen gepfercht wurden, um nach Auschwitz, Treblinka und Riga transportiert zu werden. Jeder Deportierte habe sogar die „Fahrkarte“ selber bezahlen müssen, berichtet Dotan aufgrund langer Forschungen zu diesen Transporten. „Zwar wollte die Gestapo, dass die Juden lebendig im Vernichtungslager ankommen, dennoch ist fast die Hälfte schon während der Fahrt gestorben, vor allem die Greise und die Kinder.“ In der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem habe man herausgefunden, dass von den sechs Millionen ermordeten Juden etwa 1,5 Millionen bereits in solchen Waggons gestorben seien.
Dotan hat in Israel mehrere geeignete Stellen geprüft, wo der Wagen aufgestellt werden könnte – Schulen, Universitäten und Gedenkstätten.
Inzwischen wurde ein Abkommen mit der Bürgermeisterin von Netanja unterzeichnet. „Die Stadt ist sehr an der Aufstellung des Wagens interessiert. In Netanja wird der Waggon auf einem besonderen Platz stehen, wo der Opfer der Schoah und der gefallenen Soldaten aus Netanja gedacht wird“, sagt Dotan.
In Netanja soll der Waggon begehbar sein, um den Besuchern ein unmittelbares Gefühl zu bieten, wie die Menschen damals in Europa in den Tod transportiert wurden. Daneben wird eine Lehrstätte errichtet, um den Besuchern die Schoah mit Filmen und Erzählungen von Zeitzeugen zu vermitteln.
Laut Ruge und Dotan soll der Waggon nicht nur die Erinnerung an die Schoah erhalten. Eine der wichtigsten Aufgaben sei es, die Bedeutung der Demokratie zu verstehen. Wie leicht es sei, die nationale Freiheit durch Gewalt zu verlieren. Und wie wichtig die Bedeutung der Beibehaltung der heiligen Regel des Schutzes der Menschenwürde, der Menschenrechte und die Akzeptanz des Anderen sind. So solle auch der Kampf gegen Rassismus in jeder Form unterstützt werden.
Dotan wies darauf hin, dass in der Welt etwa acht derartige Waggons aufgestellt worden seien, darunter in Washington, Drancy und Berlin. Ein Waggon in Auschwitz sei verschlossen und könne nicht betreten werden. In Yad Vashem steht ein Waggon als Denkmal auf einem Gleis, das symbolisch in den Himmel führt. „Der Waggon in Jerusalem ist nicht einmal echt. Er wurde nach Kriegsende in Polen gebaut und völlig falsch renoviert.“
Dotan erzählt weiter, dass der in Deutschland entdeckte Wagen historisch getreu renoviert werden müsse, um dann per Schiff nach Israel gebracht und in Netanja aufgestellt zu werden.
Mehrere Organisationen, darunter die israelische Eisenbahngesellschaft, hätten schon logistische Unterstützung für das von Historikern begleitete Projekt versprochen.