JERUSALEM / RAMALLAH (inn) – In einer gemeinsamen Umfrage unter Israelis und Palästinensern wird klar: Nur eine knappe Mehrheit der Bewohner befürwortet eine Zwei-Staaten-Lösung. 51 Prozent der Palästinenser und rund 59 Prozent der Israelis – davon 53 Prozent Juden und 87 Prozent Araber – unterstützen diese Idee. Das machte eine Umfrage des „Palästinensischen Zentrums für Politik und Meinungsforschung“ (PSR) und des Israelischen Instituts für Demokratie (IDI) in Zusammenarbeit mit der
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der finanziellen Förderung durch die Europäische Union deutlich. Bei den Palästinensern stagniert die Zahl der Befürworter, nachdem sie von
2014 auf 2015 gefallen war, bei den Israelis nimmt sie im Vergleich zum
vergangenen Jahr (62 Prozent) etwas ab.
Noch weniger Zuspruch erhält ein Friedensabkommen, das auf frühereren Verhandlungsrunden basiert, nämlich von 39 Prozent der Palästinenser und 46 Prozent der Israelis. Dies beinhaltet Punkte wie einen entmilitarisierten palästinensischen Staat, einen Rückzug Israels auf die Grüne Linie mit gleichem territorialem Austausch und eine Familienzusammenführung von 100.000 palästinensischen Flüchtlingen in Israel. Weiter sieht es Westjerusalem als israelische und Ostjerusalem als palästinensische Hauptstadt vor, mit dem jüdischen Viertel und der Klagemauer unter israelischer Souveränität und dem muslimischen und christlichen Viertel und dem Tempelberg unter palästinensischer Souveränität, sowie das Ende des Konflikts und aller sich daraus ergebender Ansprüchen.
Ein Viertel derjenigen Palästinenser und Israelis, die das Paket ablehnt, sagt, dass sie ihre Meinung bezüglich des Pakets ändern würden, wenn es eine breitere, beziehungsweise regionale, arabisch-israelische Friedenskomponente enthalten würde. Auf die Frage, ob sie bereit wären, als Teil eines Abkommens die jeweilige nationale Identität ihrer Staaten anzuerkennen, antworten rund zwei Drittel der Israelis (64 Prozent) und eine Minderheit der Palästinenser (43 Prozent) positiv.
Palästinenser und Israelis trauen einander kaum
Bei den Verhandlungen zum Friedensabkommen bevorzugen die Palästinenser (44 Prozent) die Beteiligung mehrerer Länder, die Israelis (40 Prozent) hingegen bilaterale Verhandlungen. Im Falle einer Beteiligung mehrerer Länder hätte eine von arabischen Staaten geführte Initiative die höchste Akzeptanz auf beiden Seiten, während eine Initiative der USA, der EU oder der Vereinten Nationen für mindestens eine Seite nicht hinnehmbar wäre.Die Schuld für das Scheitern bisheriger Verhandlungsrunden liegt für eine Mehrheit der Palästinenser (62 Prozent) auf Seiten der Israelis, während etwas mehr als die Hälfte der jüdischen Israelis (52 Prozent) die Palästinenser für das Scheitern verantwortlich macht. Sowohl 43 Prozent der Palästinenser und auch der Israelis denken, dass die andere Seite Frieden möchte.
Palästinenser und Israelis trauen einander kaum. Etwa 89 Prozent der Palästinenser empfinden, dass jüdische Israelis nicht vertrauenswürdig sind. Gleiches gilt für 68 Prozent der jüdischen Israelis mit Blick auf die Palästinenser. Darüber hinaus stimmt die Hälfte der jüdischen Israelis, 61 Prozent der arabischen Israelis und 70 Prozent der Palästinenser darin überein, dass „nichts getan werden kann, was gut für beide Seiten ist; was auch immer gut für eine Seite ist, ist schlecht für die andere Seite“.
Israelische Demokratie angesehen
Mehr als zwei Drittel der Palästinenser (68 Prozent) bewerten die israelische Demokratie als „gut“ bis „sehr gut“, während nur jeder zehnte Israeli ein positives Bild vom palästinensischen Regierungssystem hat und 77 Prozent es als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewerten. Gefragt nach den Aussichten, dass sich in einem zukünftigen palästinensischen Staat ein demokratischeres System als bislang entwickelt, schätzt der Großteil der Israelis mit 83 Prozent die Chancen als nur „gering“ bis „sehr gering“ ein.
Fast die Hälfte der Palästinenser bewertet die Lebensbedingungen in Israel als gut (49 Prozent) und ihre eigenen Bedingungen als schlecht. Im Gazastreifen sind das ganze 72 Prozent, im Westjordanland 29 Prozent. Israelis haben einen ähnlichen Blick auf die Lage und beschreiben die palästinensischen Bedingungen im Westjordanland als schlecht (43 Prozent) und in Israel als gut (39 Prozent) oder zumindest mittelmäßig (36 Prozent).
„Öffentliche Meinung ist nicht das Haupthindernis für Frieden“
Die Leiterin der Umfrage auf israelischer Seite, Tamar Hermann, betonte bei der Vorstellung der Studie in Jerusalem, dass eine Zusammenarbeit zwischen dem palästinensischen PSR und dem israelischen IDI nicht auf der Hand liege, mit vorhandendem Willen aber möglich und sinnvoll sei. Hermann zeigte sich überrascht, dass nur 45 Prozent der Palästinenser Angst vor Juden hätten – obwohl sich ihre Begegnungen doch vorwiegend auf das Militär oder die Grenzübergänge beschränkten – und 65 Prozent der Juden Angst vor den Palästinensern.
„Wir haben noch nicht den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt“, erklärte die Professorin. „Wir können handeln.“ Für eine Verbesserung der Lage seien jedoch auf beiden Seiten keine Führungspersönlichkeiten in Sicht. Trotzdem gibt sich Hermann optimistisch: „Was die Meinung der Bevölkerung auf beiden Seiten angeht, hatte ich wesentlich schlimmere Zahlen erwartet.“
Ähnlich bewertet auch Khalil Schikaki, Leiter der Umfrage auf palästinensischer Seite für das PSR, die Lage: „Die öffentliche Meinung ist nicht das Haupthindernis für den Frieden.“ Auch wenn die Umstände und die Ergebnisse „nicht sehr ermutigend“ seien, seien sie auch nicht „unbedingt nur entmutigend“.
An der Umfrage Anfang und Mitte Juni beteiligten sich 1.270 Palästinenser und 1.184 Israelis. (mab/mh)