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Risse im Heiligen Land

Zwölf internationale Fotografen haben sich monatelang in Israel aufgehalten, seine vielfältigen Bewohner kennengelernt und versucht, seine Konflikte zu verstehen. Herausgekommen ist eine Ausstellung, die die Region mit all ihren Rissen und Widersprüchen zeigt. Sie ist bis Januar 2020 im Jüdischen Museum Berlin zu sehen.
Kein Urlaubsbild: Der Fotograf Frédéric Brenner hat Familien in Israel abgelichtet und zeigt damit Vielfalt, aber auch die Zerrissenheit der Gesellschaft

Eine Familie auf dem Weg zum Meer. Feiner Sand umgibt ihre Füße, große Taschen baumeln von ihren Schultern. Der Wind zieht durch die kurzen, luftigen Hosen der Männer. Doch etwas stört die Strandidylle. Ein verrostetes Metallstück ragt mitten ins sommerliche Wohlfühlambiente und erinnert daran, dass auch das schönste Idyll Risse hat. Die Tochter der Familie hat ihr Schwimmoutfit offenbar zuhause gelassen. Stattdessen trägt sie militärisches Kaki, weil sie gerade Wehrdienst leistet. Eine Uniform.

Es sind Fotos wie dieses von Frédéric Brenner, die die Ausstellung „This Place“ im Jüdischen Museum Berlin ausmachen. Sie zeigen die Schönheit und Vielfalt Israels und des Westjordanlandes. Und die Gebrochenheit des durch Konflikte geprägten Landes: Ein zerfallenes Hotel in Jerusalem. Jüdische Siedler, die mitten im Nichts der Judäischen Berge stehen. Menschenleere Luftbilder der Wüste Negev, der Heimat von Beduinenstämmen, die beklagen, die israelische Regierung benachteilige sie. Junge Araber in Ostjerusalem, die auf einem Bild ihr Freitagsgebet sprechen und auf dem nächsten schimpfend die Hände in die Luft werfen. Christliche Pilger. Schwarz-Weiß-Fotografien der Mauer, die mancherorts wegen der Terrorgefahr israelisches und palästinensisches Gebiet trennt.

Zu Gast bei einer orthodoxen Großfamilie: Frédéric Brenner hat für seine Arbeit auch Stereotype der israelischen Gesellschaft fotografiert Foto: Frédéric Brenner, Courtesy Howard Greenberg Gallery
Zu Gast bei einer orthodoxen Großfamilie: Frédéric Brenner hat für seine Arbeit auch Stereotype der israelischen Gesellschaft fotografiert

Insgesamt 200 Werke haben die zwölf Fotografen Frédéric Brenner, Wendy Ewald, Martin Kollar, Josef Koudelka, Jungjin Lee, Gilles Peress, Fazal Sheikh, Stephen Shore, Rosalind Fox Solomon, Thomas Struth, Jeff Wall und Nick Waplington in jahrelanger Arbeit erstellt und zusammengetragen. Ihre Motive und Perspektiven sind so divers wie das Land, dem sie sich widmen. Gemeinsam haben die Fotografen, dass keiner von ihnen aus Israel oder den palästinensischen Autonomiegebieten stammt. Viele von ihnen waren für das Projekt zum ersten Mal in der Region.

Die Künstler widmen sich in ihrer Arbeit einerseits den offensichtlich problematischen Aspekten Israels, etwa den Konflikten zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Spannend ist aber vor allem, dass sie sich bemühen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu zeigen. Exemplarisch dafür ist die Arbeit der Fotografin Wendy Ewald. Anstatt selbst zur Kamera zu greifen, beauftragte sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen, Fotos zu erstellen, die ihren Alltag zeigen. So kam es dazu, dass palästinensische Kinder Grenzzäune ablichteten, Beduinen die rituelle Schlachtung von Tieren dokumentierten oder junge Soldaten militärische Übungen fotografierten. Eindrücklich ist vor allem ein Foto, das einen dunkel- und einen hellhäutigen Kameraden auf einem Hügel mit Blick Richtung Horizont zeigt. Hand in Hand. Denn wo Risse sind, kann auch Hoffnung wachsen.

Von: Anna Lutz

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