„Ich werde Eure Synagogen, Eure Krankenhäuser und Eure Schulen wieder aufbauen.“ Diesen Satz äußerte Konrad Adenauer 1945 gegenüber dem damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Köln. Die ernüchternde Antwort lautete: „Wir brauchen das nicht mehr in Deutschland.“ Diese Antwort habe ihn erschüttert, sagte Adenauer im November 1949 in einem Interview des Herausgebers der „Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland“, Karl Marx. Er habe danach geglaubt, diese Frage nicht mehr berühren zu dürfen, um keine alten Wunden aufzureißen. Später habe er jedoch erkannt, dass diese Einschätzung falsch war. Seinen Worten ließ er Taten folgen und machte sich für den Wiederaufbau stark: Im September 1959 konnte die Kölner Synagoge an der Roonstraße wiedereröffnet werden.
Mit diesen Ausführungen begann die Mitarbeiterin der „Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus“ in Bad Honnef, Viktoria Klaucke, am Sonntag eine Sonderführung. Dabei drehte sich alles um „Konrad Adenauers Verhältnis zu Israel und zum Judentum“.
Ausführlich informiert bereits die Dauerausstellung in der Einrichtung über das Leben des am 5. Januar 1876 geborenen Konrad Adenauers: unter anderem über seine Kölner Zeit, das Ergehen während der Nazi-Herrschaft und sein Wirken als Gründungskanzler in der jungen Demokratie. Dabei werden auch Verbindungen zum Judentum, die Annäherungen an den Staat Israel, die Begegnung mit Israels erstem Premierminister David Ben-Gurion und die Verhandlungen über Deutschlands Wiedergutmachungszahlungen an Israel beleuchtet.
Frühe Kontakte zu jüdischen Mitbürgern
In der Themenführung wurden diese Aspekte vertieft. So erzählte Klaucke, dass Adenauer vor seiner Israel-Reise 1966 einen Korrespondenten der israelischen Tageszeitung „Yediot Aharonot“ in Deutschland mit einigen Sätzen auf Hebräisch überraschte. Seine Familie habe ihm und seinen beiden Brüdern die Ausbildung auf dem Kölner Apostelgymnasium ermöglicht. In den höheren Klassen wurde dort auch Hebräisch gelehrt, was nichts kostete. Adenauers Vater habe immer gesagt: „Was nichts kostet, das muss man mitnehmen.“
Die katholisch geprägte Familie Adenauer habe bereits früh Kontakte zu jüdischen Mitbürgern gepflegt. So sei die Mutter gerne zum jüdischen Metzger gegangen, um koscheres Fleisch zu kaufen, weil dies der Familie besser schmeckte. Während der Zeit des Ersten Weltkrieges habe Konrad Adenauer in seiner Aufgabe als Beigeordneter des Stadtrats und damit verantwortlich für die Nahrungsmittelversorgung immer großes Verständnis für die besonderen Speisevorschriften der orthodoxen jüdischen Gemeinde in der Stadt aufgebracht.
1917 wurde Adenauer mit 41 Jahren Oberbürgermeister der Stadt Köln. Damit war er seinerzeit der jüngste Vertreter dieses Amtes im Kaiserreich. Gratulationen zu dieser Wahl erhielt er auch von einer jüdischen Gemeinde.
Flucht vor den Nazis: „Adenauer an die Mauer“
Klaucke erwähnte aus Adenauers Kölner Zeit zudem eine Episode, die sich Anfang der 1930er Jahre abgespielt hatte. Auf dem sogenannten „Braunen Haus“ in Köln, der Zentrale der Nazis in der Stadt, war eine Fahne gehisst worden, die Juden verunglimpfte. Als sich der Polizeipräsident nicht in der Lage sah, hier zu helfen, habe sich Adenauer dafür eingesetzt und die Feuerwehr angewiesen, die Fahne zu entfernen.
Sein frühes Interesse am Judentum werde auch durch die Mitgliedschaft im „Deutschen Komitee Pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästinasiedlung“ deutlich. Dieses unterstützte die zionistische Bewegung, die nach einem jüdischen Staat im damaligen britischen Mandatsgebiet „Palästina“ strebte. Nach diesem Beitritt wurde Adenauer bereits Ende der 1920er Jahre in Hetzschriften der Nazis mehrfach verunglimpft, später auch bedroht. Die Polizei versagte ihm zunehmend den Beistand.
Am 10. März 1933 skandierten Teilnehmer einer Wahlveranstaltung der Nazis in Köln „Adenauer an die Mauer“ und fordern seine Erschießung. Die SA ließ öffentlich Geld für „eine Kugel für Adenauer“ sammeln. Am 13. März flüchtete Adenauer aus Köln. Die Nationalsozialisten setzten ihn ab und klagten ihn wegen nationalen Verrats an.
Einsatz für Wiedergutmachung
Am 15. September 1949 wurde Adenauer zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Bereits wenige Wochen nach Regierungsantritt bemühte er sich um Kontakte zu jüdischen Vertretern. Eine moralische und finanzielle Wiedergutmachung sah er als Verpflichtung der Deutschen und als Teil des rechtsstaatlichen Wiederaufbaus in Deutschland an. Im Gegensatz zu einem großen Teil der Deutschen: Eine in der Ausstellung veröffentlichte Befragung aus dem September 1952 zeigt, dass fast die Hälfte der Westdeutschen damals eine Entschädigung der Juden für überflüssig hielt. Die Not im eigenen Land sahen viele als vorrangig.
Trotz des fehlenden Rückhalts in der Bevölkerung und vieler seiner CDU-Parteifreunde setzte Adenauer die Wiedergutmachung mit dem „Luxemburger Abkommen“ 1953 im Bundestag durch: 239 von 402 Abgeordneten stimmten zu, darunter die gesamte Fraktion der SPD. Zahlreiche Abgeordnete der CDU/CSU verweigerten hingegen ihre Zustimmung. Sie befürchteten eine Verschlechterung des deutschen Verhältnisses zu den arabischen Staaten.
Adenauer selbst schrieb über solche Befürchtungen im Juni 1966 in dem Artikel „Bilanz einer Reise. Deutschlands Verhältnis zu Israel“ laut der „Konrad-Adenauer-Stiftung“: „Angst ist immer ein schlechter Ratgeber, und das gilt auch von einem Übermaß von Angst vor der möglichen Reaktion einiger arabischer Staaten auf unsere gegenwärtige und, hoffentlich, künftige Hilfe für Israel. […] Mir scheint, daß uns die spezifischen Mittel nicht fehlen, das Entweder-Oder zwischen Israel und den Arabern, mit dem man uns Furcht einjagen will, in ein Sowohl-als-Auch umzuwandeln. Es versteht sich von selbst, daß wir mit allen in Frieden und Freundschaft leben wollen, mit den Arabern nicht weniger als mit den Juden. Aber wo wir ausgesprochen bösem Willen begegnen, dürfen wir uns nicht einschüchtern oder gar erpressen lassen.“
Das Abkommen mit Israel zählte Adenauer zu den „wichtigsten Ereignissen und einen der schönsten Erfolge meiner politischen Tätigkeit“, wie er in einer Ansprache im Deutschen Fernsehen im Januar 1960 erklärte.
Besondere Beziehung zu Ben-Gurion
Bei der Themenführung ging Klaucke zudem auch auf die Beziehungen zwischen Adenauer und Ben-Gurion ein. Beide Politiker hätten sich teils gegen Widerstand in den eigenen Reihen für deutsch-israelische Beziehungen und Wiedergutmachung eingesetzt. Die zwei Staatsmänner trafen sich das erste Mal am 14. März 1960 in New York – auf Wunsch des Israelis an einem neutralen Ort. In den Gesprächen ging es um Wirtschaftshilfen und Rüstungslieferungen für Israel. Als Adenauer im Mai 1966 als erster hochrangiger deutscher Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Israel reiste, traf der mittlerweile 90-Jährige den israelisches Premier in dessen Privathaus im Kibbutz Sde Boker ein zweites Mal. Ben-Gurion kam zur Beisetzung Adenauers nach Deutschland.
Konrad Adenauer starb am 19. April 1967. Vom Gebäude der Stiftung führt ein kurzer Weg über einen schön angelegten Garten mit kleinen Steinskulpturen zu seinem Wohnhaus. Hier lebte der Politiker bis zum Tod. Seine sieben Kinder schenkten Haus und Garten der Bundesrepublik Deutschland. Teile des Wohnhauses mit der Original-Einrichtung können besichtigt werden. Informationen über weitere Themenführungen im „Bundeskanzler-Adenauer-Haus“ gibt es im Internet.
Von: Dana Nowak