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„Jesus und Judas“

Zum Thema „Jesus und Judas“ ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen, so der Eindruck. Der Schriftsteller Amos Oz reiht sich ein. Ein kleines Büchlein bringt seinen „Zwischenruf“. Genau besehen ist es ein Vortragsmanuskript aus dem Jahre 2017.
Wer war Jesus aus jüdischer Sicht? Dieser Frage geht Amos Oz in seinem Buch nach.

Wer ist Jesus? Mit dieser für Christen und Juden grundlegenden Frage beschäftigt sich der israelische Autor Amos Oz in seinem Buch „Jesus und Judas – ein Zwischenruf“. Dabei zitiert er seinen Großonkel Joseph Klausner: „Wann immer du eine Kirche oder ein Kreuz siehst, sieh ganz genau hin, denn Jesus war einer von uns, einer unserer großen Lehrer, einer unserer bedeutendsten Moralisten, einer unserer größten Visionäre.“

Eine Rezension …

Diesen „Zwischenruf“ aus der Feder von Amos Oz hat der Patmos-Verlag in diesem Sommer publiziert. Es ist ein schmales Bändchen, das eine Dreiteilung beinhaltet. Nur im ersten Teil kommt Oz zu Wort, der sich schon länger mit der Frage nach Jesus und Judas beschäftigt – unter anderem in dem 2015 in deutscher Übersetzung beim Verlag Suhrkamp erschienenen Roman „Judas“.

Die nun von Patmos vorgelegten 96 Seiten „Jesus und Judas“ bringen bereits ab Seite 49 Bibeltexte aus den Evangelien und ab Seite 65 ein ausführliches Nachwort von Rabbiner Walter Homolka. Eine interessante Aufteilung und Zusammenstellung zur Frage „Wer war Jesus?“ aus jüdischer Sicht. Die Antwort ist klar, so beginnt Homolkas Nachwort: „Jesus war Jude.“ In einem Ritt durch die Geschichte wird verdeutlicht, wie sich die Juden schon früh von Jesus abgrenzten und andererseits die Kirche alle jüdischen Wurzeln ihres Christus kappten. Und noch mehr: „Judas“ wurde zum Begriff für den Verräter schlechthin und stand zugleich für den „Juden“ allgemein.

Oz notiert: „In der Geschichte des westlichen Denkens ist Judas der ultimative Verräter, der hässlichste, gemeinste, unehrlichste, widerwärtigste, gierigste Mensch, den man sich vorstellen kann.“ Dagegen sieht Oz in Judas den weitblickenden und durchblickenden Jünger Jesu, der dessen Mission nicht nur verstanden, sondern durch den „Verrat“ befördert hat. Und so kommt wieder der Roman ins Gespräch: „Mein Protagonist, Schmuel Asch, sagt: So starb er – er sagte das von Judas – so starb er, der erste Christ, der letzte Christ, der einzige Christ. Schockierende Worte. Nicht unbedingt meine Worte. Ich würde es nicht so sagen, nicht genau so, aber ich verstehe, was ihn dazu trieb, diese so anders klingenden Worte über Jesus und Judas zu sagen.“

… und mehr als das

Beobachten wir in unseren Zeiten die Neuentdeckung und sogar die Zurückholung jenes Jesus von Nazareth, der nur von seinen jüdischen Wurzeln her verstanden werden kann, ins Judentum? Homolka kommt in seinem Nachwort zum Schluss: „Oz baut eine Brücke zwischen der jüdischen Jesus-­Rezeption des 19. und des 21. Jahrhunderts … Werden Christen und die Kirchen in der Lage sein, diese Verortung Jesu und seine Heimholung in die jüdische Schicksalsgemeinschaft zu respektieren und in ihre Rede von Jesus, in ihre Christologien einzubeziehen?“

Das hatte der Jude Paulus der Gemeinde schon ganz am Anfang ins Gewissen geschrieben: „Du sollst wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Römer 11,18).

Sich in Demut dieser Wurzel bewusst zu werden, ist der Weg zur in Jesus offenbarten Gegenwart des lebendigen Gottes, der sich als der Gott Israels bekannt gemacht hat. „Sucht mich, so werdet ihr leben“ ist so gesehen der Ruf an Juden und Christen gleichermaßen. Rabbi Jakob Neusner kommt in seiner Schrift „Ein Rabbi spricht mit Jesus“ zur Erkenntnis, dass Jesus dem Judentum nichts genommen und nichts hinzugefügt hat – nur „sich selbst“.

An genau dieser Stelle wird jüdische und christliche Theologie nachdenken müssen, im eigentlichen Sinne des Wortes. Die unterschiedlich geprägten Gruppen messianischer Juden in Israel und weltweit geben mit ihrem Bekenntnis eine Antwort auf die Frage: Wer ist Jesus? Die Kirche muss sich der Frage stellen: Wer ist Israel? Das wird eine Rückbesinnung auf das „Erste Testament“ bedeuten, die Neuentdeckung heilsgeschichtlicher Linien und nicht zuletzt die Annäherung an Israel heute und damit auch an den Staat Israel.

Amos Oz: „Jesus und Judas – Ein Zwischenruf“, Patmos, 96 Seiten, 12 Euro, ISBN: 978-3-8436-1051-3

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 4/2018 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

Von: Egmond Prill

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