TEL AVIV (inn) – Der am 28. Dezember verstorbene israelische Schriftsteller Amos Oz ist am Montag beigesetzt worden. Der weltweit wohl bekannteste Autor des Landes, der in 45 Sprachen übersetzt wurde, erlag mit 79 Jahren einem Krebsleiden. Staatspräsident Reuven Rivlin, der mit Oz zur Schule gegangen war, sprach bei dessen Gedenkfeier in Tel Aviv. Beigesetzt wurde Oz im Kibbutz Hulda, etwa 40 Kilometer südöstlich von Tel Aviv, wo er mehr als 30 Jahre seines Lebens verbracht hatte.
„Amos, mein Freund von der Schulbank des Jerusalemer Gymnasiums, welche er nicht sonderlich mochte. Amos, mein Nachbar, der Junge, der keinen Fußball mochte. Der mich aber besuchte, als ich die Grippe hatte, und mir drei Stunden lang den Unterschied zwischen politischen und mystischen Zionismus erklärte“, sagte Rivlin laut der Onlinezeitung „Times of Israel“. „Für mich und so viele andere Israelis machtest du die Straßenlichter an, um uns die Realität unserer Leben zu zeigen“, führte Rivlin weiter aus. Als besondere Qualität des Literaten lobte er Oz‘ Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, besonders auch weil er von außen auf die Ereignisse habe schauen können.
„Verräter“ als Ehrentitel getragen
„Du hattest keine Angst, mit deiner Meinung in der Minderheit zu sein. Du hattest nicht einmal davor Angst, als Verräter beschimpft zu werden“, sagte Rivlin im Bezug auf Oz‘ Engagement als Friedensaktivist, mit dem er vor allem in seinen späteren Jahren häufig in den Konflikt mit eher rechtsgerichteten politischen Kräften des Landes geriet. Oz habe das Wort „Verräter“ sogar als „Ehrentitel“ getragen.
Oz wurde am 4. Mai 1939 als Amos Klausner im Jerusalemer Vorort Kerem Avraham geboren. Seine Großeltern väterlicherseits waren 1917 nach der russischen Revolution aus dem ukrainischen Odessa ins damals polnisch besetzte Vilnius geflohen. 1933 wanderten sie nach Palästina unter britischem Mandat aus. Der Vater war Literaturwissenschaftler. Oz‘ Mutter beging, als er 13 Jahre alt war, Selbstmord. Zwei Jahre später trat er in den Kibbutz Hulda ein – aus Protest gegen seine Familie. Er änderte seinen Nachnamen in Oz – das hebräische Wort für „Kraft“ oder „Stärke“.
Nach dem Wehrdienst studierte er in Jerusalem Literatur und Philosophie. Sein erster Erzählband „Länder des Schakals“ erschien 1965. Darin beschrieb er das Leben im Kibbutz, wo er rund 30 Jahre verbrachte. Im Jahr 1986 zog er mit seiner Ehefrau Nilly, den zwei Töchtern und dem Sohn in die Wüstenstadt Arad, in der Nähe des Toten Meeres.
Mitbegründer von Friedensorganisation
Oz kämpfte 1967 im Sechs-Tage-Krieg und 1973 im Jom-Kippur-Krieg. Er war Mitbegründer der Bewegung „Schalom Achschaw“ (Frieden jetzt) und setzte sich seit 1967 für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Die Bewegung setzt sich zum Beispiel gegen israelische Siedlungen im Westjordanland ein. Bei der Trauerfeier wurde auch eine Beileidsbekundungen des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, verlesen. Seinen Traum für eine friedliche Zukunft formulierte Oz einmal so: „Ich möchte noch erleben, dass es eines schönen Tages eine israelische und eine palästinensische Botschaft in einem geteilten Jerusalem, also zwei Regierungssitze, gibt – nur einen kurzen Fußweg voneinander entfernt.“
Er verfasste über 30 Romane, Sach- und Kinderbücher sowie Erzählungen. Für diese erhielt er auch in Deutschland zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Friedenspreis des deutschen Buchhandels (1992), den Goethe-Preis (2005) und den Heinrich-Heine-Preis (2008). Im Jahr 2015 verfilmte die Hollywoodschauspielerin Natalie Portman Oz‘ epische Autobiografie „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“, in deren Mittelpunkt das Verhältnis zu seinen Eltern steht. Sein letzter Roman „Judas“ wurde für den Man-Booker-Preis nominiert. Darin setzte er sich anhand des Verhältnisses von Jesus Christus und Judas intensiv mit dem Thema Verrat auseinander. Oz wurde häufig als führender Kandidat für den Literaturnobelpreis ins Spiel gebracht. Letztlich hat er ihn aber nicht erhalten.
Fania Oz-Salzberg verabschiedete sich bei der Trauerfeier von ihrem Vater, indem sie sein Glaubensbekenntnis zitierte: „Du sollst niemandem wehtun.“ Viele hätten seinen Optimismus und sein Streben nach Frieden mit Naivität verwechselt, sagte Oz-Salzberg.
Von: mm