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„Grabeskirche zahlte seit 1800 keine Wasserrechnung“

Die Griechisch-Orthodoxe Kirche in Jerusalem, auch “Mutter aller Kirchen” genannt, droht mit einer Sperrung der Heiligsten Stätte der Christenheit, der Grabeskirche in Jerusalem. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA meldete, geht es um eine ausstehende Wasserrechnung in Höhe von 1,8 Millionen Euro der Griechischen Kirche an die Jerusalemer Wassergesellschaft Gihon.
Das Osterfeuer früher

Die israelische Gesellschaft habe eine höchstrichterliche Genehmigung erhalten, den Griechen den Wasserhahn zuzudrehen. Hingegen beruft sich die Kirche auf Jahrzehnte alte Abmachungen, nach denen sie ihre Wasserrechnungen nicht bezahlen müsse. Der Sprecher der Griechen, Pater Issa Musleh, drohte den Israelis mit einem „internationalen Konflikt“, falls die Wassergesellschaft ihre Drohung wahrmachen sollte. “Falls sie uns den Wasserhahn zudrehen, werden wir die Pilger bitten, ihr eigenes Wasser mitzubringen. Wir würden ihnen dann die willkürliche israelische Politik gegenüber den Heiligen Stätten erklären“, sagte der Sprecher laut WAFA.
Der Griechisch-Orthodoxe Patriarch Theophilos III. habe gesagt, dass die Aufrechterhaltung des “Status quo“ entscheidend sei für den Schutz der Grabeskirche.
Wegen ständiger Streitigkeiten zwischen den christlichen Konfessionen in der Grabeskirche, Griechen, Armeniern, Franziskanern (im Namen der Lateiner), Syrern, Kopten und Äthiopern hat der osmanische Sultan von Istanbul vor über 150 Jahren einen „Status quo“ festgelegt. Darin wurde genau festgehalten, welche Konfession wann Prozessionen durchführen dürfe, wo sie welche Lampen aufhängen und welche Altäre sie beweihräuchern dürfe. Weil aber jede Kirchengemeinschaft um jeden Millimeter heiligen Marmors kämpft, kommt es immer wieder zu Prügeleien unter den Mönchen, wobei traditionsgemäß Polizisten der gerade herrschenden Staatsmacht als Schlichter dazwischen gehen müssen. In der Grabeskirche waren das Osmanen, Briten, Jordanier und heute Israelis. In der Geburtskirche in Bethlehem sind es heute palästinensische Polizisten.
Zu dem „Status quo“, der 1929 von den Briten in einem „streng vertraulichen“ Dokument schriftlich festgelegt worden ist, gehört neben zahlreichen Kuriositäten auch die Tatsache, dass die Grabeskirche seit etwa tausend Jahren in muslimischem Besitz ist. Ein Vertreter der Nusseibeh-Familie hält den altmodischen Schlüssel zur Grabeskirche. Sowie christliche Patriarchen an der Spitze von Prozessionen das Gotteshaus betreten wollen, ist das alte Holztor verschlossen. Der Patriarch muss anklopfen und den Moslem darum bitten, eintreten zu dürfen. Selbstverständlich zahlen die christlichen Kirchen „Miete“ an die Moslems.
Ob die griechische Kirche tatsächlich vom Bezahlen ihrer Wasserrechnung freigestellt ist, lässt sich nicht ohne weiteres nachprüfen und muss wohl vor Gericht geklärt werden, zumal die Wassergesellschaft Gihon eine Genehmigung erhalten hat, von den Griechen die ausstehende Wasserrechnung in Millionenhöhe eintreiben zu dürfen.
Israel gegen Steuerbegünstigungen
Seit Jahrzehnten führen Israel und der Vatikan Verhandlungen über Steuerbegünstigungen für christliche Einrichtungen, darunter für Hospize, die wie Fünf-Sterne-Hotels geführt werden und auch entsprechende Preise verlangen. Der Staat Israel steht auf dem Standpunkt, dass derartige Begünstigungen allein für christliche Einrichtungen nicht akzeptabel seien, da jüdischen wie muslimischen Einrichtungen nicht gleiche Steuerbefreiungen eingeräumt werden könnten. Denn dann könnte kaum noch jemand zu Steuerzahlungen verpflichtet werden.
Zusätzlichen politischen Brennstoff lieferten kürzlich die Franzosen. Die haben mit der Palästinensischen Autonomiebehörde einen Vertrag abgeschlossen, eine Reparatur des Daches der Grabeskirche in Jerusalem zu finanzieren. Da die Grabeskirche sich in dem von Israel kontrollierten Jerusalem befindet, können Aktivitäten der palästinensischen Regierung in Ostjerusalem zu politischem Konfliktstoff führen. Wegen der innerchristlichen Streitigkeiten kann aber keine christliche Kirche eigenmächtig notwendige Reparaturen ausführen, weil das sofort zu einem Veto der anderen in der Grabeskirche vertretenen Konfessionen führt. Doch der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, sagte auf Anfrage, dass eine französisch-palästinensische Finanzierung solcher Reparaturen „unproblematisch“ sei, solange die Arbeiten von einem durch Israel lizenzierten Jerusalemer Unternehmer ausgeführt würden, auch wenn er Araber sei.
Seit etwa zehn Jahren gibt es vor allem bei den Oster-Feuerzeremonien erhebliche israelische Beschränkungen. Während früher zehntausende Pilger in die Kirche strömten, entschied die Feuerwehr, dass Lebensgefahr drohe, solange es neben dem einzigen Eingangstor keinen Notausgang gebe. Doch die Griechen, Armenier und anderen Konfessionen konnten sich nicht darauf einigen, wer das Privileg erhalten dürfe, einen zusätzlichen, von den Moslems nicht kontrollierten Eingang durch die im 4. Jahrhundert von Kaiser Konstantin errichteten Gemäuer zu schlagen. Solange es keinen Notausgang gibt, entschied die Feuerwehr, bei den zentralen Osterzeremonien nur wenigen hundert Pilgern die Teilnahme an den Feiern zu erlauben. Das wird seit 2001 mit weiträumigen Absperrungen durchgesetzt und führt bei vielen aus aller Welt angereisten Pilgern zu großem Unmut. Denn sie verpassen so das „Erlebnis ihres Lebens“.
Wassergesellschaft beschuldigt Patriarchat
Mit zweitägiger Verspätung meldete sich der Sprecher der Jerusalemer Wassergesellschaft Gihon mit einer Stellungnahme. Kuti Fundaminski erklärte, dass die Wassergesellschaft seit mehreren Jahren Verhandlungen mit dem griechischen Patriarchat wegen des angehäuften Schuldenbergs führe. Neben den Gebühren für das Wasser seien noch Zinsen und Strafgebühren hinzugekommen, was die Summe auf etwa 1,8 Millionen Euro (nach Angaben der Griechen) aufgebläht habe. In der Grabeskirche gibt es neben Toiletten und Miniwohnungen von Mönchen keine Anlagen, die so viel Wasser verbrauchen könnten. Fundaminski sagte auf Anfrage, dass Gihon erst seit 2004 Verantwortung trage und dass die Grabeskirche angeblich schon seit 1800 ihre Wasserrechnungen nicht bezahlt habe. Er konnte nicht sagen, welche Absprachen es vor 2004 mit der Jerusalemer Stadtverwaltung gegeben habe.
In seiner offiziellen schriftlichen Erklärung steht, dass verschiedene Regierungsstellen, darunter die Polizei, das Außenministerium, die Stadtverwaltung und andere Organisationen mitsamt Rechtsanwälten, an den Verhandlungen beteiligt gewesen seien. Über 1.000 religiöse Einrichtungen in Jerusalem, Kirchen, Moscheen und Synagogen bezahlen anstandslos ihre Wasserrechnungen, heißt es in der Pressemitteilung.
Der Wassergesellschaft Gihon sei es per Gesetz verboten, Kunden die Bezahlung ihrer Rechnungen zu erlassen. Mit dem Patriarchat sei bei den Verhandlungen abgesprochen worden, dass es sich offiziell an das israelische Innenministerium mit der Bitte wenden möge, die ausstehende Wasserrechnung zu stornieren oder eine andere Lösung zu finden. Doch das Patriarchat habe bis heute nicht darauf reagiert.
Fundaminski sagte auf Anfrage, dass die Wassergesellschaft beschlossen habe, der Kirche nicht den Wasserhahn zuzudrehen, „weil es sich bei der Grabeskirche um einen sehr delikaten Ort handelt“. Deshalb habe Gihon die Konten des Patriarchats sperren lassen, was per Gesetz zulässig sei.
In der Pressemitteilung droht Gihon, nicht ruhen zu wollen, bis der griechische Patriarch als verantwortlicher Hüter der Grabeskirche seine ausstehende Wasserschuld beglichen habe.

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