Nach dem palästinensischen Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft sei die Hoffnung auf eine Zweistaatenlösung unter hohen Druck geraten, schreibt Goldstone in dem Artikel, der am Montag veröffentlicht wurde. "Der Bedarf an einer Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern war nie größer. Deshalb ist es wichtig, legitime Kritik an Israel von Angriffen zu trennen, die das Ziel haben, es zu isolieren, zu dämonisieren und zu delegitimieren."
Ein "schädliches und dauerhaftes Gerücht", das jetzt wieder an die Oberfläche komme, sei die Behauptung, dass Israel eine Apartheidpolitik betreibe, fährt der jüdische Richter fort. In Kapstadt habe eine nichtstaatliche Organisation mit Sitz in London am Samstag angekündigt, das "Russel-Tribunal über Palästina" werde eine "Anhörung" darüber abhalten, ob Israel des Verbrechens der Apartheid schuldig sei. "Es ist kein ‚Tribunal‘. Das ‚Beweismaterial‘ wird einseitig sein und die Mitglieder der ‚Jury‘ sind Kritiker, deren krasse Ansichten gegenüber Israel wohlbekannt sind."
Zum Hintergrund merkt der Südafrikaner an: "Während der Begriff ‚Apartheid‘ eine weitgefasste Bedeutung haben kann, soll seine Verwendung die Lage im Südafrika vor 1994 hervorrufen. Es ist eine unfaire und ungenaue Verunglimpfung Israels, die Friedensverhandlungen hemmen soll, statt sie zu fördern. Ich kenne nur zu gut die Grausamkeit von Südafrikas abscheulichem Apartheidsystem, unter dem Menschen, die als schwarz charakterisiert wurden, kein Recht hatten, zu wählen, ein politisches Amt auszuüben, ‚weiße‘ Toiletten oder Strände zu benutzen, Weiße zu heiraten, in Gebieten nur für Weiße zu leben oder sich dort auch nur ohne ‚Pass‘ aufzuhalten. Schwarze, die bei Autounfällen lebensgefährlich verletzt worden waren, wurden dem Verbluten überlassen, wenn es keinen ’schwarzen‘ Krankenwagen gab, der sie schnell zu einem ’schwarzen‘ Krankenhaus brachte. ‚Weißen‘ Krankenhäusern war es verboten, ihr Leben zu retten."
Zwischen Israel und Westjordanland differenzieren
In seinen Ausführungen über Israel unterscheidet Goldstone zwischen israelischem Gebiet und dem Westjordanland: "In Israel gibt es keine Apartheid", stellt der Autor fest. "Israelische Araber – 20 Prozent der israelischen Bevölkerung – wählen, haben politische Parteien und Vertreter in der Knesset und nehmen angesehene Positionen ein, auch beim Obersten Gericht. Arabische Patienten liegen neben jüdischen Patienten in israelischen Krankenhäusern und erhalten dieselbe Behandlung."
Allerdings gebe es mehr Trennung zwischen Juden und Arabern, als die Israelis hinnehmen sollten, meint der Richter. "Ein großer Teil wird von den Gemeinschaften selbst gewählt. Manches rührt von Diskriminierung her. Aber es ist keine Apartheid." In Israel seien gleiche Rechte durch das Gesetz garantiert – "Ungleichheiten werden oft erfolgreich vor Gericht angefochten".
Hingegen sei die Lage im Westjordanland komplexer, fügt Goldstone hinzu. Aber auch dort bestehe keine Absicht, "ein institutionalisiertes System der systematischen Unterdrückung und Beherrschung durch eine rassische Gruppe" beizubehalten. "Südafrikas aufgezwungene Rassentrennung sollte der weißen Minderheit dauerhaft nützen, zum Nachteil anderer Rassen. Im Gegensatz dazu hat Israel in ein Konzept der Existenz eines palästinensischen Staates in Gaza und fast im gesamten Westjordanland eingewilligt, und es ruft die Palästinenser auf, die Faktoren zu verhandeln."
Weiter schreibt der Südafrikaner: "Aber bis es einen Zweistaatenfrieden gibt, oder zumindest solange Israels Bürger unter der Bedrohung von Angriffen aus dem Westjordanland und Gaza bleiben, wird Israel Straßensperren und und ähnliche Maßnahmen als notwendig für die Selbstverteidigung ansehen, selbst wenn sich die Palästinenser unterdrückt fühlen. Beim aktuellen Stand der Dinge stoßen Angriffe von einer Seite auf Gegenangriffe von der anderen. Und die tiefen Diskussionen, Klagen und Gegenklagen werden nur noch verhärtet, wenn die beleidigende Analogie der ‚Apartheid‘ aktiviert wird."
Der "Mythos der israelischen Apartheid" beziehe sich oft auf Zusammenstöße zwischen schwerbewaffneten Soldaten und steinewerfenden Palästinensern. Ferner gehe es um die "Apartheidmauer" und ungleiche Behandlung auf den Straßen des Westjordanlandes. Doch dieser Wortgebrauch sei unredlich: "Die Sicherheitsbarriere wurde gebaut, um unablässige terroristische Angriffe zu stoppen; während sie stellenweise große Drangsal verursacht hat, hat das israelische Oberste Gericht den Staat in vielen Fällen angewiesen, ihren Verlauf zu ändern, um unangemessene Drangsal gering zu halten. Einschränkungen auf Straßen werden nach gewaltsamen Angriffen aufdringlicher und werden verbessert, wenn die Bedrohung vorüber ist."
Goldstone kommt zu dem Schluss: "Die Anklage, dass Israel ein Apartheidstaat sei, ist eine falsche und böswillige, die Frieden und Harmonie verhindert, statt sie zu fördern."
Hintergrund "Goldstone-Bericht"
In dem Bericht über die israelische Militäroperation "Gegossenes Blei" gegen die Terrorinfrastruktur im Gazastreifen, der im September 2009 veröffentlicht wurde, hatte die von der UNO eingesetzte Goldstone-Kommission Israel scharf kritisiert. Sowohl den Israelis und den Palästinensern, nicht aber der Hamas, wurden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Schon das Mandat war so einseitig gegen Israel formuliert, dass die israelische Regierung dem Kommissionsleiter jegliche Zusammenarbeit verweigerte und ihn nicht einmal einreisen ließ. Mitte 2010 deckten israelische Journalisten auf, dass der südafrikanische Richter unter dem Apartheidregime mindestens 28 Todesurteile ausgesprochen hat und bis heute dazu steht. Im April dieses Jahres äußerte sich der Kommissionsleiter selbst kritisch gegenüber dem "Goldstone-Bericht".