Suche
Close this search box.

Israel in 140 Episoden

Das israelische Jubiläum motiviert viele Menschen zu unterschiedlichen Publikationen. Einen ungewöhnlichen Weg, die 70-jährige Geschichte des jüdischen Staates zusammenzufassen, hat die Journalistin Andrea von Treuenfeld gewählt. Eine Buchrezension von Elisabeth Hausen

Politische Ereignisse, Persönlichkeiten, gesellschaftliche Stimmungen und Entwicklungen: Anhand dieser Aspekte fasst die Journalistin Andrea von Treuenfeld das 70-jährige Bestehen des Staates Israel in 140 Episoden zusammen. Ihr Buch trägt den Titel „Israel. Momente seiner Biographie“.

Begeistert von Israel

Im Vorwort schreibt die Autorin, Israels 70 „Lebensjahre“ seien „geprägt durch eine extreme Vielschichtigkeit“. In den Streiflichtern versucht sie, diese Vielfalt zum Ausdruck zu bringen. So begegnen dem Leser prägende Persönlichkeiten wie Staatsgründer David Ben-Gurion, der erste Staatspräsident Chaim Weizmann oder der legendäre Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek. Aber auch Organisationen, die für die israelische Geschichte relevant sind, stellt von Treuenfeld vor. Viele Beiträge umfassen gerade einmal eine Seite. Trotzdem gelingt es ihr, wichtige Informationen zu vermitteln und Hintergründe zu verdeutlichen.

Wie karg die ersten Jahre des jungen Staates waren, versinnbildlicht das Ministerium für Rationierung, das im April 1949 gegründet wurde. Der Rationierung widmet sich die Autorin unter der hebräischen Bezeichnung „Zena“. Dabei weist sie darauf hin, dass auch die Frau des Regierungschefs von den Maßnahmen betroffen war. Hintergrundinformationen streut sie auch in Episoden über bestimmte Gebäude wie die Knesset oder das Österreichische Hospiz in der Jerusalemer Altstadt ein.

Begeisterung und Bewunderung für Israel sind der Journalistin deutlich abzuspüren. Dies wird unter anderem deutlich bei der Schilderung der Rettungsaktion „Fliegender Teppich“ für jemenitische Juden. Überhaupt nimmt das Thema Einwanderung einen großen Raum ein. Gleichzeitig greift von Treuenfeld kritische Themen wie das bis heute nicht aufgeklärte Verschwinden jemenitischer Kinder nach der Masseneinwanderung auf. Auch das Jerusalem-Syndrom kommt vor. Zwei Episoden widmet sie dem Thema Homosexualität und Transgender.

Irritierende Jahreszahlen

Etwas verwirrend ist mitunter die Zuordnung der Jahreszahlen. Oft bezieht sich von Treuenfeld auf Ereignisse des jeweiligen Jahres oder das Gründungsdatum einer Organisation. Aber dann taucht plötzlich im Jahr 1960 Theodor Herzl auf. Denn der Abschnitt über den Begründer des politischen Zionismus ist 100 Jahre nach seinem Geburtstag angesiedelt. Andere Persönlichkeiten werden wiederum in ihrem Todesjahr vorgestellt.

Auch lange Sätze erschweren mitunter das Verständnis der Texte. So lautet der erste Absatz der Erklärung zur Organisation „B’Tselem“ (1989): „Spätestens seit der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel während seiner Israelreise im April 2017 mit Vertretern von Breaking the Silence* und B’Tselem zusammentraf und damit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu* so verärgerte, dass dieser ein geplantes Gespräch kurzfristig absagte, ist das Israelische Informationszentrum für Men-schenrechte in den besetzten Gebieten, wie sich B’Tselem bezeichnet, auch außerhalb des Landes bekannt.“

Für das Jahr 1987 beschreibt von Treuenfeld den Beginn der „Intifada“: „Aufgemischt von der neugegründeten Hamas-Bewegung, die von dem meisten europäischen Staaten als terroristische Organisation eingestuft wird (ihr Ziel ist die Vernichtung Israels), entluden sich Frust und Verzweiflung der Jugendlichen.“ Dass die angestrebte Vernichtung Israels in Klammern steht, erweckt den Eindruck, es sei aus ihrer Sicht kein Anlass, die Hamas als Terrorgruppe einzustufen. Möglicherweise ist das aber auch dem Platzmangel geschuldet, wobei dieser Eintrag überdurchschnittlich lang ist.

Seltsam verkürzt mutet auch die Schlussfolgerung an, die im Zusammenhang mit dem Oslo II-Abkommen von 1995 erfolgt: „Sowohl die israelische Rechte als auch die extreme Hamas betrachteten das Abkommen als Verrat. Die Folgen waren ein Ausbau der Siedlungen auf der einen Seite und Terrorangriffe auf der anderen.“ Vermutlich kann sie keinen Fall nennen, in dem der Ausbau von Siedlungen direkt zu Todesopfern führte. Bei Terrorangriffen hingegen ist das gewünscht und passierte auch in jener Zeit oft.

Differenzierte Darstellung

Dass sie auch komplizierte Sachverhalte in wenigen Sätzen darstellen kann, zeigt die Journalistin hingegen etwa bei der Schilderung der Sperranlage gegen den Terror. Sie weist in dem Eintrag zum Jahr 2002 sowohl auf die Kritik und die Einschränkungen für die Palästinenser hin als auch darauf, dass die Anlage zum größten Teil aus Zaun besteht. Auch die Ursache aus israelischer Sicht, nämlich die Abwehr von Terroristen, fehlt hier nicht. Bei der Episode aus demselben Jahr zu Dschenin gelingt es ihr, anzumerken, dass der Vorwurf eines „Massakers“ durch israelische Soldaten später in einem UN-Bericht widerlegt wurde.

Differenziert ist auch die Erklärung unter dem Stichwort „Zweite Intifada“ zum Jahr 2000. Darin bringt sie sogar die Information unter, dass der vielkritisierte Besuch des damaligen Premierministers Ariel Scharon auf dem Tempelberg mit der muslimischen Verwaltung abgestimmt war. Und als von Treuenfeld über den Tod von Palästinenserführer Jasser Arafat im November 2004 berichtet, weist sie darauf hin, dass der Vorwurf einer Vergiftung durch Israel nach der Exhumierung widerlegt wurde. Diese Differenzierung zeugt von der Begabung der Autorin. Auch die Feststellung, dass die Hadassa-Klinik Terror-Opfer und Attentäter gleichermaßen behandelt, bestätigt diesen Eindruck.

Andrea von Treuenfeld hat sich bereits früher mit dem Thema Israel befasst. Mit dem aktuellen Büchlein ist es ihr gelungen, die 70-jährige Geschichte des Staates Israel in kleinen Portionen recht umfassend zu erzählen. Sie geht auch hinter die Gründung im Jahr 1948 zurück und bringt die Vorgeschichte. Dabei fließt natürlich ihre Meinung ein, die nicht jeder Leser immerzu teilen wird. Dennoch und trotz der mitunter komplizierten Sprache ist das Buch Israelreisenden, die das Land noch nicht kennen und sich einen Überblick verschaffen wollen, als Einstiegslektüre durchaus zu empfehlen.

Andrea von Treuenfeld: „Israel. Momente seiner Biographie“, Gütersloher Verlagshaus, 224 Seiten, 20 Euro, ISBN: 978-3-579-08711-5

Von: Elisabeth Hausen

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen