JERUSALEM (inn) – Die weltweite Verunsicherung durch das Coronavirus bringt antisemitische Hassrede und Karikaturen hervor. Darauf weist das israelische Außenministerium in einem internen Bericht hin. Es hat die diplomatischen Vertretungen aufgefordert, die Entwicklungen in ihren jeweiligen Ländern zu verfolgen. Wenn sie auf derartige Veröffentlichungen stoßen, sollen sie die Regierungen und die sozialen Netzwerke entsprechend informieren, damit diese reagieren können.
In einem englischsprachigen Post heißt es etwa, Juden seien „der größte Parasit / Virus, der die ganze Welt bedroht“. Sie seien das Coronavirus COVID-19 und „die Synagoge des Satans“. Auch Ausdrücke wie „jüdisches Virus“ – sogar auf Englisch als Hashtag – oder „israelisches Virus“ finden sich im Internet.
Der Bericht der Abteilung für den Kampf gegen Antisemitismus macht judenfeindliche Hassrede vor allem in den USA, Frankreich und Deutschland aus, aber auch in der islamischen Welt. Über Twitter und Telegram wurden demnach Karikaturen verbreitet, die ein israelisches Flugzeug zeigen. Dieses überschüttet die Menschen am Boden mit dem Virus. In arabischen Netzwerken sind israelische Flaggen zu sehen, bei denen der Davidstern durch ein Corona-Symbol ersetzt wurde.
Auch der Vorwurf, Israel habe schon einen Impfstoff und werde daraus Kapital schlagen, ist zu lesen. Im Gegenzug heißt es, Israelis wollten das Virus verbreiten, um die Weltbevölkerung auszudünnen. Hinzu kommt eine Verbindung zur Leugnung der Scho’ah, wie die Zeitung „Yediot Aharonot“ berichtet. Im Hinblick auf die Zahlen der Toten in China wird behauptet, im Holocaust könnten nicht so viele Juden ermordet und verbrannt worden sein. Ferner gibt es Anklänge an das antisemitische Pamphlet „Protokolle der Weisen von Zion“, das Juden beschuldigt, die Weltherrschaft anzustreben.
Kein Ende der Hasskommentare in Sicht
Der Leiter der zuständigen Abteilung im Außenministerium, Ran Ja’akobi, hat sich nach eigenen Angaben bereits an Facebook, Twitter, Telegram, Reddit und YouTube gewandt. Teilweise hätten die sozialen Netzwerke versprochen, die Beiträge zu überprüfen und bei Bedarf zu entfernen. Andere hätten freundlich mitgeteilt, sie hätten derzeit viel zu tun wegen der Corona-Krise und nicht genügend Personal, um einzuschreiten.
Ja’akobi warnte vor weiteren antisemitischen Auswüchsen nach der Corona-Krise: „Wir haben erste Informationen über Leute, die Materialien sammeln, um zu wissen, welche Besitzer der großen Unternehmen in der amerikanischen und der europäischen Wirtschaft Juden sind, damit sie, wenn es eine Wirtschaftskrise gibt, dafür die Juden beschuldigen können. Einerseits beschuldigt man sie, Geld auf Kosten der Krise zu machen. Andererseits wird man, wenn es kein Geld gibt, sagen, dass sie die wirtschaftliche Lage verschlimmern.“
Antisemitismusbeauftragter Klein: Nährboden für Judenhass
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat ebenfalls vor judenfeindlichen Verschwörungstheorien gewarnt. In einem Interview, das der „Tagesspiegel“ am 25. März online veröffentlichte, wies er auf das Klima der allgemeinen Verunsicherung hin. Dieses sei ein idealer Nährboden für die Beschuldigung einzelner Personengruppen. „Es überrascht leider nicht, dass Juden und Israel Hauptziele sind. Antisemitische Hassreden verbreiten sich schnell im Internet und dort insbesondere auf den gängigen Social-Media-Plattformen.“
Klein führte Beispiele an: „Die Rede ist da von einer jüdischen Übernahme der Weltwirtschaft, jüdischen Gewinnen aus einem möglichen Impfstoff, von Israel entwickelten Biowaffen, oder einem jüdischen Versuch, die Weltbevölkerung zu reduzieren. Krudester Antisemitismus bricht sich Bahn.“ Er rief die Bürger auf, die Betreiber der Plattformen zu informieren, wenn ihnen derlei Hassrede auffalle.
PA: „Am Rande eines Holocaust gegen Palästinenser“
Doch nicht nur Nutzer von sozialen Medien in aller Welt hetzen in diesen Tagen gegen Juden. Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) veröffentlicht immer wieder Anschuldigungen gegen Israel. Darauf weist das Institut „Palestinian Media Watch“ (PMW) hin. So stellte am 23. März eine Karikatur in der PA-Zeitung „Al-Hajat al-Dschadida“ israelische Sicherheitskräfte als Coronavirus dar. Ein Gefängniswärter trägt eine grüne Uniform und einen Helm mit Noppen, die an Corona erinnern. Er ist mit einem Sturmgewehr bewaffnet und führt einen palästinensischen Häftling an einem Seil mit sich.
Den Vorwurf, Israel sorge nicht für ausreichenden Schutz der Gefangenen vor dem Virus, hat die Autonomiebehörde bereits mehrmals geäußert. Im Artikel zur Karikatur heißt es: Die Ausbreitung des Coronavirus in Israel „hat die palästinensischen Häftlinge in den Haftanstalten der Besatzung bewogen, zu protestieren und ihre Essensportionen zurückzugeben“. Denn die „Besatzungsbehörden“ hätten nicht die nötigen Schritte unternommen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, und Salz in die Wunden gestreut, „indem sie den Häftlingen desinfizierendes und reinigendes Material vorenthielten – als wären wir am Rand eines Holocaust gegen die palästinensischen Häftlinge, aber nicht durch Öfen, sondern durch ein unsichtbares Virus, für das es noch kein Heilmittel gibt“. Das „kolonialistische“ System unter Benjamin Netanjahu zeige einmal mehr, „dass es das gefährlichste dem Menschen bekannte ‚menschliche Virus‘ ist“.
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) hat Bilder von kranken oder alten Palästinensern gepostet, die in Israel inhaftiert sind. Einer ist Jasser Rabai’ah, der 2001 mit einem Komplizen einen ein griechisch-orthodoxen Mönch ermordete. „Häftling Jasser Rabai’ah ist einer der Häftlinge, die an Krebs erkrankt sind“, steht dabei. „Wie wird er im Gefängnis der Besatzung mit dem Coronavirus zurechtkommen?“
In einer weiteren Karikatur kämpft ein Palästinenser mit bloßen Händen gleichzeitig gegen Israel und das Coronavirus. Aus einer Siedlung wird er mit Schusswaffen bedroht, auf der anderen Seite versucht er, sich eines Coronavirus zu erwehren.
„Palästinensische Arbeiter vernachlässigt“
Überdies erhob „Al-Hajat al-Dschadida“ am 21. März den Vorwurf, Israel kümmere sich nicht um die palästinensischen Arbeiter im Land: „Der Generalsekretär des Palästinensischen Gewerkschaftsbundes, Schaher Sa’ad, warnte vor den gefährlichen medizinischen Folgen für die Gesundheit palästinensischer Arbeiter, die in den Gebieten von 1948 arbeiten und dort bleiben dürfen, angesichts des Mangels an medizinischer Versorgung für sie von ihren Arbeitgebern.“ Israelischer Rassismus gefährde Leben und Wohl der Arbeiter, sie würden bewusst der Ansteckungsgefahr ausgesetzt.
PMW weist darauf hin, dass Israel den Arbeitern mehrere Tage zugestanden hat, bevor es die Übergänge zum Westjordanland wegen der Epidemie abriegelte. In dieser Zeit konnten sie mit den israelischen Arbeitgebern klären, wie sie mit der Gefahr umgehen wollen.
Die PA-Zeitung schrieb ferner am 11. März in einem Editorial: „Genau wie wir das Coronavirus überwinden werden, werden wir sicher auch die Viren der Besatzung überwinden, die gefährlicher sind als alle Viren der Natur.“ Und Premier Mohammed Schtaje äußerte bereits am 3. März auf Facebook, die PA habe sich mit „dem Coronavirus und dem Besatzungsvirus“ zu befassen.
Von: eh