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Trauer um zerstörte Tempel

Am Sonntag begehen Juden den Fasttag Tischa BeAv. Er erinnert unter anderem an die Zerstörung der beiden Jerusalemer Tempel. Eine besondere Anfrage aus Argentinien erhielt in diesem Jahr ein israelischer Oberrabbiner.
Der Titusbogen zeigt römische Soldaten mit den Kultgegenstände aus dem Jerusalemer Tempel, der im Jahr 70 zerstört wurde

Der 9. Tag des jüdischen Monats Av ist ein Trauertag. Gemäß der Überlieferung haben sich an diesem Datum in verschiedenen Jahren mehrere traurige Ereignisse zugetragen. Und so fasten Juden an diesem „Tischa BeAv“. Der 9. Av fällt in diesem Jahr auf einen Schabbat. Deshalb verschiebt sich das Fasten um einen Tag, es beginnt am Abend des 10. August.

Im Mittelpunkt des Gedenkens steht die Zerstörung des Ersten Tempels im Jahr 586 vor der Zeitrechnung wie auch die Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 nach Christus. Und im Jahr 135 schlugen die Römer endgültig den jüdischen Aufstand nieder und töteten ebenfalls am 9. Av den Anführer Simon Bar Kochba, in den Juden große Hoffnungen gesetzt hatten – er galt vielen sogar als Messias.

Danach wurde Jerusalem zur römischen Militärkolonie Aelia Capitolina. Juden durften die Stadt nicht betreten. Das gesamte Gebiet wurde Palästina genannt, dadurch wollten die Römer jede Erinnerung an das jüdische Leben in der Region auslöschen. Ein Jahr später wurde Jerusalem erneut zerstört, auch das geschah am 9. Av. In den 1920er Jahren war selbst die islamische Aufsichtsbehörde Waqf noch davon überzeugt, dass in der Altstadt die beiden Tempel gestanden hatten. Heute leugnen internationale Organe wie die Kulturorganisation UNESCO eine jüdische Verbindung zum Tempelplatz.

Ereignisse aus neuer und biblischer Zeit

Auch in Mittelalter und Neuzeit sind furchtbare Ereignisse zu bedenken: Im Jahr 1290 wurde die Ausweisung der Juden aus England verfügt, 1492 begann die Vertreibung der Juden aus Spanien. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 fiel ebenfalls auf den Tischa BeAv. 1942 begannen die Massendeportationen von Juden aus dem Warschauer Ghetto.

Aus biblischer Zeit kommt ein weiteres Ereignis hinzu: Bevor das Volk Israel ins Gelobte Land einziehen konnte, sandte Mose zwölf Kundschafter dorthin. Diese kehrten mit vielen Früchten zurück. Zehn von ihnen erzählten aber auch von Riesen, die im Lande Kanaan lebten. Daraufhin verloren die meisten Israeliten ihr Gottvertrauen. Als Strafe durfte ihre Generation mit Ausnahme der rechtschaffenen Kundschafter Josua und Kaleb nicht das verheißene Land betreten.

Die Episode wird in 4. Mose 13 berichtet. Dort findet sich zwar keine Datumsangabe. Aber nach jüdischer Überlieferung ereignete sich der folgenschwere Sinneswandel des Volkes am 9. Av. Auch deshalb begehen Juden an diesem Datum einen Trauertag, an dem sie fasten und nicht die Tora studieren. Denn in Psalm 19,9 steht geschrieben: „Die Befehle des HERRN sind richtig und erfreuen das Herz.“ In der Liturgie wird aus dem Buch der Klagelieder gelesen.

Beobachtung: Interesse bei Christen steigt

Indes beobachtet die Nachrichtenseite „Breaking Israel News“, dass immer mehr Christen dem Tischa BeAv eine Bedeutung zumessen. Sie zitiert den Rabbi Tuly Weisz, der darauf hinweist, dass die „Feinde des jüdischen Volkes“ diesen und andere Fasttage herbeigeführt hätten. Er stellte die Frage, wann aus dem Fasttag ein Festtag werden könne, und antwortete selbst: „Es wird nur geschehen, wenn nicht nur die Juden am 9. Av Buße tun, sondern wenn auch Nicht-Juden Buße tun.“

Der Rabbi ergänzte: „Jeder, der die Bibel ernst nimmt, muss die jüdischen Feste ernst nehmen. Wenn die nicht-jüdische Welt zu begreifen beginnt, dass diese biblischen Feste Teil der biblischen Geschichte sind, und beginnt, die biblischen Fasttage ernst zu nehmen und an ihnen zu fasten und Buße zu tun, wird Gott herbeiführen, dass die Fasttage zu Festtagen werden.“

Wie die Tageszeitung „Jerusalem Post“ berichtet, haben sich etwa 100 Christen aus verschiedenen Ländern nach Israel aufgemacht. Sie wollen dort den Fasttag begehen. Dabei wollen sie sich bewusst machen, welche Rolle Christen bei der Verfolgung von Juden gespielt haben, und um Vergebung bitten. Ein Aspekt sei die sogenannte Ersatztheologie – jahrhundertelang lehrten die Kirchen, die Christenheit habe Israel als ausgewähltes Volk ersetzt.

Dürfen Juden am Fasttag wählen?

Ein offizieller Feiertag ist Tischa BeAv in Israel nicht. Und auch in der Diaspora wird er nicht so streng begangen wie etwa der Versöhnungstag Jom Kippur. Dennoch haben sich Juden in Argentinien an den aschkenasischen Oberrabbiner von Israel, David Lau, gewandt. In dem südamerikanischen Land sind nämlich am 11. August die Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl im Oktober. Die jüdischen Bürger wollten wissen, ob sie sich trotz des Fasttages an der Abstimmung beteiligen dürfen.

Rabbi Lau antwortete, in Argentinien erschienen die Sterne um diese Jahreszeit so früh, dass Juden nach dem Ende des Fastens wählen könnten. „Aber wenn es nicht möglich ist, am Abend zu wählen, ist es sogar erlaubt – wegen der Bedeutung der Angelegenheit –, während des Tages zu wählen.“

Von: Elisabeth Hausen

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