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Proteste gegen Corona-Politik

Viele Israelis sind nicht zufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung. In Tel Aviv machen sie auf einer Massenkundgebung ihrem Ärger Luft. Premier Netanjahu sichert Hilfen zu.
Aufgebrachte Massen: Viele Israelis sind mit den Corona-Maßnahmen der Regierung nicht zufrieden

TEL AVIV / JERUSALEM (inn) – Rund 10.000 Menschen haben am Samstagabend in Tel Aviv auf dem Rabin-Platz gegen die Corona-Politik der Regierung protestiert. Es handelt sich um die bislang größte Bekundung dieser Art seit Ausbruch der Krise. Die Demonstranten beklagen unter anderem, die Regierung biete zu wenig finanzielle Unterstützung für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen.

Zu den Vorwürfen zählt auch, dass es schwer sei, an die Hilfen zu kommen oder dass diese fehlgeleitet seien. In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Fernsehsenders „Kanal 13“ gaben 75 Prozent der Teilnehmer an, sie seien mit den Regierungsmaßnahmen nicht zufrieden. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei 21 Prozent – vor Ausbruch der Krise waren es etwa 3 Prozent. Gerade viele Selbstständige fürchten um ihre Zukunft.

Die Polizei nahm im Verlauf der Demonstration mindestens 19 Menschen fest, da sie größere Straßen und Kreuzungen blockiert hatten. Außerdem gingen die Protestler gegen die Beamten mit Pfefferspray vor und warfen Steine auf sie. Die Außereinandersetzungen hielten bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags an; zu einem Gemenge kam es etwa auch am HaBima-Platz. Die Polizei erklärte zu den Festnahmen, im Gegensatz zum anfänglichen Protest seien diese Proteste illegal gewesen und hätten die öffentliche Ordnung verletzt.

„Terroranschlag auf die Gesundheit“

Der Leiter des israelischen Gesundheitsministeriums, Chesy Levy, kritisierte die Veranstaltung im Nachhinein wegen der Infektionsgefahr. Dem Armeeradio sagte er am Sonntag: „Ich verstehe den Schmerz und die Sorge der Demonstranten. Aber es ist eine gefährliche Zusammenkunft, und ich fürchte, wir werden die Folgen in den kommenden Tagen sehen.“ Der stellvertretende Gesundheitsminister Joav Kisch (Likud) sprach von einem „Terroranschlag auf die Gesundheit“.

Unterdessen hat Gesundheitsminister Juli Edelstein (Likud) die Ärztin Ruthy Schaco-Levy angezeigt. Die Vorsitzende der Israelischen Ärztevereinigung hatte im Vorfeld der Proteste die Teilnehmer dazu aufgerufen, ihre Handys zuhause zu lassen, um eine elekronische Nachverfolgung zu vermeiden und eine mögliche Quarantäne zu umgehen.

Netanjahu: Hilfen kommen

Am Sonntag versicherte Premier Benjamin Netanjahu, der erste Teil der am Donnerstag vorgestellten Hilfen im Umfang von umgerechnet insgesamt 20 Milliarden Euro werde in dieser Woche bei den Israelis angekommen. „Wir können das Coronavirus überwinden oder wenigstens Israel auf einen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Weg bringen, der es uns allen ermöglicht, im kommenden Jahr vernünftig zu leben“, sagte Netanjahu laut Mitteilung des Regierungsamtes.

Inzwischen liegt die Zahl der aktiven Corona-Infektionen bei 19.662, davon gelten 151 als schwerwiegend, 362 Menschen sind gestorben. Als genesen stuft das Gesundheitsministerium inzwischen 19.008 Personen ein, insgesamt sind bislang 38.670 Corona-Fälle bekannt geworden.

Steinitz: Kurze Stilllegung nötig

Angesichts der erneuten Infektionswelle hat Energieminister Juval Steinitz am Montag eine sofortige Stilllegung für zehn Tage gefordert; dabei solle es jedoch möglich sein, zur Arbeit zu gehen. Gegenüber der Tageszeitung „Yediot Aharonot“ nahm der Likud-Politiker Bezug auf die Einreisesperre, die etwa in Ländern der EU für die Israelis gilt. Da Israel wirtschaftlich stark mit dem Rest der Welt verbunden sei, könnten Einreisesperren „finanziell gefährlich“ werden. „Manchmal ist es besser, es uns zwei Wochen lang schwierig zu machen, um es für den Rest des Jahres leichter zu machen.“

Gegen eine bereits umgesetzte Stilllegung haben am Sonntag indessen hunderte Ultra-Orthodoxe in Jerusalem protestiert. Dabei warfen sie die Absperrungen um oder setzten Abfalleimer in Brand. Die Polizei meldete zwei Festnahmen. In vielen Wohngegenden, die derzeit wegen hoher Infektionszahlen abgesperrt sind, leben Ultra-Orthodoxe. Die Stilllegung sehen die Demonstranten als Diskriminierung.

Zu den abgesperrten Vierteln in Jerusalem gehören Romema, Kiriat Bels und Kiriat Zans. Zuvor hatte die Polizei am Samstagabend zehn Ultra-Orthodoxe festgenommen. In diesem Zusammenhang ist ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie ein Polizist auf einen Protestler einschlägt. Die Polizei teilte mit, den Vorfall zu untersuchen.

Von: df

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