JERUSALEM (inn) – Israelis rechnen eher mit dem Fortbestand der nationalen Sicherheit als mit dem demokratischen Regierungssystem. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Israelischen Demokratie-Institutes (IDI) hervor. Dabei ging es auch um die Demonstrationen gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und die Auswirkungen der Corona-Krise.
Von den Teilnehmern sagten 59 Prozent, sie seien optimistisch in Bezug auf die nationale Sicherheit. Im April traf dies auf 70 Prozent zu, vor einem Jahr waren es 47 Prozent. Mit Blick auf die Zukunft der demokratischen Regierungsform in Israel sind nur 38 Prozent zuversichtlich. Im April hatte dieser Anteil noch 45,5 Prozent betragen, im Juli 2019 lag er bei 47 Prozent. Die Israelis fühlten sich relativ sicher gegen äußere Bedrohungen, aber unsicher gegen innere, folgert das Institut.
Identifikation mit Demonstranten
Eine weitere Frage bezog sich auf die Proteste gegen die Finanzpolitik der Regierung in der Corona-Krise und gegen Premier Netanjahu. Die befragten Juden sollten angeben, mit welchem der beiden Themen sie sich identifizieren. 58 Prozent nannten die Finanzpolitik, 45 Prozent die Korruption. Für 88 Prozent der Anhänger der Regierungspartei Blau-Weiß ist der Korruptionsskandal ein wichtiges Thema, bei den Likud-Wählern sind es 17 Prozent.
Den Umgang der Polizei mit den Demonstranten empfinden 46,5 Prozent der Teilnehmer als zu hart. 25 Prozent halten das Vorgehen für angemessen, und 23 Prozent finden es zu lasch.
Die Befragten konnten auch Noten für Netanjahus Amtsausübung vergeben – in vier Bereichen. Bei der Sicherheitspolitik schneidet der Regierungschef mit 56 Prozent Zustimmung am besten ab. Seine Regierungsführung bewerteten 30 Prozent der Teilnehmer als gut. Beim ethisch-persönlichen Faktor waren es 26 Prozent und beim Umgang mit der Corona-Krise 25 Prozent. Die Sicherheitspolitik halten 59 Prozent der Juden und 39 der Araber für gut oder sehr gut. Im ethisch-persönlichen Bereich gaben 27 Prozent der Juden und 18 Prozent der Araber Netanjahu eine gute Note.
Die Umfrage befasste sich zudem mit der immer wieder geäußerten Forderung, es müsse noch in diesem Jahr vorgezogene Neuwahlen geben. Dem stimmten 25 Prozent der befragten Juden und 43 Prozent der Araber zu.
Corona verändert das Leben
Ein weiteres Thema waren die Veränderungen im Privatleben durch Corona. Hier gaben 73 Prozent der Teilnehmer an, durch die Krise habe sich ihre Freizeitgestaltung verändert. 68 Prozent nannten ihre Treffen mit Familie und Freunden. Veränderungen am Arbeitsplatz oder in den Einkünften spüren je 38 Prozent.
Dass die Verantwortung für die Corona-Maßnahmen ans Verteidigungsministerium übergeben wurde, befürworten 63 der Juden und 32 der Araber. Die höchste Zustimmung kommt mit 65 Prozent von Teilnehmern aus dem linken politischen Spektrum. Im Zentrum sind es 65 und unter den rechtsgerichteten Israelis 62 Prozent. Das IDI gibt eine mögliche Erklärung dafür, dass die Linken diesen Schritt besonders positiv bewerten: Damit sei die Verantwortung dem Gesundheitsministerium entzogen worden, dem mit Juli Edelstein ein Likudpolitiker vorsteht.
Das Gutman-Zentrum für Meinungsforschung, das zum IDI gehört, hatte vom 27. bis 29. Juli 607 Israelis auf Hebräisch und 150 weitere auf Arabisch befragt. Dies geschah über das Internet und am Telefon. Die Fehlerquote wurde mit 3,7 Prozent angegeben.
Von: eh