FRANKFURT/MAIN (inn) – Der Bürgermeister und Stadtkämmerer von Frankfurt am Main, Uwe Becker, hat auf dem 5. Deutschen Israelkongress eine Auszeichnung erhalten. Die Veranstalter ehrten ihn am Sonntag für seinen Einsatz zur Förderung der deutsch-israelischen Beziehungen und der deutsch-israelischen Städtepartnerschaften.
Die Laudatio auf den CDU-Politiker hielt der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Jeremy Issacharoff. Er lobte Beckers Eintreten und seine Leidenschaft für Israel. Er sei eine Inspiration für andere. Als Beispiel zitierte der Diplomat eine frühere Äußerung des Bürgermeisters: „Israel ist der demokratische Brückenkopf zwischen Okzident und Orient.“ Die anti-israelische Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) habe er als „Antisemitismus in anderer Form“ gebrandmarkt und in Frankfurt einen offiziellen Tag der deutsch-israelischen Freundschaft eingeführt. Dieses Beispiel sollten alle Städte nachahmen. Bei Becker folgten auf Worte auch Taten, betonte Issacharoff.
Der Geehrte sagte, er erhalte die Auszeichnung für etwas, das er persönlich für eine Selbstverständlichkeit halte: das Anliegen, sich für andere Menschen einzusetzen. Vor 14 Jahren habe er zum ersten Mal israelischen Boden betreten – und sich in Land und Menschen verliebt. Seine Begeisterung sei im Laufe der Jahre gewachsen. Gleichzeitig sei er stetig „konfrontiert mit dem Bild Israels in den übrigen Teilen der Welt und in Europa“. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Sicherheit Israels als „Staatsräson“ spreche, müssten dem auch Taten folgen. Eine Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt sei selbstverständlich.
Deutschland dürfe auch nicht zulassen, dass Israel immer wieder angegriffen werde, fügte Becker hinzu. Vor wenigen Tagen hätten Palästinenser vom Gazastreifen aus in kurzer Zeit mehr als 400 Raketen auf Südisrael abgefeuert. Israel halte sich zurück – im Gegensatz dazu würde die Bevölkerung in Deutschland „keine zwei Raketen abwarten“, bevor sie die Regierung um Schutz bittet. Der Politiker erwähnte auch die finanzielle Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA): Diese komme nicht den Familien der Opfer zugute, sondern denen der Täter. Die Bundesregierung müsse die Gelder zumindest einfrieren, bis die Hamas die „grauenhaften Eingriffe“ einstelle. Becker betonte wie bereits bei der Eröffnung der Konferenz in Frankfurt, Israel sei der einzige demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten.
Koexistenz: Lehrbücher im Visier
Eine große Freundin Israels ist Regine Sixt. Die nach ihr benannte Kinderhilfe-Stiftung unterstützt seit Jahren Projekte im jüdischen Staat. Beim Kongress erzählte sie, wie sie einst mit ihrem Ehemann in einem Flugzeug nach Rom saß, das weiter nach Tel Aviv fliegen sollte. Spontan entschlossen sie sich, Israel zu besuchen – und waren begeistert. Sie sprach von „meinem geliebten Jerusalem“. Den Erfindergeist bewundere sie: „Israel ist für mich wie ein Labor, wie ein Reagenzglas, wo täglich Neues erfunden wird.“
In einer Diskussionsrunde des Israelkongresses ging es um Koexistenz. Der palästinensische Professor Mohammed Dadschani sprach sich dafür aus, den von den Großeltern geerbten Konflikt nicht an die Enkel zu vererben. Die palästinensischen Lehrbücher bezeichnete er als „schlecht“. Darin werde Religion dazu missbraucht, gegen Juden und sogar gegen Christen zu hetzen. Dadschani hatte 2014 palästinensische Studenten nach Auschwitz gebracht und daraufhin seine Professur an der Al-Quds-Universität in Jerusalem verloren.
Marcus Scheff leitet das „Institut für die Überwachung des Friedens und der kulturellen Toleranz bei der Schulbildung“ (IMPACT-SE) in Jerusalem. Er verwies auf die Macht von Lehrbüchern, junge Leute zu radikalisieren: Normalerweise müssten Grundschüler im Mathematikunterricht Äpfel zusammenzählen. In palästinensischen Schulbüchern gehe es bei solchen Rechenaufgaben jedoch um die „Märtyrer“ der 1. und der 2. „Intifada“. Mit Lehrbüchern beschäftigt sich auch der Direktor des „Internationalen Instituts für Bildung und Forschung zum Holocaust“ (IIBSA), Kim Robin Stoller. Er referierte über die jüngste Entwicklung in Marokko, wo das jüdische Erbe nun in der Verfassung verankert sei. Dadurch sei die Frage aufgekommen, wohin die vielen – vor allem nach Israel ausgewanderten – Juden verschwunden seien. Dies erleichtere den Kampf gegen Antisemitismus.
Der deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansur erzählte, er sei in der Kindheit an einer arabischen Schule in Israel von einem Narrativ gegen Juden geprägt worden. Doch als im Golfkrieg 1991 Nachbarn auf den Dächern tanzten, während er mit seiner Familie im Schutzraum saß, fragte er sich: „Warum haben sie mehr Hass als Angst?“ In Deutschland arbeitet er viel unter muslimischen Jugendlichen, die mitunter von Judenhass geprägt seien. Hier müssten Eltern und Schulen in die Verantwortung gezogen werden. Muslimische Communities gingen dagegen vor. Doch keiner gehe in die Moschee und fordere eine Umdeutung der Koran-Passagen über Juden.
Miss Irak: Anerzogenen Hass gegen Israel überwunden
Ein Gast der Konferenz verkörpert in besonderer Weise, wie Koexistenz unter schwierigen Umständen gelebt werden kann: Sarah Idan. Als Miss Irak veröffentlichte sie ein gemeinsames Foto mit ihrer israelischen Kollegin Adar Gandelsman. Daraufhin verlor sie den Titel, und ihre Familie musste den Irak verlassen. Die erste jüdische „Miss Internet Germany“, Tamar Morali, hieß die junge Irakerin in Frankfurt willkommen. Sie selbst sei stolz darauf, dass sie ihre jüdische Identität in arabischen Medien habe zeigen können – denn ihr Bild sei nach der Wahl weltweit erschienen. Jetzt ermutige sie junge Menschen mit der Botschaft, dass jeder etwas bewirken könne.
Idan erzählte, wie in ihrem Land Kinder ab der ersten Klasse zum Hass gegen Israel und die USA erzogen worden seien. Nach dem Sturz von Saddam Hussein, im Alter von 14 Jahren, begegnete sie zum ersten Mal einem amerikanischen Soldaten. Sie zitierte Koranverse, die für die letzten Minuten vor dem Tod bestimmt sind. Denn sie rechnete damit, erschossen zu werden. Doch der Soldat gab ihr stattdessen eine Blume. Dieses Erlebnis führte dazu, dass Sarah Idan alles hinterfragte, was sie bis dahin gelernt hatte. Sie lebt mittlerweile in den USA. Ihr wurde schon vorgeworfen, für die israelische Regierung zu arbeiten. Das hindert sie allerdings nicht daran, weiter zu ihren Überzeugungen zu stehen.
Kurden sehen Israel als Vorbild
Eine Volksgruppe, die unter anderem im Irak lebt, ist ungewöhnlich gut auf Israel zu sprechen: die Kurden. Sie sehen den jüdischen Staat als Vorbild für eine mögliche Eigenstaatlichkeit. Auf dem Kongress gab es eine Diskussionsrunde zu diesen Beziehungen. Der Knessetabgeordnete Mossi Ras (Meretz) brachte den Interessierten seine Familiengeschichte nahe: Die vier Großeltern kamen während der britischen Mandatszeit aus kurdischen Gebieten nach Palästina. Er äußerte die Hoffnung, dass bald ein kurdischer Staat gegründet werden könne.
Roi Dvir leitet im israelischen Außenministerium die Abteilung, die für die Beziehungen mit Kurden zuständig ist. Er teilte mit, dass es bereits mehrere Kurse für kurdische Mediziner gegeben habe. Eine neue Webseite für Telemedizin biete Kurden die Möglichkeit, Fragen zu Diabetes zu stellen. Arabische Ärzte in Israel würden dann antworten. Der Präsident der Jüdischen Koalition für Kurdistan, Joel Rubinstein, merkte an: Beim kurdischen Referendum seien in europäischen Städten stolz israelische Flaggen geschwenkt worden. Hingegen würden sonst solche Flaggen in Europa verbrannt.
Bakir Laschkari von der „Intellektuellen Israel-Lobby-Gesellschaft für Diaspora und Kurdistan“ lebt in den Niederlanden, fühlt sich aber als stolzer Kurde. Er widersprach dem kurdischen Sprichwort: „Der einzige Freund, den wir haben, sind die Berge.“ Auch die Juden seien Freunde der Kurden. Der jesidische Schriftsteller Mirza Dinnayi, der die „Luftbrücke Irak“ leitet, sagte, normale Bürger im Irak seien für eine irakisch-israelische Freundschaft. Das gelte selbst für diejenigen, die islamische Gruppen unterstützten.
Saudischer Forscher: Bedroht wegen Beziehung zu Israel
In der Veranstaltung wurde deutlich, dass es mehrere Parallelen zwischen Juden und Kurden gibt: Beide seien Minderheiten innerhalb einer größeren arabischen Region. Viele Juden und viele Kurden lebten im Exil. Hinzu komme eine Geschichte des Leidens. Nach Angaben des Abgeordneten Ras erhalten die Kurden in Israel eine breite Unterstützung vom linken bis zum rechten Spektrum.
Doch es kann auch negative Folgen haben, wenn Menschen aus der islamischen oder arabischen Welt in Kontakt mit Israel treten. Auf dem Kongress war eine Videokonferenz mit dem saudischen Wissenschaftler Abdelhamid Hakim geplant. Er arbeitet in Saudi-Arabien am Nahostzentrum für strategische und rechtliche Studien. In einem Grußwort im Kongressprogramm hatte er geschrieben, Jerusalem sei nie die Hauptstadt einer islamischen Gemeinschaft gewesen. „Diese Wahrheit beweisen die Bücher der monotheistischen Religionen und die Historie dieses Ortes.“ Das geplante Gespräch kam jedoch nicht zustande. Den Grund teilte Hakim der Kongressleitung mit: Er sei es zwar mittlerweile gewohnt, wegen seiner Haltung angefeindet zu werden. Doch nun werde auch noch seine Familie bedroht.
BDS bekämpfen
Mit Boykottbestrebungen gegen Israel befasste sich eine Diskussionsrunde, an der unter anderen die junge Christin Cloé Valdary aus den USA teilnahm. Sie setzt sich seit einigen Jahren mit der Frage auseinander, wie man in anderen Liebe für Israel wecken kann. Dabei versuche sie, bei dem anzudocken, was junge Leute mögen, sagte sie auf dem Kongress. Sie wolle etwa anderen vermitteln, dass sie sich bei Kritik an der israelischen Regierung zuallererst in die Sicht der Israelis hineinversetzen sollten und nicht in die der Palästinenser.
Der stellvertretende Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, Noam Katz, wies auf eine Umfrage in der arabischen Welt hin. Demnach meinen 30 bis 50 Prozent der Teilnehmer, sie würden von Beziehungen mit Israel profitieren. Doch Kontakte zu diesen Menschen seien nur über soziale Medien möglich. Seit drei Jahren hat Israel einen Arbeitsstab, der Versuchen der Delegitimierung entgegentreten soll. Der Leiter dieser Abteilung, Zachi Gavrieli, sagte, es gehe um einen „Krieg der Informationen“. BDS arbeite mit starken Symbolen und bekannten Menschen.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, ein israelbezogener Antisemitismus sei „die größte Herausforderung im Kampf gegen Antisemitismus“. BDS bereite ihm große Sorge: Viele Vertreter kämen vermeintlich freundlich daher als solche, die sich für die Rechte der Schwachen einsetzten. Doch man müsse klare Kante zeigen, denn BDS sei „hochaggressiv“ und habe letztlich „das Ende des Staates Israel“ zum Ziel.
Der Deutsche Israelkongress wurde zum ersten Mal 2010 in Frankfurt abgehalten. Veranstalter ist der Verein „I Like Israel“.
Von: Elisabeth Hausen