JERUSALEM (inn) – Fünf Jahrzehnte hat der Beduinen-Forscher Clinton Bailey in der Sinai- und der Negev-Wüste Material über Beduinen zusammengetragen. Das Ergebnis sind 350 Stunden Interviews und Tonaufnahmen sowie Hunderte von Fotos, Folien und Videoclips, welche die beduinische Stammeskultur der vergangenen 50 Jahre dokumentieren. Die Quellen geben Zeugnis über die letzte Generation der älteren Beduinen, die in der vormodernen Zeit der beduinischen Kultur aufwuchsen und nun nicht mehr am Leben sind.
Das nach seinem Gründer benannte „Clinton Bailey-Archiv der beduinischen Kultur“ wurde Anfang März der Israelischen Nationalbibliothek (INB) zur Verfügung gestellt. Wie Raquel Ukeles, Kuratorin der Nahost-Kollektion der INB, Medienberichten zufolge mitteilt, ist das Material von unschätzbarem Wert: „Die unersetzlichen Dokumente im Archiv werden sowohl der beduinischen Gesellschaft helfen, über ihre Vergangenheit zu lernen, als auch künftigen Forschern in Israel und auf der ganzen Welt.“
Zahlreiche Facetten beduinischer Kultur
Wie die INB mitteilt, enthalten die Materialien viele Facetten beduinischer Kultur. Dazu gehören Gedichte, Gerichtsverfahren, mündlich überlieferte Geschichten und Traditionen. Hinzu kommen Informationen über das wirtschaftliche Leben, die soziale Organisation, Werte, Gesetze, religiöse Praktiken und Wissen über die Umwelt der Beduinen.
Mithilfe des Programms CTech will die INB das Material digital frei verfügbar machen. Es soll transkribiert, in hebräischer, englischer und arabischer Sprache katalogisiert und mit einer benutzerfreundlichen Suchfunktion versehen werden.
Einzelne Audiodokumente, wie der Gesang von Frauen zu einer Hochzeit von 1973 oder eine Gerichtsverhandlung von 1977, sind bereits online zugänglich. Dokumente werden kontinuierlich eingepflegt, der Abschluss des Projekts ist für das Frühjahr 2022 geplant.
Ein Leben im Dienste der Beduinen
Der gebürtige Amerikaner Clinton Bailey war 1958 nach Israel eingewandert und erlangte 1962 seinen Bachelor-Abschluss in Islamischer Geschichte und Kultur an der Hebräischen Universität Jerusalem. Seinen Doktortitel erwarb er vier Jahre später an der Columbia University in New York.
Für seinen Einsatz für die Umsetzung der Rechte der Beduinen in Israel bekam er 1994 den Emil-Grünzweig-Menschenrechtspreis verliehe. Diesen vergibt die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel jährlich.
In Israel leben etwa 200.000 Beduinen im Negev und im Norden. Seit der Staatsgründung 1948 gibt es einen starken Rückgang des nomadischen Lebensstils und viele der Gemeinschaften sind semi-nomadisch. Die Stadt Rahat im Negev gilt mit 70.000 Einwohnern als größte beduinische Ansiedlung der Welt.
Die INB meldet als erklärtes Ziel „die Bewahrung und den offenen Zugang der Dokumente über die israelischen Gemeinschaften“. Zudem wolle sie diese „einem nationalen und internationalen Publikum zugänglich machen“.
Von: mh