JERUSALEM (inn) – Die israelische Regierung hat am Donnerstagabend eine Ausgangssperre für ganz Israel verordnet. Damit soll die Ausbreitung des Coronavirus weiter eingedämmt werden. Die Zahl der Infektionsfälle ist am Freitagvormittag auf 705 gestiegen.
Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte in den vergangenen Tagen die Gesamtbevölkerung eindringlich dazu aufgerufen, Sozialkontakte nach Möglichkeit zu vermeiden. Sein Appell richtete sich insbesondere auch an die Araber in Israel. Kritik gibt es aber auch an Ultra-Orthodoxen, die trotz der Ansteckungsgefahr weiter in Jeschivas zusammenkommen oder zu Hochzeiten mit vielen Gästen.
Bislang waren diese Aufrufe nur eine Empfehlung. Am Donnerstag betonte Netanjahu, dass dies nun nicht mehr der Fall ist: „Es ist eine bindende Anordnung, die von der Exekutive durchgesetzt wird.“ Er bat die Bevölkerung um Verständnis und Zusammenarbeit.
Die Ausgangssperre bedeutet, dass die Israelis nur in folgenden Fällen ihre Wohnung oder ihr Haus verlassen dürfen:
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Um auf Arbeit zu gehen
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Für Besorgungen (Essen, Medizin) oder um notwendige Dienstleistungen zu erhalten
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Für medizinische Behandlung
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Um Blut zu spenden
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Um an Demonstrationen teilzunehmen
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Um Rechtssachen zu klären
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Für unorganisierten Sport in Gruppen mit höchstens fünf Teilnehmern
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Für kurze Spaziergänge
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Für Hochzeiten, Beerdigungen oder zum Gebet mit bis zu zehn Teilnehmern
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Um anderen Menschen zu helfen, die aufgrund ihres Alters, ihrer Krankheit oder ihrer Behinderung Hilfe benötigen
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Für andere lebensnotwendige Gründe, die hier nicht aufgeführt sind
Bei all diesen Bestimmungen gilt, dass Personen immer mindestens zwei Meter Abstand wahren müssen. In einem Auto dürfen insgesamt nur zwei Personen fahren (bei Familienmitgliedern auch mehr). Werden Güter geliefert, sollen diese an der Haustür abgestellt werden.
Oberstes Gericht: Massenüberwachung nur mit Knesset
Das öffentliche Leben war in Israel schon zuvor reduziert. Die Nutzung des Nahverkehrs ist in den vergangenen Tagen im Vergleich zu der Zeit vor dem Ausbruch der Krise um etwa 39 Prozent zurückgegangen. Das berichtet die Zeitung „Jerusalem Post“ unter Berufung auf Daten der Mobilitäts-App Moovit. In der französischen Hauptstadt Paris beläuft sich der Wert auf 55 Prozent.
In Tel Aviv hat nun auch eine Durchfahrtsstation zum Test auf Infektionen ihre Arbeit aufgenommen. Die Eröffnung sollte schon am Mittwoch erfolgen, es fehlten aber Testsätze. Die auf einem Parkplatz aufgebaute Station des Roten Davidsterns ist ein Pilotprojekt; wenn sie sich als erfolgreich erweist, sollen weitere Stationen in anderen Städten dazukommen.
Unterdessen hat sich das Oberste Gericht am Donnerstag zu der umstrittenen Massenüberwachung durch den Inlandsgeheimdienst Schabak geäußert. Mit der Maßnahme will die Regierung ermitteln, welchen Menschen sich ein Infizierter auf weniger als zwei Meter und für länger als zehn Minuten genähert hat. Die Richter sagten, bis Dienstag müsse ein Knessetausschuss gebildet werden, der sich mit den Notfallregelungen befasst. Geschehe dies nicht, müsse die Überwachung beendet werden.
Knessetsprecher Juli Edelstein hatte den Parlamentsbetrieb bis Montag ausgesetzt. Nach eigenen Angaben will er damit die beiden stärksten Parteien, Blau-Weiß und Likud, in eine Einheitsregierung drängen. Die Maßnahme sehen Kritiker hingegen als „undemokratisch“. Am Donnerstag versicherte Edelstein, die Knesset könne am Montag zusammentreten und dann auch Ausschüsse bilden.
Von den Regelungen in der Corona-Krise ist auch die Alija, die Einwanderung nach Israel, betroffen. Am Donnerstag kam eine Gruppe von 24 Einwanderern aus Nordamerika in Israel an. Die Mitglieder müssen, wie alle Einreisenden, erstmal in eine zweiwöchige Quarantäne. Das kann ihrer Freude aber nichts anhaben: „Wir freuen uns auf zwei Wochen Entspannung nach dem Drunter und Drüber bei den Vorbereitungen auf die Alija während der Pandemie“, sagte ein älteres Ehepaar, das nach Netanja ziehen wird, laut der Onlinezeitung „Times of Israel“. „Wir sind zuhause, und es gibt keinen Ort, wo wir lieber sein wollen.“
Von: df