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Als Scho’ah-Überlebender von Israel nach Deutschland

David Murlakow überlebte als Jugendlicher acht Arbeits- und Konzentrationslager. Nach der Staatsgründung zog er nach Israel. Heute lebt der 96-Jährige in Deutschland – und blickt auf eine bewegte persönliche Geschichte zurück.
Auch mit 96 Jahren erzählt David Murlakow Interessierten von seiner Bewahrung im Holocaust

Der 9. November, der Jahrestag der Reichspogromnacht, ist ein Tag des Erinnerns an all diejenigen, die während der Nazizeit kein Gehör fanden. Ein Gedenken an die vielen Familienschicksale während des Holocausts. Familie Murlakow ist eine davon. Nahum Murlakow, der Familienvater, arbeitete in der Rüstungsfabrik von Oskar Schindler, sein Name stand auf Schindlers Liste. Er überlebte.

Durch diese berühmte Liste rettete Oskar Schindler mehr als 1.200 jüdischen Menschen das Leben. „Schindlers Liste“ wurde später von Steven Spielberg verfilmt und erhielt mehrere Oscars. 1962, besuchte Oskar Schindler Familie Murlakow in Jerusalem, leider war der Familienvater kurz vorher verstorben.

David Murlakow, einer der Söhne, hat seine eigene Geschichte. Er wurde 1924 in Meran geboren, zwei Jahre später zog seine Familie ins damals polnische Galizien. Er überlebte den Holocaust nach fast fünf Jahren in acht Arbeits- und Konzentrationslagern, oft auf wundersame Weise. Am 5. Mai 1945 befreite ihn die amerikanische Armee in Österreich. Viele Familienangehörige lebten nicht mehr.

Mit seinem starken Lebenswillen baute David sich, zuerst in Israel und später in Deutschland, ein neues Leben auf. Viele Kontakte zu Politikern und Künstlern verhalfen ihm auf seinem Weg, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. David wohnt heute in Hamburg und ist trotz seines hohen Alters immer noch sehr aktiv.

Israelnetz: David, der Name Ihres Vaters stand auf Schindlers Liste. Wann haben Sie erfahren, dass er noch lebt?

David Murlakow: 1946 habe ich durch meinen Bruder Josef erfahren, dass unser Vater lebt. Ich arbeitete im Krankenhaus in Ebensee, als mein Bruder Josef mich dort aufsuchte. Das Rote Kreuz hatte ihm geholfen, meine Adresse ausfindig zu machen. Er erzählte mir, dass unser Vater lebt, sein Name stand auf Schindlers Liste, und dass er bei meinem Bruder in der Tschechoslowakei wohnt.

Haben weitere Familienangehörige den Holocaust überlebt, was ist mit Geschwistern und Ihrer Mutter?

Unsere Mutter wurde im September 1939 in das Krankenhaus von Lemberg eingeliefert. Das war das letzte Mal, dass wir sie lebend gesehen haben. Meine Sorge und Vermutung ist, dass alle Patienten, durch gezieltes Einwirken der deutschen Besatzung, ermordet wurden. 1942 wurde meine Schwester Sarah im Alter von 27 Jahren mit ihren drei Kindern – das jüngste Kind war erst sechs Monate alt – in Viehwaggons mit hunderten von jüdischen Menschen eingezwängt und abtransportiert. Die dreitägige Fahrt ging nach Treblinka oder Majdanek, eine genaue Ortsangabe ist nicht mehr möglich, dort wurden sie vergast.

Meine Schwester Klara, 14 Jahre alt, wurde von deutschen Soldaten und ukrainischen Polizisten ermordet, sie fanden Klara in unterirdischen Verstecken in den Karpaten. Anfang 1943 erschoss die Gestapo meinen Bruder Elias, im Alter von 29 Jahren, in Boryslaw. Überlebt hat außer mir nur mein Bruder Josef, mit seinem sechsjährigen Sohn Richard, ihr Versteck war in den Wäldern der Karpaten.

Drei Wochen nach der Staatsgründung Israels, am 6. Juni 1948, sind Sie mit Ihrer Frau nach Israel eingereist. Sie dienten in der israelischen Armee, leiteten einen Kibbutz am See Genezareth, arbeiteten bei der Kolonisation des Staates Israel mit und engagierten sich politisch. Wo leben Ihre Kinder?

Zwei Töchter mit ihren Kindern leben in Deutschland. Mein Sohn Eli und eine weitere Tochter leben mit ihren Kindern und Enkeln in Israel.

David Murlakow: „Mein unruhiges Leben. Als Jude aus Galizien durch die Schoah nach Israel und ein erfolgreiches Leben in Deutschland“, 252 Seiten, 19,80 Euro, Hartung-Gorre, ISBN 978-3-86628-681-8 Foto: David Murlakow
David Murlakow: „Mein unruhiges Leben. Als Jude aus Galizien durch die Schoah nach Israel und ein erfolgreiches Leben in Deutschland“, 252 Seiten, 19,80 Euro, Hartung-Gorre, ISBN 978-3-86628-681-8

In einem Buch, das in diesen Tagen im Handel erscheint, erzählen Sie von Ihren Erlebnissen. Was hat Sie motiviert, dieses Buch zu schreiben?

Die heutige Situation dieser Welt, Streit der Religionen und ein neues Aufkommen des Antisemitismus, nicht nur in Deutschland. Dies zwang mich, über die Grausamkeiten und die Vernichtung von sechs Millionen Juden gerade wegen der jungen Leute zu schreiben. In der Hoffnung, dass meine Berichte sie berühren.

Welche schmerzhaften Erlebnisse haben Sie in den Lagern erlebt? Können Sie von einer Situation erzählen?

Den ganzen Tag schwere Arbeit, bei mangelnder Ernährung, unter Schlägen des Wachpersonals der SS. Mit der Dauer des Krieges wurde es, in den unterschiedlichen Lagern, immer dramatischer.

Viele Holocaustüberlebende konnten lange Zeit überhaupt nicht über ihre schmerzlichen Erlebnisse berichten. Wie ist es Ihnen ergangen?

Es fiel mir lange Zeit sehr schwer, über diese Leidenszeiten zu sprechen. Aber meine Kinder und Freunde haben mir geraten, über diese Schrecknisse zu berichten.

Lieber David, vielen Dank für dieses Gespräch. Ich wünsche Ihnen, dass viele Herzen durch Ihr Buch berührt werden. Schalom.

Die Fragen stellte G. Wedel

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