Suche
Close this search box.

Große Wissenslücken zum Holocaust in den USA und Europa

Ohne Aufklärung und Bildung droht die Geschichte der Schoa in Vergessenheit zu geraten, warnt die jüdische Claims Conference. Aber das Wissen über den NS-Horror schwindet, zeigt eine Studie.
Von epd

NEW YORK (epd/inn) – Das Wissen über die Ermordung von sechs Millionen Juden im Nationalsozialismus lässt einer Studie zufolge vor allem unter jungen Menschen in den USA und Europa nach. Wie die jüdische Claims Conference am Donnerstag anlässlich der Veröffentlichung ihres ersten Index über Holocaust-Wissen und -Bewusstsein mitteilte, hat die Mehrheit der Befragten in fast allen von acht untersuchten Ländern zudem das Gefühl, dass so etwas wie der Holocaust wieder passieren könnte. Bei den untersuchten Ländern handelt es sich um die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Österreich, Deutschland, Polen, Ungarn und Rumänien.

Am größten sei die Besorgnis in den Vereinigten Staaten, wo mehr als drei Viertel (76 Prozent) aller befragten Erwachsenen glauben, dass sich so etwas wie der Holocaust heute wiederholen könnte. Darauf folgen das Vereinigte Königreich mit 69 Prozent, Frankreich mit 63 Prozent, Österreich (62), Deutschland (61), Polen (54), Ungarn (52) und Rumänien (44).

Weltweiter Trend

Laut Claims Conference zeigt der Index einen globalen Trend: Grundlegendes Wissen über den Holocaust und die Schoa schwinde. Einige der Erwachsenen gaben an, dass sie vor der Befragung noch nie von der Schoa gehört hatten oder sich nicht sicher waren, ob sie davon gehört hatten. Dies gelte vor allem für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren. In Frankreich gaben dies laut Studie 46 Prozent aus dieser Altersgruppe an, in Rumänien 15 Prozent, gefolgt von Österreich (14) und Deutschland (12).

Fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Amerikaner habe kein einziges Lager oder Ghetto nennen können, das von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde. In Deutschland und Ungarn waren dies 18 Prozent, in Österreich 10 und in Polen 7.

Auschwitz-Birkenau ist das bekannteste Konzentrationslager. Es wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Der Jahrestag ist der Internationale Holocaust-Gedenktag.

Mehr Aufklärung gefordert

In allen befragten Regionen seien neun von zehn oder noch mehr Erwachsenen der Meinung, dass es wichtig sei, weiterhin über den Holocaust zu unterrichten, auch damit sich so etwas nicht wiederholt. „Die alarmierenden Wissenslücken, insbesondere bei den jüngeren Generationen, machen deutlich, dass eine effektivere Holocaust-Aufklärung dringend erforderlich ist“, betonte der Präsident der Claims Conference, Gideon Taylor.

Insgesamt habe die Mehrheit aller befragten Bevölkerungsgruppen nicht gewusst, dass sechs Millionen Juden während des Holocausts getötet wurden. In sieben der acht untersuchten Länder glaubten 20 Prozent oder mehr der Befragten, dass zwei Millionen oder weniger Juden ermordet wurden, wobei Rumänien mit 28 Prozent, Ungarn (27) und Polen (24) am schlechtesten abschnitten.

Weckruf für die Regierungen

Rüdiger Mahlo, Europa-Repräsentant der Claims Conference, bezeichnete den Index als Weckruf für alle Regierungen in Europa für mehr Holocaust-Aufklärung. Laut dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, liegt der Anstieg antisemitischer Gewalt in Deutschland seine Wurzeln zu einem großen Teil am Mangel an Informationen über den Holocaust.

Der Direktor der Jerusalemer Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dajan, bezeichnete die Ergebnisse der Studie als „besorgniserregend“ – vor allem in Ländern, wo sich Gräueltaten der Nazis ereigneten. „Doch der Wille, die Bildungsangebote zum Holocaust zu vergrößern, ist ermutigend.“ Yad Vashem sei bereit, seine Zusammenarbeit mit Regierungen und Organisationen auszuweiten.

Der Acht-Länder-Index zum Wissen und Bewusstsein über den Holocaust im Auftrag der Claims Conference wurde von der „Global Strategy Group“ mit einer repräsentativen Stichprobe von 1.000 Erwachsenen im Alter von 18 Jahren und älter in jedem Land zwischen dem 15. und dem 28. November 2023 erhoben.

Die 1951 gegründete Claims Conference (Conference on Jewish Material Claims Against Germany, Konferenz über jüdische materielle Ansprüche gegen Deutschland) entschädigt Holocaust-Überlebende in aller Welt. Im Jahr 2024 verteilte sie nach eigenen Angaben mehr als 535 Millionen Dollar an Entschädigungen an mehr als 200.000 Überlebende in 83 Ländern.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

13 Antworten

  1. Das in Deutschland so viele nichts davon wissen,ist mir ein Rätsel! Ich hatte das noch in der Schule. Aber das ist laaange her. Und heute kann man sich doch viel einfacher informieren. ZDF-Info zum Beispiel. Da gibt’s viele Dokus drüber. Und in der Schule wird das doch hoffentlich auch noch erklärt/aufgeklärt. Also mein Sohn hatte das noch. Er ist jetzt 33 Jahre. Das ist also nicht so lange her. Er weiß ganz genau Bescheid. Sehr zugesetzt hatte ihn der Film „Der Pianist“. Schindlers Liste hatten sie in der Schule gesehen. Ich glaube 10. Klasse. Deshalb verstehe ich das nicht. Über die anderen Länder kann ich nichts sagen. Da hab ich keine Ahnung wie das dort ist.

    19
    1. Nicht nur in Deutschland liebe Manu

      „Nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump ist Medienberichten zufolge ein Verdächtiger festgenommen worden, der ein Sweatshirt mit der Aufschrift »Camp Auschwitz« getragen hatte.
      Die Polizei habe den per Haftbefehl gesuchten Mann am Mittwoch in Newport News im Bundesstaat Virginia gefasst, berichteten die »New York Times« sowie die Sender ABC und CBS unter Berufung auf Polizeikreise.
      Der Mann war bei den Krawallen auf zahlreichen Fotos innerhalb und außerhalb des Kapitols zu sehen und hatte international Entrüstung hervorgerufen. Auf seinem schwarzen »Camp-Auschwitz«-Sweatshirt waren ein Totenschädel und die Worte »Work Brings Freedom« zu sehen – eine ungefähre Übersetzung von »Arbeit macht frei«, der Aufschrift am Tor des früheren deutschen Konzentrationslagers Auschwitz. ( Jüdische Allgemeine)

      23
      1. @hajo
        Hallo hajo,schön mal wieder von Ihnen zu hören. Das ist ganz schrecklich. Die Amerikaner hatten doch auch Filme in den Lagern gedreht,als sie die Menschen dort befreiten. Ganz schreckliche Bilder sind das. Wird das da drüben nicht an Schulen gezeigt? Sollte man aber. Das Menschen zu so etwas fähig sind mit anderen so umzugehen,schreibe ich mal nett. Das müsste ein Pflichtfach werden! Und die Leute damals am Kapitol.😱 Mit Winkingerhelmen und so. Was sollte das? Das ist doch nicht Herr der Ringe oder Vikings. Was ich sehr gerne sehe. Aber man sollte dann doch in die Realität zurückkehren und sich über „echte“ Dinge informieren. Ich nenne das „Allgemeinwissen“. Also das mit dem Holocaust. Viele Grüße Manu

        18
        1. @ Manu
          Die Gegenwart ist schon schlimm genug!
          Nach der Begnadigung mehrerer verurteilter Straftäter durch Trump werden auch zahlreiche Anführer ultrarechter Vereinigungen aus der Haft entlassen. So wurden der ehemalige Anführer der sogenannten Proud Boys, Enrique Tarrio, und der Anführer der rechtsextremen Oath Keepers, Stewart Rhodes, aus der Haft entlassen. Allesamt lupenreine Antisemiten!!!

          „Es gibt keinen Ort, an den man fliehen könnte«
          Für eine Jüdin in Pennsylvania kehrt mit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus auch die Angst zurück. Eine bedingungslose Unterstützung Israels kauft sie ihm nicht ab. Schließlich fache er den Antisemitismus in den USA selbst immer wieder an. ( New York Times u Spiegel )

          19
          1. @hajo
            „Trump fache den Antisemitismus in den USA selbst immer wieder an“. Lächerlich!
            New York Times und Spiegel lügen wie gedruckt.

            4
      2. @hajo
        Ich schätze, der Mann hatte auch sonst nicht viel in der Birne, wenn er beim Sturm aufs Kapitol dabei war. Nach dem Haftbefehl musste er wohl einsitzen und ist sicher einer der von Trump Begnadigten. Hoffentlich hat er im Knast etwas über den Holocaust gelernt. Mann, oh Mann, es gibt aber auch Depperte.

        @Manu
        Was wären das für Schulen, wenn man nichts mehr lernen würde über Reichsprogromnacht, Judenvergasung, Konzentrationslager?
        Ich hoffe doch sehr, dass es noch gelehrt wird. Ich denke, wenn man einigermaßen interessiert und ein wenig gebildet ist, erfährt man darüber. Fürchte aber, das ist zum großen Teil Desinteresse und manchmal einfach niederes IQ.

        13
        1. @Ella
          Ich denke auch,das ist Desinteresse. Kann mir nicht vorstellen,daß das in Schulen nicht mehr durchgenommen wird. Also mein Sohn hatte sich damals sehr dafür interessiert und war entsetzt. Das war bei uns lange ein Thema. Und das muss auch sein. Dadurch steht er auch ganz anders zum 7.10. Was ihm auch ziemlich nahe ging. Ich grüße dich! Manu

          15
  2. Gütiger Himmel, gebe der Ewige, daß das Wissen nicht schwindet, denn wer vergisst oder nicht mehr glaubt, wird die Fehler und die Katastrophe der Vergangenheit wiederholen.
    SHALOM ALEJCHEM

    4
  3. Der 7.10. hätte Anlass sein können, sich ganz aktuell und ohne Pathos und geheuchelte „Erinnerungskultur“ der Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte, und der Tradition und Verfolgung des jüdischen Volkes durch die Jahrhunderte bis zum Holocaust – und darüber hinaus bis heute – zu stellen.
    Insbesondere angesichts der Ahnungs-, Rat- und Hilflosigkeit so vieler Deutscher bezüglich der Frage „Was ist denn nun `Deutsche Staatsräson´ und warum überhaupt?“ hätte sich das geradezu aufgedrängt! Aber anstatt diese „Staatsräson“ mit Leben zu füllen durch entsprechend engagierte Aufklärung in Medien und Politik über den Umgang mit Juden in der Vergangenheit sowie durch Offenlegung der Ursachen des heutigen so verbreiteten Antisemitismus und ebenfalls durch die eindeutige Positionierung unserer Regierung und Opposition an der Seite Israels, wurden wir nachfolgend Zeugen von zunehmenden Relativierungen, Schwurbeleien und Enthaltungen u.a. bei wichtigen international zu treffenden Entscheidungen in der UNO etc..
    Angesichts dieses Versagens graust es mir jetzt schon vor den frommen, heuchlerischen Reden unserer Politiker zum Holocaust-Gedenktag. Diese ritualisierten Sprachblasen, emotions- und leblos runtergeleiert wie eine lästige Pflichterfüllung, sind eine schallende Ohrfeige für all diejenigen, die sich derzeit noch nicht einmal mehr trauen, ihr Jüdisch-Sein oder ihre Solidarität mit Juden/Israel offen in Deutschland zu leben oder sich dazu zu bekennen.
    Und da wundert uns die Geschichtsvergessenheit junger Menschen von heute?

    5
    1. Alle erfassten Leugner der Shoah und alle Relativierer hier im ach so ,,aufgeklärten“ Westen sollten zu einem Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem verpflichtet werden. Das wird die Hardcore-Lügner zwar kaum beeindrucken ,aber die Unbedarften, die noch nicht verdorbenen von irgendwelchen Flausen heilen oder zumindest fernhalten…. SHALOM

      4
    1. Kann sein, kann nicht sein. Fakt ist, dass in vielen französischen Schulen nicht mehr über die Shoah gesprochen wird, weil die Lehrer Angst vor der Reaktion gewisser Schüler und deren Eltern haben.

      6

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen