Elf Thesen, die Martin Luther vergessen hat? Was wie ein Angriff auf den Reformator wirkt, soll ein Aufruf sein, sich in Luthers Tradition zu stellen und seine vor 500 Jahren begonnene Arbeit, nun im Hinblick auf das jüdische Volk, zu beenden. Das wurde beim dritten Treffen der Bewegung ReformaZION im April im baden-württembergischen Friolzheim deutlich. Von den Anfängen der Kirche über Luther bis in die Neuzeit prägten Ersatztheologie und Antijudaismus das Verhalten vieler Christen gegenüber dem jüdischen Volk. Das müsse sich ändern. ReformaZION wolle nun Luthers „blinden Fleck“ bezüglich der Juden aufzeigen und mit biblischer Wahrheit füllen.
Sich in der Tradition Luthers zu bewegen bedeute zudem, ebenso wie Luther zu provozieren und anzuecken. Das geschehe zum einen anhand der 11 Thesen, aber auch durch deren provokanten Titel, der Luther nicht unbescholten zurücklässt. Luca Hezel, Vorstandsmitglied des Vereins Christen an der Seite Israels und Begründer von ReformaZION, betonte an dem Wochenende in Friolzheim auch die großen Leistungen des Reformators. Luther sei ein „Glaubensriese“ gewesen. Er habe Bekennermut bewiesen und voller Hingabe für Gott gelebt. Auf diesem Fundament wollen die Christen als junge Generation aufbauen. Nicht, indem man in seine Fußstapfen trete, denn diese seien viel zu groß. Vielmehr gelte es, auf die Schultern des Riesen zu klettern, denn „auf seinen Schultern stellen wir fest, dass es etwas gibt, was der Riese trotz seiner Größe nicht sah – das ist das Thema Israel“.
Deutschlandweites Netzwerk geplant
Die Geschichte von ReformaZION begann vor zwei Jahren. Trotz zahlreicher Israelwerke in Deutschland habe noch etwas gefehlt. Hezel störte sich vor allem an den starren Strukturen der vielen Organisationen. Für ihn war klar, dass es eine vernetzt denkende Bewegung junger Christen brauche, die auch dezentral funktionieren könne. Deswegen bilden verschiedene Regionalgruppen bisher unter anderem in Hamburg, Stuttgart und Berlin den Kern der Bewegung. So sei man in den jeweiligen Städten präsent und könne gezielt auf örtliche Begebenheiten eingehen. Während sich ReformaZION als überregionale Gesamtbewegung maximal zweimal im Jahr trifft, kommen die kleineren Gruppen in regelmäßigen Abständen, meist für einen Abend, zusammen. Bei diesen Treffen geht es darum, sich mit anderen Christen zu vernetzen und untereinander im Gespräch zu bleiben. Ziel ist es, das Anliegen von ReformaZION vor Ort bekanntzumachen und ein Deutschland umspannendes Netzwerk zu bilden.
Eingeladen sei jeder, der mehr über Gottes Verheißungen für das jüdische Volk erfahren wolle und zwischen 18 und 35 Jahre alt sei, beziehungsweise sich so fühle, erzählt Hezel mit einem Zwinkern. Wichtiger als öffentlichkeitswirksame Aktionen sei, dass junge Christen den biblischen Auftrag erkennen, an der Seite des jüdischen Volkes zu stehen.
Die elf Thesen sind laut Hezel kein Manifest. Vielmehr stellten sie einen „provokanten Startpunkt“ dar, der junge Christen veranlassen soll, sich wieder intensiv mit der Bibel zu beschäftigen. „Denn wenn du zu diesem Zeitpunkt wirklich schweigst, so wird Befreiung und Rettung für die Juden von einem anderen Ort her erstehen. Du aber und das Haus deines Vaters, ihr werdet umkommen.“ Diese Zeilen aus der Esther-Erzählung (Esther 4,14) stehen für Hezel symptomatisch für ReformaZION und den Auftrag von Christen im Bezug zum jüdischen Volk. Die Bewegung wolle sich dafür einsetzen, auf Luthers „blinden Fleck“ hinzuweisen und diesen mit „guter Lehre“ zu füllen. Dabei gehe es nicht um Judenmission, betont Hezel. Vielmehr sollen Christen mit einer „guten Israel-Theologie“ gerüstet werden. Diese stelle sich entschieden gegen die Ersatztheologie der letzten Jahrhunderte. Dem biblischen Aufruf Mordechais an Esther möchte nun auch ReformaZION nachkommen, indem Christen zurück zur Wurzel, zur Wahrheit und zum Wort finden.
Von: Martin Schlorke
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