Spätestens seit dem Sommer 2018 ist den Deutschen bewusst, wie abhängig das Land von Regen ist: Die Dauerhitze konnten sie am eigenen Leib spüren, Bilder von ausgetrockneten Feldern waren in neuer Regelmäßigkeit zu sehen, ebenso wie Karten, die die Bodentrockenheit in einem alarmierenden Rot anzeigten. Der „Dürresommer“ hat sich vielfältig bemerkbar gemacht. Und Experten sind sich einig: Privatverbraucher, Industrie und Landwirtschaft werden hierzulande immer stärker um das kostbare Nass konkurrieren.
Mit Trockenheit und Wasserknappheit scheinen sich die Deutschen also auch in Zukunft befassen zu müssen. In Israel sind diese Themen ein Dauerbrenner: Am Regen im Land machen schon die biblischen Texte Gottes Segen fest. Und auch in der Gegenwart stellt sich für Israelis Jahr um Jahr die Frage, wie die Regensaison von Oktober bis März ausfällt: Denn in dieser Zeit entscheidet sich, wie die Wasserreserven wieder aufgefüllt werden. Dabei geht es nicht nur um ein paar Tropfen mehr oder weniger. Das Land verzeichnete von 2013 bis 2018 sechs Dürresommer hintereinander. Das habe niemand erwartet, gab Energieminister Juval Steinitz zu. Er sprach von einer „sehr, sehr ernsten Lage“. Die Wasserbehörde Mekorot sprach 2018 von einem „seltenen Phänomen“, wie es das seit den 1920er Jahren nicht gegeben habe. Besonders betroffen von der Trockenheit war der Norden des Landes.
Ein wichtiger Indikator ist der Wasserstand des Sees Genezareth: Zwar hat sich dieser im vergangenen Winter um 2,8 Meter erhöht – der höchste Jahreswert seit fünf Jahren. Doch Experten erwarten für die Zukunft weitere Dürresommer und damit einen sinkenden Wasserspiegel. Gegenüber dem Kibbutz Ma’agan am Südufer des Sees ist inzwischen eine Insel entstanden, zu der man im vergangenen Jahr waten konnte.
Hilfreiche Erfindung
Doch wie es so oft in Israel der Fall ist, machen die Bewohner aus der Not eine Tugend. Mit der Tröpfchenbewässerung hat Israel den sparsamen Umgang mit Wasser in der Landwirtschaft vorangebracht. Und auch mit einer anderen Methode hat sich das Land inzwischen einen Namen gemacht: Die Entsalzung von Meerwasser. Fünf Entsalzungsanlagen sind zwischen 2005 und 2015 in Betrieb gegangen, und sie gelten als die effizientesten der Welt. „Israel führt den Beweis, dass das Zeitalter der Entsalzung da ist“, stellte das amerikanische Wissenschaftsmagazin „Scientific American“ schon vor drei Jahren fest.
Das dahinterliegende Prinzip, die (Umkehr-) Osmose, ist schon seit 270 Jahren bekannt: Wasser wird mit hohem Druck durch eine teilweise durchlässige Membran, also eine dünne Materialschicht, geschleust. Dabei bleiben die ungewünschten Stoffe – vor allem Salz – zurück, und übrig bleibt „sauberes“ Wasser. Wirklich anwendbar wurde dieses Prinzip aber erst in den 1950er Jahren durch die Erfindung des amerikanisch-israelischen Wissenschaftlers Sidney Loeb (1917–2008). Zusammen mit seinem Kollegen Srinivasa Sourirajan baute er in Los Angeles eine Membran, die so viel Wasser durchließ, dass sich der Prozess rechnete.
1965 wurde diese Erfindung erstmals im kalifornischen Coalinga angewendet, damals allerdings mit Brackwasser, das weniger salzig ist als Meerwasser. Zwei Jahre später ging Loeb nach Israel an das Negev-Institut für Trockenzonenforschung, das später in die Ben-Gurion-Universität des Negev in Be’er Scheva eingegliedert wurde. In der Wüstenstadt entstand unter seiner Aufsicht eine Fabrik für Membrane. 1973 erfand er dort die Druckverzögerte Osmose, bei der sich durch den Unterschied von Salz- und Süßwasser Energie gewinnen lässt. 2009 wurde in Norwegen der erste Prototyp eines Osmosekraftwerks in Betrieb genommen, das dieses Prinzip nutzt.
Ambitionierte Ziele
Die Anfänge der groß angelegten Entsalzung von Meerwasser in Israel gehen auf das Jahr 2000 zurück. Damals initiierte die Regierung den Plan, mit Entsalzungsanlagen entlang der Mittelmeerküste der Wasserknappheit zuvorzukommen. Auch hier war eine Dürreperiode der Anlass. Heute beziehen die Israelis 70 Prozent ihres Heimverbrauchs aus den Entsalzungsanlagen.
Doch die jüngsten Dürrejahre zwingen die Regierung zu weiteren Maßnahmen: Im Juni 2018 beschloss sie, dem Wassernotstand, den die Dürre mit sich brachte, mit zwei weiteren Anlagen beizukommen. Wenn die sechste Anlage, die zweite in Sorek, fertiggestellt ist, werden die Israelis 85 Prozent des Heimverbrauchs durch Entsalzung gewinnen, heißt es beim Finanzministerium. Für eine siebte Anlage wird es im kommenden Jahr zunächst eine Ausschreibung geben.
Entsalztes Wasser hat aber auch seine Tücken: Dem gefilterten Nass fehlen Stoffe wie Magnesium oder Jod, die der Körper für seine Funktionen benötigt. Im März 2017 veröffentlichte die Hebräische Universität eine Studie zum Jodmangel im Land, den die Forscher als „großes nationales Gesundheitsproblem“ ansehen. Als einen der Gründe dafür nannten sie die hohe Abhängigkeit von entsalztem Wasser. Eine Studie der Bar-Ilan-Universität vom Juli 2018 wies darauf hin, dass fehlendes Magnesium in entsalztem Wasser zu Herzproblemen führen kann. Nicht zuletzt benötigen auch Pflanzen das lebenswichtige Mineral.
Experten streiten sich derzeit jedoch, wie das Problem am besten anzugehen ist. Es gäbe die Möglichkeit, dem Wasser Magnesium zuzugeben. Schon bei der Kostenfrage herrscht keine Einigkeit: Die Wasserbehörde geht von umgerechnet 150 Millionen Euro pro Jahr aus, das Gesundheitsministerium von 45 Millionen Euro pro Jahr. Die Wasserbehörde gibt zudem zu bedenken, dass nur 5 Prozent des entsalzten Wassers tatsächlich getrunken werden, hat also Zweifel, ob das Geld gut angelegt ist. Die Alternative wäre, dass die Menschen das Magnesium selbst ihrem Trinkwasser beimischen.
Wie kompliziert das Thema ist, zeigt der Umstand, dass ein 2016 von der Regierung angeordnetes Pilotprojekt zur Magnesiumfrage immer noch nicht in die Gänge gekommen ist. Doch an Beispielen wie diesem wird deutlich: Israel mag im Bereich der Entsalzung führend sein, befindet sich selbst aber inmitten eines Lernprozesses, vor allem was die längerfristigen Folgen der Verwendung von entsalztem Wasser angeht.
Lernen und weitergeben
Doch es ist ein Lernprozess, von dem letztlich andere Länder profitieren können. Schon jetzt ist die israelische Wassertechnologie ein Exportschlager. Das israelische Unternehmen IDE Technologies hat inzwischen etwa 400 Entsalzungsanlagen in aller Welt gebaut, darunter in Kalifornien, Mexiko, Venezuela und Chile. Daneben versucht die Regierung, den Technologievorsprung für politischen Kredit zu nutzen: Im Sommer 2018 war nicht nur Israel von Dürre betroffen, sondern die gesamte Region, insbesondere auch der Iran.
Regierungschef Benjamin Netanjahu bot dem Iran in einer Videobotschaft Hilfe an: „Israel hat das Wissen, eine Umweltkatastrophe im Iran zu verhindern. Ich will diese Informationen mit dem iranischen Volk teilen.“ Als Illustration hatte er eine Karaffe mit entsalztem Wasser auf seinem Tisch stehen und nahm einen Schluck zu sich. Angesichts der Aggressionen, die derzeit aus Teheran zu vernehmen sind, scheinen derartige Aktionen wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch die Erfahrungen, die Israel im Umgang mit Wasser hat und sich derzeit noch aneignet, wird es mit Blick auf kommende Dürresommer sicher auch politisch nutzen können.
Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 4/2019 des Israelnetz Magazins, wo das Thema die Titelgeschichte ist. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.
Von: Daniel Frick