Das Wochenfest Schawuot geht auf eine Anordnung aus 2. Mose 34,22 zurück: „Das Wochenfest sollst du halten mit den Erstlingen der Weizenernte, und das Fest der Lese, wenn das Jahr um ist.“ Im nächsten Vers heißt es: „Dreimal im Jahr soll alles, was männlich ist, erscheinen vor dem Herrscher, dem HERRN, dem Gott Israels.“ Darum gilt Schawuot neben dem Laubhüttenfest und Pessach als eines der jüdischen Pilgerfeste. Schawuot bezeichnet das Ende der Omerzählung und wird am 6. des jüdischen Monats Sivan begangen.
Das Fest hat mehrere Bezeichnungen. So wird es in 2. Mose 23,16 „Chag HaKazir“, „Fest der Ernte“, genannt. Neben Blumen verwenden Juden auch gerne Ährenbündel als Dekoration für Haus und Synagoge. In 4. Mose 28 wird das Fest als „Jom HaBikkurim“, also „Tag der Erstlingsfrüchte“, bezeichnet. Damit bildet es den Abschluss der Frühlingsfeste. Es gilt auch als Erntedankfest, weil zu dieser Zeit in Israel der erste Weizen geerntet wird.
Zudem ist in 2. Mose 32 beschrieben, wie Gott dem Volk Israel die Steintafeln mit den Zehn Geboten am Berg Sinai gab, obwohl sie das Goldene Kalb angebetet hatten. Nach der jüdischen Überlieferung geschah das am Wochenfest, und so nennen es gläubige Juden bis heute auch das Fest der Gabe der Tora. Im Talmud ist auch vom „Azeret“ die Rede, von der feierlichen Versammlung. In den Synagogen wird in Erinnerung an die zweite Gabe der Tora 2. Mose 19 und 20 gelesen, in denen beschrieben ist, wie das Volk der Israeliten sich am Sinai sammelt und auf die Gabe der Tora vorbereitet wird.
Der jüdischen Überlieferung nach wurde der biblische König David an Schawuot geboren und ist siebzig Jahre später gestorben. Weil er der Urenkel der Moabiterin Ruth ist, und es zur Zeit der Getreideernte spielt, ist Schawuot eng mit ihrer Geschichte verknüpft. Das Buch besteht nur aus vier Kapiteln und so wird es im Synagogengottesdienst komplett gelesen. Weil Rut den Gott ihrer Schwiegermutter angenommen hat, sprechen manche Ausleger davon, dass auch sie die Tora zu dieser Zeit empfangen hat.
Gottes Wort studieren
Zu Schawuot ist üblich, dass Gläubige die Nacht bis zum Morgengebet in der Synagoge oder in den Toraschulen lernend verbringen. Sie halten eine „Tikkun Chazot“, eine Nachtwache. Dabei studieren immer mindestens zwei Gläubige die Tora zusammen oder hören die ganze Nacht über Vorträge ihrer Rabbiner oder anderer Gelehrter.
Traditionell werden zum Fest milchige Speisen verzehrt. Eine Erklärung für diesen Brauch ist, dass die Tora mit Milch verglichen wird, die das Volk Israel wie ein kleines Kind in sich aufnimmt. Im Hohelied heißt es „Honig und Milch ist unter deiner Zunge“. Jüdische Ausleger glauben, dass hier von der Tora die Rede ist.
Jeder hebräische Buchstabe entspricht gleichzeitig einer Zahl. Der Zahlenwert der Buchstaben für Chalav, Milch, ergibt 40. Daher gehen andere Ausleger davon aus, dass die Milch für die 40 Tage steht, die Mose auf dem Berg Sinai war und die er brauchte, um die Tora auswendig zu lernen. Eine weitere Auslegung besagt, dass es 40 Generationen waren von dem Tag, als Mose auf den Berg Sinai ging, um die Tora, das geschriebene Wort, zu empfangen, bis zu den Rabbinern, die die „mündliche Tora“ festschrieben.
In diesem Jahr werden die Lerngruppen in Israel an vielen Orten etwas kleiner ausfallen. Manche Rabbiner haben schon vor dem Feiertag online Vorträge und Lerngruppen abgehalten. Adi Romem, eine Religionswissenschaftlerin, sagte in einem der virtuellen Treffen: „Es ist doch kein Zufall, dass das Buch Ruth mit der Erwähnung einer großen Hungersnot beginnt und diese ausgerechnet mit einem Mann aus Bethlehem, dem ‚Haus des Brotes‘, in Zusammenhang gestellt wird.“ Andere Rabbiner sprechen davon, dass Schawuot für Brot und Leben steht. „Doch vor allem in einer Zeit der Pandemie, wie wir sie gerade erleben, wird deutlich, wie sich Menschen nach mehr sehnen. Wir brauchen das Brot, um zu überleben. Doch die geistlichen Dinge geben uns Antwort auf den Sinn des Lebens.“
Warum das Fest nicht vorzeitig anfangen darf
Eitan wohnt im Jerusalemer Viertel Nachlaot und ist am Donnerstagmittag mit Kochen beschäftigt. „Bei uns in Israel dauert Schawuot ja nur einen Tag. Aber weil es in diesem Jahr auf einen Freitag fällt, sind es de facto zwei Tage.“ Der Endzwanziger stammt aus einer religiösen Familie. Schon lange ist er nicht mehr gläubig, die religiösen Feste sind ihm trotzdem wichtig.
Und so bereitet er koscheres Essen für die nächsten Tage zu: „Heute Abend treffe ich mich mit Freunden zum Abendessen. Danach lernen wir zusammen Texte, die von der Bedeutung des Wochenfestes handeln. Morgen Mittag treffe ich mich mit den gleichen Leuten bei einem anderen Freund. Wieder essen und lernen wir zusammen. Am Freitagabend gehe ich zu anderen Freunden, um den Beginn des Schabbat zu feiern. Ich laufe fast eine Stunde zu ihnen, zum Schlafen komme ich wieder nach Hause. Am Schabbatmorgen bin ich mit meiner Familie verabredet.“ Zum Ausruhen werde er nicht kommen, aber besonders nachdem die vergangenen Feste stark von den Kontaktverboten geprägt waren, sei er froh, wieder unter Menschen gehen zu können.
Zu Schawuot weiß der Tourguide eine Anekdote. „Wusstet ihr eigentlich, dass es verboten ist, das Schawuotfest eine Stunde früher zu beginnen?“ Eitans Mitbewohner schauen ihn verständnislos an: „Nun ja, von der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, her gesehen, darf man den Schabbat auch schon einige Zeit vor dem offiziellen Anfang, also vor dem Sonnenuntergang, beginnen.“ Er freut sich sichtlich über die verwirrten Gesichter: „Aber zu Schawuot ist geboten, dass man ‚sieben ganze Wochen‘ halten soll. Deshalb muss man die in Gänze zu Ende bringen, bevor man das Fest beginnt.“
Tatsächlich – in 3. Mose 23 ist vom Schwingopfer die Rede. Ab Vers 15 heißt es dort: „Danach sollt ihr zählen vom Tage nach dem Schabbat, da ihr die Garbe als Schwingopfer darbrachtet, sieben ganze Wochen. Bis zu dem Tag nach dem siebten Schabbat, nämlich fünfzig Tage, sollt ihr zählen und dann ein neues Speisopfer dem HERRN opfern. Ihr sollt aus euren Wohnungen zwei Brote bringen als Schwingopfer, von zwei Zehnteln feinstem Mehl, gesäuert und gebacken, als Erstlingsgabe für den HERRN.“
Von: mh