Als die Soldaten verschiedene Munition und Waffen aus Containern zogen, die als zivile Fracht getarnt waren, wiesen sie die „Francop“ an, den israelischen Hafen von Aschdod anzulaufen. Der Kapitän des Frachters, der unter der Flagge Antiguas fuhr, leistete widerstandslos Folge. Damit fanden eine nachrichtendienstliche Arbeit, die im Iran begonnen hatte, und eine gute internationale Kooperation ihren erfolgreichen Höhepunkt. Eine oberflächliche Kontrolle allein hätte nämlich die Rüstungsgüter nicht zum Vorschein gebracht. Raketen und Granaten ganz unterschiedlicher Größe, sauber in Kisten verstaut, waren hinter Säcken mit Plastikrohstoff verborgen und als zivile Fracht angemeldet.
Mehr als 3.000 Raketen
Ein israelischer Militärkorrespondent, der das Material gleich zu Beginn in Augenschein nehmen durfte, meinte: „Dabei ist nichts Neues. Es sind die Waffen, die wir bereits aus den Arsenalen der Hisbollah kennen. Aber in sehr großer Menge.“ Bis zum Abend des ersten Tages hatten israelische Hafenarbeiter bereits mehr als 3.000 Raketen auf den Docks in Aschdod aufgereiht. Mehr als 20 Frachtflüge wären nötig gewesen, um das Material zu transportieren, das größtenteils in Russland und China produziert worden war. Zum Vergleich: In den Sommermonaten Juli und August 2006, während des gesamten Zweiten Libanonkrieges, wurden von der Hisbollah etwa 4.000 Raketen auf Israel abgeschossen.
Israel sieht im Iran den großen Sponsor islamisch-arabischen Terrors im Nahen Osten und weltweit. Über die Drehscheibe Syrien versorgt der Mullah-Staat radikale Gruppierungen wie die Hisbollah im Libanon, aber auch die Hamas und den palästinensischen Islamischen Dschihad. Mit diesem „Fang“ meint Israel die Terrorachse „Iran-Syrien-Hisbollah“ aller Welt vor Augen führen zu können, zumal das beschlagnahmte Material reine Terrorwaffen seien. Die meisten der 120 Millimeter-Raketen haben gerade eine Reichweite von 20 Kilometern, sind sehr ungenau und hätten somit keinerlei militärischen Wert, seien ausschließlich dazu da, eine Zivilbevölkerung zu terrorisieren.
Ein pikantes Detail verschweigen die Israelis: Der Frachter gehört laut Tageszeitung „Die Welt“ der deutschen Reederei Gerd Bartels aus Neu Wulmstorf in der Nähe von Hamburg. Die Deutschen hatten das Schiff allerdings an die in Limassol auf Zypern ansässige Firma „United Feeder Services“ (UFS) verchartert.
„Meer des Waffenschmuggels“
Dieser jüngste Coup wird von israelischen Sicherheitsexperten ganz nüchtern als nur „ein Tropfen in einem Meer des Waffenschmuggels“ bezeichnet. Nach wie vor sieht sich der jüdische Staat an allen Fronten Organisationen gegenüber, die über Zehntausende von Raketen mit ganz unterschiedlicher Reichweite verfügen. Der Kampf gegen den Waffenschmuggel ist ein endloses Katz-und-Maus-Spiel in dem asymmetrischen Krieg, der hier seit Jahren tobt.
Am 3. Januar 2002 hatten israelische Marinekommandos das Schiff „Karine A“ im Roten Meer gekapert. Es war mit Raketen, Panzerabwehr- und leichten Waffen beladen gewesen. Kleine Fischerboote hätten die Ladung in den Gazastreifen bringen sollen. Zum Jahreswechsel 2003/2004 hatten die iranischen Revolutionsgarden die Öffnung des Luftraums in der Region für humanitäre Erdbebenhilfe im iranischen Bam genutzt. Als Hilfsgüter getarnt schickten sie Waffen über Syrien zur Hisbollah im Libanon. Im Mai 2007 entdeckten türkische Behörden, dass Iraner per Eisenbahn Granaten, leichte Waffen, Raketenwerfer und Munition an die Hisbollah lieferten.
Während des Gazafeldkriegs zur Jahreswende 2008/2009 zerstörten – nach Angaben westlicher Geheimdienste – israelische Flugzeuge im Südsudan einen LKW-Konvoi, der mit iranischen Waffen für Gaza beladen war. Auf dem zypriotischen Schiff „Monchegorsk“ wurden im Januar 2009 Panzer-, Artillerie- und Mörsergranaten sowie Rohmaterialien zur Raketenproduktion entdeckt. Das Schiff war von der iranischen Schifffahrtsgesellschaft IRISL (Islamic Republic of Iran Shipping Lines) angemietet worden.
Und schließlich sollte im Oktober 2009 die unter deutscher Flagge fahrende „Hansa India“ aus dem Iran kommend acht Container in Ägypten ausladen. Aufgrund einer Warnung deutscher Behörden fuhr der Frachter aber weiter. Auf Malta wurden Munition und Rohmaterialien zur Waffenproduktion – für Syrien bestimmt – beschlagnahmt. Doch der Iran liefert nicht nur Waffen an Feinde Israels. Nachweislich werden von dem Mullah-Staat auch schiitische Rebellen im Norden des Jemen und die Polisario in Nordafrika ausgerüstet.
Die UNO-Sicherheitsratsresolutionen 1737 (23.12.06), 1474 (24.3.07), 1803 (24.3.08) und 1835 (27.9.08) untersagen dem Iran jeglichen Export von Rüstungsgütern oder „verwandten Materialien“. Alle Staaten werden dazu aufgefordert, Lieferungen, die iranische See- oder Flughäfen verlassen haben, zu kontrollieren.
In der Tat ist die Beschlagnahmung der „Francop“ nur ein Kapitel in einem Krieg, den die israelische Marine seit langem gegen den Iran führt – teilweise weit entfernt von den heimischen Gewässern. Anfang des Jahres sollen mehrere Schiffe im Indischen Ozean verschwunden sein. Sowohl der Iran als auch Israel schweigen sich aus zu diesem Thema, doch Israel scheint diplomatisch und nachrichtendienstlich weiten Rückhalt zu genießen – auch wenn das niemand so recht zugeben will.
„Israelis sind Piraten“
Bislang schweigt das Regime in Teheran zum Fang der Israelis. Der syrische Außenminister Walid al-Muallem mischte in Teheran stotternd Lüge mit Wahrheit: „Das waren gar keine Waffen… aber sie sind gar nicht für uns…“ – und bezeichnete die Israelis als Piraten. Nur der christliche Verbündete der radikal-schiitischen Hisbollah im Libanon, Ex-General Michel Aun, findet sofort klare Worte: „Wir dürfen von überall her jede Art von Waffen kaufen!“