Wasser ist unsere wichtigste Ressource und verdient unsere Wertschätzung. Zwei Drittel unseres Planeten Erde sind von Wasser bedeckt, doch nur weniger als 3 Prozent davon sind trinkbar, und dieses Trinkwasser ist zudem sehr ungleich verteilt. Wasser ist nicht nur lebensnotwenig, ihm kommt auch in vielen religiösen Handlungen eine zentrale Rolle zu, so auch im Juden- und Christentum. Wasser steht symbolisch für Lebensquelle, Reinheit, Ewigkeit und Vergänglichkeit, Fruchtbarkeit, Segen und Heilung, aber auch für Macht und Strafe.
Im ersten Buch der Bibel, der Genesis, erfolgt aus dem Wasser, über welchem der Geist G‘ttes schwebt, die Schöpfung: Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. Und so geschah es. Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag. Dann sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort und das Trockene werde sichtbar. Und so geschah es. Und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war. (1. Mose 1–10, Elberfelder Bibel)
Als Quelle allen Lebens ist Wasser damit lebensspendendes Ordnungsprinzip, es kann aber auch eine zerstörerische Chaosmacht verkörpern. Am Gipfelpunkt der großen Flut ereignete sich die rettende Wende durch die Erinnerung G‘ttes und nach der Sintflut schloss G‘tt einen Bund mit Noah und seiner Familie. Der Regenbogen erschien als Symbol dieses Bundes. G‘tt versprach, nie wieder eine zerstörerische Sintflut über die Erde kommen zu lassen.

DerBericht von der großen Flut und Noahs Arche ist eine Mahnung an uns Menschen, sorgsam und respektvoll mit der Schöpfung umzugehen. Die mythische Thematisierung einer weltweiten Flut gehört zum religionsgeschichtlichen Erbe der Menschheit, die Sintflutgeschichte ist auf die Grundspannung zwischen Gefährdung und Wiederherstellung der Schöpfung aufgebaut.
Auch bei der Auffindung des Mose spielt Wasser eine zentrale Rolle, so bedeutet der Name Moses auf deutsch „der Herausgezogene“ und deutet auf seine Errettung aus dem Nilwasser hin. Das Quellwunder des Mose berichtet, wie er Wasser aus dem Felsen schlägt, damit Mensch und Tier die Strapazen auf dem Weg durch die Wüste in das Gelobte Land überleben können. Die Israeliten lebten in einer wasserarmen Region, die Bibel berichtet mehrfach vom Kampf um Wasser und von den Gefahren durch Überschwemmungen.
Rituelle Reinigung
Im Judentum ist rituelle Reinigung durch Waschen und Übergießen mit Wasser, sowie in bestimmten Situationen durch Untertauchen des gesamten Körpers, vorgeschrieben. Vor allen religiösen Handlungen und vor den Mahlzeiten lautet ein Gebot, die Hände zu waschen, dabei wird das Wasser abwechselnd über die rechte und die linke Hand gegossen und dazu ein Segensgebet gesprochen. Beschreibungen ritueller Waschungen finden sich schon im 2. Buch Mose 29,4: Aaron und seine Söhne aber sollst du an den Eingang des Zeltes der Begegnung herantreten lassen und sie mit Wasser waschen. (Elberfelder Bibel)
Betrachten wir nun den spirituellen Hintergrund der Mikwe näher. Das rituelle Tauchbad ist ein Symbol der Neugeburt. Es speist sich aus natürlichem, fließendem Wasser (Quell- oder Flusswasser) oder aus Regenwasser. Damit eine Mikwe die halachischen, die religionsgesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, muss sie „lebendiges Wasser“ beinhalten und eine Mindestmenge von 500 Litern. Steht kein Quellwasser zur Verfügung, weichen jüdische Gemeinden auf einen tief reichenden Grundwasserbrunnen aus. EineMikwe darf mit zusätzlichem Wasser aufgefüllt und beheizt werden, wobei darauf zu achten ist, dass das natürliche Wasser nie vollständig geleert wird.
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Ursprünglich war das Tauchbad vor dem Besuch des Tempels in Jerusalem nötig. Heute gehen traditionelle Frauen nach der Menstruation in die Mikwe, aber auch Männer besuchen das Tauchbad, wie etwa vor dem Schabbat oder Feiertagen und nach Kontakt mit einem Toten. Großen Zulauf erlebendie religiösen Tauchbäder meist vor dem höchsten Feiertag Jom Kippur, um sich symbolisch reinzuwaschen.
Bei Übertritten zum Judentum oder nach der Geburt eines Kindes geht man ebenfalls in die Mikwe. Einer körperlichen Reinheit dient sie nicht, die Besucher und Besucherinnen müssen sich bereits vorher gründlich reinigen. Beim Eintauchen in das Wasser darf nichts mehr am Körper sein, was nicht zu ihm gehört. Der nackte Körper und die Haare werden vollständig drei Mal unter Wasser getaucht.
Nach dem koscheren Untertauchen spricht man, noch im Wasser stehend, auf Hebräisch die Bracha, den Segensspruch: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt hat, und der uns das Untertauchen befohlen hat“.
„Ihr sollt heilig sein“
Warum aber spielt rituelle Reinheit im Judentum eine dermaßen zentrale Rolle? Der Ewige spricht zu den Kindern Israels folgendes: Denn ich bin HaSchem, der Euch aus dem Land Mizrajim (Ägypten) heraufgeführt hat, um Euer G‘tt zu sein: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. (3. Mose 11,45) Dieses Gebot zur Heiligung zu erfüllen, ist eine wichtige Voraussetzung, um mit dem Ewigen eine Gemeinschaft eingehen zu können.
Wenden wir uns nun Johannes dem Täufer zu. Hat der Bußprediger Juden getauft? Aus jüdischer Perspektive lautet die Antwort: Nein. Mit Anfang 30 macht er sich auf, um am Ufer des Jordan und in der Wüste Umkehr und Buße zu predigen sowie das nahe Kommen des Gottesreiches anzukündigen. Sein Name Johannes bedeutet „Gott ist gnädig“. Viele Juden hörten auf seine Worte und ließen sich von ihm taufen.
Vielmehr war Johannes ein Lehrer, der die Menschen zur Umkehr bewegen wollte, sich und ihr Leben zu heiligen gemäß dem Wort des Ewigen: „Ich bin der Ewige euer G-tt. Heiligt euch und seid heilig, denn heilig bin Ich.“ (3. Mose 11,44). Waren die Menschen zur Umkehr bereit, wies Johannes sie an, im Wasser des Jordan vollständig unterzutauchen, wobei er ihnen behilflich war. Durch das lebendige Wasser erfuhren die Sünder und Sünderinnen eine Läuterung, durch das vollständige Untertauchen im Jordanwasser hatten sie nun wieder rituelle Reinheit erlangt und damit wieder Zugang zur Sphäre des Heiligen.
Eine Taufe, wie im Christentum, wodurch der Getaufte nach christlichem Verständnis ein Glied des Leibes Christi wird (1. Korinther 12,13;27), gibt es im Judentum nicht. Zudem muss berücksichtigt werden, dass es zu den Zeiten, als Johannes der Täufer wirkte, noch kein Christentum gab.
Unterschied zwischen Reinheit und Sauberkeit
Der hebräische Begriff für die rituelle Reinheit ist tahor, „rein“, was nur insofern etwas mit Sauberkeit zu tun hat, als die Sauberkeit ihrerseits eine Voraussetzung für die Reinheit ist. Nach jüdischem Verständnis müssen Seele und Körper eine Einheit bilden, damit der Mensch überhaupt sein Menschsein erfüllen kann, vergleiche Psalm 115,17–18: Die Toten werden Jah nicht loben, noch alle, die zum Schweigen hinabgehen. Wir aber, wir werden Jah preisen von nun an bis in Ewigkeit. Halleluja! (Elberfelder Bibel).
Alle Anteile des Menschen müssen in gleicher Weise rein sind, um in Heiligkeit das Leben führen zu können. Das Gegenteil von „rein“ ist tame, „unrein“. Unreinheit ist eine alle Teile des Menschen umfassende Befleckung und damit ein Hindernis für die Teilnahme an der Gemeinschaft, in deren Mitte der Ewige Seine Wohnung genommen hat (2. Mose 29,45–46; 3. Mose 4,1–3). Dies erklärt auch, warum die Gemeinschaft unter sich Träger der Unreinheit nicht zulässt, will sie rein bleiben.
Ein weiteres wichtiges jüdisches Reinheitsgebot ist Tewilat Kelim, das Eintauchen von Gefäßen.
Abgrenzung vom Unreinen
Nachdem das jüdische Volk die Midianiten erfolgreich bekämpft hatte, lehrte Eleasar, der erste biblische Cohen Gadol (Hohepriester), die Israeliten, wie sie die von ihren Feinden erbeuteten Bedarfsgegenstände für Lebensmittel zu kaschern haben. Pfannen und das Geschirr, die mit heißem nicht-koscheren Essen in Kontakt kamen, mussten mit Feuer gereinigt werden. Aus sie sollen rein gemacht werden; in der Tat sollen sie im Nidda-Wasser gereinigt werden, leitet der Talmud ab, dass die Gefäße durch das Eintauchen in das Wasser, das auch eine nidda zu ihrer Reinigung benötigt, gereinigt werden, sprich: in einer Mikwe.
Die hebräische Bezeichnung nidda bedeutet wörtlich übersetzt Abgrenzung. Gemeint ist die Abgrenzung von rituell Unreinem und Reinem. Sprachlich hängt nidda mit dem Begriff nidduj, was „Bann, Verstoßen, Ausstoßen“ bedeutet, zusammen. In der orthodoxen Ausrichtung bezieht sich die Bezeichnung nidda hauptsächlich auf die Regelungen und Rituale während der Menstruation.
Der angeführte Vers besagt, dass nicht mit heißem unkoscheren Essen in Berührung gekommene Gefäße lediglich „durchs Wasser zu führen“ sind. Der Ausleger Raschi (1040/1041–1105) interpretiert diesen Ausdruck so, dass ausnahmslos alle Gefäße – auch die nicht für heißes Essen benutzten – in eine Mikwe eingetaucht werden müssen. Sein Name ist ein Akronym für Rabbi Schlomo Izchaki; er wird oft auch respektvoll als Rabban Schel Israel, der „Großlehrer Israels“, bezeichnet.
Das Eintauchen der Lebensmittelgebrauchsgegenstände in eine Mikwe soll die Gefäße vorbereiten, um sie in den heiligen Bereich des jüdischen Volkes bringen können. Zu der Tatsache, dass sie von Nichtjuden höchst wahrscheinlich für unkoscheres Essen benutzt wurden, kommt noch spirituelle Unreinheit hinzu. Kauft die Gefäße ein Jude, der sie zukünftig ausschließlich für koscheres Essen benutzen wird, müssen sie auch eine spirituelle Reinigung durchlaufen. Dies erklärt, warum auch unbenutzte Lebensmittelgegenstände zunächst „gekaschert“ werden müssen, bevor sie in die Mikwe getaucht werden können.
Meer als Ursprung des Bösen
Das unergründliche Meer galt als lebensbedrohliche Macht (Jesaja 17), als Ursprung des Bösen (Psalm 104) und der Ungeheuer (Jesaja 27). Das Meer ist Sinnbild des Totenreiches (Hesekiel 26) und wird in der kommenden Welt nicht mehr existieren (Offenbarung 21). Das Meer wird für Jona zum Grab, siehe Jona 2,7.
Der Prophet Hesekiel sieht in einer Vision eine Quelle, die unter der Tempelschwelle entspringt. Diese symbolisiert den Segen G‘ttes, der von dem Heiligtum ausgeht. Dem Wasserlauf folgend, sieht Hesekiel, wie der Fluss durch die Judäische Wüste fließt und das Tote Meer erreicht. „Wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben“ (Hesekiel 47). Mehrfach wird G‘tt als Spender des Regens bezeichnet, wie etwa in Psalm 29, dem der alljährliche Wetterumschwung im Herbst zugrunde liegen dürfte:
Ein Psalm. Von David. Gebt dem HERRN, ihr Göttersöhne, gebt dem HERRN Herrlichkeit und Kraft! Gebt dem HERRN die Herrlichkeit seines Namens; betet an den HERRN in heiliger Pracht! Die Stimme des HERRN ist über den Wassern, der Gott der Herrlichkeit donnert; der HERR über großen Wassern. Die Stimme des HERRN ⟨ertönt⟩ mit Macht, die Stimme des HERRN in Majestät. Die Stimme des HERRN zerbricht Zedern, ja, der HERR zerbricht die Zedern des Libanon. Er lässt sie hüpfen wie ein Kalb, den Libanon und Sirjon wie einen jungen Büffel. Die Stimme des HERRN sprüht Feuerflammen, die Stimme des HERRN erschüttert die Wüste, der HERR erschüttert die Wüste Kadesch. Die Stimme des HERRN macht Hirschkühe kreißen und lässt Zicklein vorzeitig gebären … Und in seinem Tempel sagt alles: Herrlichkeit! Der HERR thront auf der Wasserflut, der HERR thront als König in Ewigkeit. Der HERR möge Kraft geben seinem Volk, der HERR möge sein Volk segnen mit Frieden.
Bitte um Regen
Sukkot, das Laubhüttenfest, und die Bitte um Regen zur rechten Zeit sind eng miteinander verbunden. Denn in der Zeit des Zweiten Tempels war Sukkot auch das „Fest des Wasserschöpfens“, das nach der Ernte im Herbst gefeiert wurde. Bestimmte Tempelrituale und Bitten am Ende von Sukkot sollten der Sicherung der beginnenden Regenfälle dienen. Dem Talmud nach wurde das Wasser für das Opfer auf dem Altar den Quellen von Schiloach (Siloah) entnommen.
In Sacharja 14,16–19 heißt es, dass derjenige keinen Regen bekommt, der nicht zum Laubhüttenfest nach Jerusalem pilgert: Und es wird geschehen: Alle Übriggebliebenen von allen Nationen, die gegen Jerusalem gekommen sind, die werden Jahr für Jahr hinaufziehen, um den König, den HERRN der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Und es wird geschehen, wenn eines von den Geschlechtern der Erde nicht nach Jerusalem hinaufziehen wird, um den König, den HERRN der Heerscharen, anzubeten; über diese wird kein Regen kommen. Und wenn das Geschlecht Ägyptens nicht hinaufzieht und nicht kommt, dann ⟨wird der Regen⟩ auch über dieses nicht ⟨kommen⟩. Das wird die Plage sein, mit der der HERR die Nationen plagen wird, die nicht hinaufziehen werden, das Laubhüttenfest zu feiern. Das wird die Strafe für Ägypten und die Strafe für alle Nationen sein, die nicht hinaufziehen, das Laubhüttenfest zu feiern.
Die Feier, die das Wasseropfer begleitete, wurde simchat beit ha scho’ewa genannt, „Feier des Ortes, an dem Wasser geschöpft wird“. Es ist der Ort, von dem der Geist der Heiligkeit geschöpft wird. Dieses Wasser nannte man „Wasser der Erlösung“ nach dem Vers Und ihr sollt fröhlich Wasser schöpfen aus den Quellen der Erlösung (Jesaja 12,3). Die Könige des Hauses David wurden an diesen Quellen gesalbt, und von ihnen kommt Israels Erlösung.
Frischwasser durch Kanäle
Wasserarmut und Wasserknappheit machten durchdachte Konzepte der Versorgung erforderlich. Seit herodianischer Zeit war die Zuführung von Frischwasser – zumindest in Friedenszeiten – durch Kanäle, Druckleitungen und Aquädukte auch über eine längere Distanz möglich.
Eine besondere Stellung nimmt der sogenannte kanaanitische Teich ein. In 1. Könige 32–35 lesen wir: Darauf sagte der König David: Ruft mir den Priester Zadok und den Propheten Nathan und Benaja, den Sohn Jojadas! Und sie kamen herein vor den König. Und der König sprach zu ihnen: Nehmt die Diener eures Herrn mit euch und lasst meinen Sohn Salomo auf meiner eigenen Mauleselin reiten und führt ihn zum Gihon hinab! Und der Priester Zadok und der Prophet Nathan sollen ihn dort zum König über Israel salben. Und ihr sollt ins Horn stoßen und sagen: Es lebe der König Salomo! Dann zieht ⟨wieder⟩ herauf hinter ihm her, und er soll hereinkommen und sich auf meinen Thron setzen. Er ist es, der an meiner Stelle König sein soll. Und ihn habe ich dazu bestimmt, Fürst über Israel und über Juda zu sein.
Dieser Teich wurde vor etwa 3.800 Jahren in den Felsen gehauen, Wasser aus der Gihon-Quelle speiste ihn. Er diente in der Frühzeit Jerusalems als Wasserquelle in Kriegszeiten und wurde während feindlicher Belagerung von den Israeliten genutzt. Gegen Ende der Zeit des Ersten Tempels wurde der Teich mit Erde aufgefüllt und einfache Häuser darauf gebaut.
Urerfahrung der Erlösung
Im Christentum gilt Wasser als Medium in der Vermittlung von geistigen Kräften, als Urerfahrung des Katharsis, der Reinigung und Heilung, Erneuerung und Erlösung, wie etwa im Sakrament der Taufe. In der katholischen Kirche, den orthodoxen Kirchen und der anglikanischen Kirche gilt Weihwasser als Segenszeichen. Pilgerfahrten zu wundertätigen Quellen und Brunnen zeugen von der christlichen Heilserwartung an das Wasser. In Israel füllen sich viele gläubige Christen Jordanwasser ab, denn es gilt als gesegnet.
Für die ersten Christusgläubigen wird in der Taufe das neue Sein in Christus auf eindrucksvolle Weise deutlich. So heißt es in der – vermutlich vorpaulinischen – Taufformel:
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Griech], da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft ⟨und⟩ nach ⟨der⟩ Verheißung Erben. (Galater 3,27–29, Elberfelder Bibel).
Die Traditio apostolica, die meist Hippolyt von Rom zugeschrieben wird – er lebte etwa 170 bis 235 – ist einer der ersten Versuche der Regelung des christlichen Gemeindelebens. Hier findet sich folgende ausführliche Taufordnung: „Zur Zeit des Hahnenschreis soll man zunächst über das Wasser beten. Es soll Wasser sein, das aus einer Quelle fließt oder von oben herabfließt … Die Täuflinge sollen ihre Kleider ablegen, und zuerst soll man die Kinder taufen … Danach soll man die Männer taufen, anschließend die Frauen, nachdem sie ihr Haar aufgelöst und ihren Gold- und Silberschmuck abgelegt haben. Niemand soll einen fremden Gegenstand mit ins Wasser nehmen.“
Die Bedeutung des Hahnes
Beschrieben wird eine Gruppentaufe in der Osternacht. Das Krähen des Hahnes zeigt nicht nur den Beginn des Tages an, sondern hat auch abwehrende Bedeutung, denn die Dämonen sollen ausgetrieben und Unheil abgewendet werden. Das Lösen der Haare und Ablegen des Schmuckes wird vermutlich gefordert, weil beides Verstecke für Dämonen bieten könnte.
Rufen wir uns das Unglück in Erinnerung, das Paulus widerfuhr. Auf einer seiner Fahrten über das Mittelmeer erlitt der Apostel Schiffbruch, siehe Apostelgeschichte 27; 2. Korinther 11,25. Die den Osterglauben voraussetzenden Erzählungen von Jesu Stillung des Seesturmes (Markus 4,35-41) und seinem Gang über das Wasser (Markus 6,45–52) erinnern an die erste Heilserfahrung des Volkes Israel, die Durchquerung des Roten Meeres (Exodus 14); immer geht es um die Überwindung der „Wasser des Todes“.
Im Lukasevangelium (16,22–25) lesen wir das Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus: Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde. Es starb aber auch der Reiche und wurde begraben. Und als er im Hades seine Augen aufschlug und in Qualen war, sieht er Abraham von Weitem und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, dass er die Spitze seines Fingers ins Wasser taucht und meine Zunge kühlt! Denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Kind, denk daran, dass du dein Gutes völlig empfangen hast in deinem Leben und Lazarus ebenso das Böse; jetzt aber wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. (Elberfelder Bibel)
Ein dunkles Kapitel ist die sogenannte „Wasserprobe“, praktiziert vom Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit als Beweisverfahren während der Hexenprozesse. Personen, die trotz Fesselung im Wasser nicht untergingen, galten als des crimen magiae (Verbrechens der Magie) überführt.
Wasser im Islam und Buddhismus
Wasser hat auch in der islamischen Tradition eine hohe spirituelle Bedeutung. Neben seiner engen Verbindung zur Reinigung und Heilung wird Wasser gemäß dem koranischen Diktum als Quelle der gesamten Schöpfung gepriesen. Zur Vorbereitung auf das Gebet führen Muslime eine rituelle Waschung, arabisch: wudhu, durch und bereiten sich innerlich vor, vor Allah zu treten. Beim wudhu werden Hände, Gesicht, Ohren, Mund, die Arme bis zu den Ellbogen und Füße bis zu den Knöcheln gewaschen.
Ghusl, arabisch für die große rituelle Waschung, bezieht den gesamten Körper mit ein, um den Zustand der rituellen Unreinheit, der ǧanāba, abzuwaschen. Form und Ablauf sind fest vorgegeben. Nach der Waschung sprechen Muslime und Musliminnen ein kurzes Gebet: Allah, mach mich zu einem der Reumütigen und mach mich zu einem sich Reinigenden.
Im Buddhismus steht der Strom des Wassers sinnbildlich für die buddhistische Lehre. Er wird mit dem langen Weg der Meditation verglichen, der die Erlösung des menschlichen Daseins zum Ziel hat. Wasser gilt auch in dieser fernöstlichen Lehre als Lebensspender und symbolisiert Reinheit, Klarheit und Ruhe.
Der Fluss Ganges gilt Hindus als heilig, er ist die lebendige Wasserform der gleichnamigen Göttin – der Fluss selbst. Mehr als alles andere verkörpert der Ganges die Reinheit. Metaphorisch und metaphysisch wird Wasser in den alten hinduistischen Mythen als Gefäß des Lebens, der Kraft und der Ewigkeit bezeichnet. Der Wasserkult wird in der vedischen Literatur beschrieben und in der puranischen Literatur anschaulich weitergeführt. Wasser ist eines der fünf Elemente der Natur. Die Eigenschaft des Wassers, „Sünden wegzuwaschen“, wird mit der Kraft der Heiligkeit und kosmologischen Bedeutung in Verbindung gebracht, Flüsse werden als Entferner von Verschmutzung verehrt. In Indien werden Flüsse als weiblich personifiziert und gelten als nährend und tränkend; werden sie wütend, verursachen sie Überschwemmungen, Chaos und Leid.
Die sprudelnden Quellen entlang des Jordans verheißen seit biblischer Zeit Leben und Fruchtbarkeit. Jesus Christus sagte über sich, dass er das Wasser des Lebens ist – und wer Anschluss hat an ihm, der findet eine Wasserquelle in der Wüste.
4 Antworten
Ein wirklich schöner Artikel. Gern gelesen. Wen wundert es, dass gerade Wasser bei allen Völkern eine spirituelle Bedeutung hat? Auch in den modernen Naturwissenschaften ist Wasser eine Art „Wunderstoff“. Es hat seine höchste Dichte bei 4° Celsius plus, womit Eis immer oben schwimmt, weil es leichter als Wasser ist und kein Fluss bis auf den Grund zufriert. Sonst gäbe es in kalten Landstrichen kein Leben in Flüssen und Seen. Macht man sich gar nicht klar. Keine Schneeflocke gleicht einer anderen. Warum, weiß kein Mensch. Sehr rätselhaft. Sogar Feststoffe wie Minerale und Metalle sind in Wasser gelöst. Die Vorstellung, dass man mit Wasser geistliche Eigenschaften wie „Segen“ weiter geben kann, ist eigentlich naheliegend. Es gibt auch Wissenschaftler, die glauben, dass Wasser geistige Eigenschaften speichern kann. In der Homöopathie denkt man, dass sich Wirkungen von Stoffen erhöhen, je mehr sie mit Wasser verdünnt werden. Grüße.
@Otto
Auf dem Trip mit der Homöopathie war ich auch mal. Das ist ein solcher Quatsch! Kostet nur unnötig Geld. Höchstens als Placebo geeignet. Aber auch nicht wirklich.
Wenn man es denn liest, wird einem bewusst, dass wir auf einem Kontinent leben, wo wir genug Wasser haben. Selten müssen wir es rationieren. Aber etwa 2 Milliarden Menschen müssen ohne sichere Wasserversorgung leben. Den Hahn aufdrehen, die Klospülung betätigen, eine Badewanne füllen, Auto durch die Waschanlage fahren. Einen Luxus, den wir haben. Wir waren 2014 in Kolumbien, hatten da ein Patenkind von Compassion in den Slums. Da hab ich anderes gesehen. Es hat dankbar gemacht und demütiger vor unserer Natur, die Gott uns schenkt.
DANKE ! Die Erklärungen von Frau Tegtmeyer sind erneut so besonders und segensreich. Man kann nur darüber anbeten, was Hesekiel erlebt, der an die Stelle des Heiligtums begleitet wird, wo der Altar mit dem Ursprung des Wasserflusses verbunden ist. Die Messschnur kommt zum Einsatz, ein Bild für das Wort Gottes. Ja, die Bibel ist das Mass , das Gott benutzt, um seine Lehre an uns weiterzugeben. ER misst das ab, was wir verstehen können. Ich bin in meinem Wissen begrenzt, darf aber im Verständnis wachsen. Der Prophet Joel erwähnt ja auch eine solche Quelle. Joel 4/18 Gott hat die Fülle ohne Ende, er bietet das an . Wieviel will ich nehmen von ihm ? Ich brauche MEHR ! Es gibt in der geistlichen Entwicklung Stufen, es gibt auch Wahrheiten, die wir nie in ihrer ganzen Fülle erkennen können, aber ich möchte durch den Heiligen Geist so voll werden von CHRISTUS mit seiner reinigendenWirkung erfüllten Lebens. Überall, wohin der Fluss kommt, soll Leben und Segen entstehen !