Avi Jaron war 26 Jahre alt, als er 1993 mit dem Motorrad verunglückte. Bei einer Kernspintomografie entdeckten Ärzte einen Tumor in der Mitte seines Gehirns. „Du brauchst eine sofortige Operation, die Dich wahrscheinlich behindert, gelähmt, kognitiv gestört und epileptisch macht“, lautete die Diagnose.
Jaron, der damals Student der Elektrotechnik war, lehnte die Operation ab: „Ich weiß nicht, ob es Intuition oder reine Verleugnung war, aber diese Entscheidung rettete mir das Leben.“ Er begann, seinen Zustand zu erforschen, studierte Chemie und Anatomie. Er untersuchte, welche Technologien verfügbar waren und befragte Ärzte auf der ganzen Welt: in Israel, Europa und den Vereinigten Staaten. Schließlich fand er einen Arzt in New York, der den Tumor entfernen wollte. Aber der Arzt konnte das Geschwulst nicht vollständig entfernen, und der Tumor begann wieder zu wachsen.
Den zur Verfügung stehenden Endoskopen (dem chirurgischen Beobachtungswerkzeug zur Führung der chirurgischen Tätigkeit in minimal-invasiven Operationen) fehlte die erforderliche Wahrnehmung in drei Dimensionen. „Vielleicht wird jemand diese kleine stereoskopische Kamera in den nächsten fünf Jahren erfinden“, sagte der Arzt. „Zum Glück wächst dein Tumor langsam.“
Neuer Ansatz
Jaron machte sich daran, die Technologie selbst zu erfinden. Anstelle der in herkömmlichen Endoskopen verwendeten Mechanik baute er seine Erfindung auf einem kleinen Siliziumchip und Softwarealgorithmen auf. Das Design ähnelt den Augen eines Insekts. Jede Seite arbeitet unabhängig voneinander, um die 3D-Sicht zu erstellen. 1998 gründete Jaron die Firma Visionsense. Es dauerte zehn Jahre, bis aus seiner Idee ein kommerzielles Produkt wurde. Mittlerweile wird es bereits von Chirurgen auf der ganzen Welt verwendet und Jarons Unternehmen wächst stetig.
Heute ist Jaron 51 Jahre alt und gesund. Durch drei weitere Operationen in Deutschland, Israel und New York wurden Überbleibsel des Tumors entfernt. Inzwischen ist auch sein Führungsstil Teil von Wirtschaftslehrgängen an Universitäten, auch am berühmten Massachusetts Institute of Technology. Jaron selbst hält regelmäßig Vorlesungen an Universitäten oder auf medizinisch-technologischen Konferenzen. Er fördert zudem Unternehmer in diesem Fachbereich. Mit seiner umfassenden Erfahrung bei der Überwindung seines lebensbedrohlichen Gehirntumors unterstützt er ehrenamtlich Patienten mit akuten Gehirnerkrankungen.
Von: Ulrich W. Sahm