SICHRON JA’AKOV (inn) – Als Kind verkaufte er im „arischen Teil“ der polnischen Hauptstadt Warschau Zigaretten, nachdem er aus dem Ghetto geflohen war. Er konnte auch deshalb überleben, weil sich andere jüdische Jungen um ihn kümmerten. Nun ist Ben-Zion Hadar im Alter von 84 Jahren in einem israelischen Krankenhaus gestorben.
Zwar seien ihm Krieg und akute Lebensgefahr bewusst gewesen – möglicherweise noch mehr als den Erwachsenen. Doch seine Kindheitserlebnisse in Warschau habe er als Abenteuer betrachtet, sagte Hadar 2019 in einem Interview des Kanals „ HaChadaschot 12“.
Geboren wurde er 1936 in Warschau. Seine Eltern waren religiöse Juden. Er hatte vier Schwestern. Eine von ihnen arbeitete im Ghetto als Krankenschwester. Sechs Jahre alt war Ben-Zion Hadar, als er zum ersten Mal ohne seine Schwester durch die Kanalisation aus dem Ghetto in den anderen Teil der Stadt gelangte. Er besorgte Brot für seine hungernde Familie und kehrte ins Ghetto zurück.
Eines Tages riet ihm die Schwester, sich im Krankenhaus zu verstecken, weil eine Deportation bevorstand. Die Schwester und ihre Kollegen wurden ebenso fortgebracht wie der Rest seiner Familie. Daraufhin verließ er endgültig das Ghetto – und stieß auf jüdische Jungen in einer ähnlichen Lage. Sie verständigten sich darauf, miteinander nicht Jiddisch zu sprechen, sondern Polnisch. Denn sonst wären sie leicht als Juden entlarvt worden.
Mut und Solidarität hielt Jungen am Leben
Ausgerechnet vor dem Gestapo-Quartier auf dem „Drei-Kreuze-Platz“ verkauften die Jungen Zigaretten. Sie nahmen an, dass sie dort am wenigsten in Verdacht geraten würden, Juden zu sein. Ben-Zion verdiente auch Geld, indem er vor Häusern sang.
Die Historikerin Havi Dreifuss von der Universität Tel Aviv hat sich auf die Geschichte Polens spezialisiert. Sie sagte der Zeitung „Yediot Aharonot“: „Das Überleben einer Gruppe jüdischer Kinder im Zentrum von Warschau war nicht nur dank des Mutes dieser Kinder möglich, sondern auch dank ihrer beeindruckenden Solidarität.“ Diese habe sich auch daran gezeigt, wie sie sich um den Jüngsten, nämlich Ben-Zion Hadar, kümmerten.
Bekannt wurden die Erlebnisse der Jungen durch das Buch „Die Zigarettenverkäufer vom Drei-Kreuze-Platz“. Der Autor Joseph Ziemian ist Jahrgang 1922 und hat die Jungen damals selbst kennengelernt, als sie ihm Zigaretten anboten – er gehörte selbst dem jüdischen Untergrund an. Der deutsche Titel des Buches lautet: „Sag bloß nicht Mosche zu mir, ich heiße Stasiek!“. Die Jungen wanderten nach dem Weltkrieg in verschiedene Länder aus. Einer aus der Gruppe, der Waffenschmuggler David „Jorek“ Plonski, starb 2009 in Megiddo.
Hadar Ben-Zion war vor seinem Tod in einem Krankenhaus der israelischen Stadt Hadera in Behandlung. Er wurde in Sichron Ja’akov beigesetzt. Der ehemalige Zigarettenverkäufer hinterlässt seine Ehefrau Orit, zwei Söhne und eine Tochter.
Von: eh