„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“ So steht es in Vers 105 des 119. Psalmes. Viele Aussagen in der Hebräischen Bibel würdigen in solcher und ähnlicher Weise Gottes Wort. Juden bekunden ihre Freude über dieses Geschenk vor allem am Fest Simchat Tora, das direkt im Anschluss an das Laubhüttenfest Sukkot gefeiert wird. In Israel beginnt es in diesem Jahr am Abend des 30. September.
Das Fest, das in der Bibel nicht vorkommt, ist geprägt von Ausgelassenheit und gilt als Inbegriff freudiger Festlichkeit. Nicht nur die Tora bietet einen Grund für Freude und Dankbarkeit. Auch die Vergebung der Sünden am großen Versöhnungstag Jom Kippur, der erst wenige Tage zurückliegt, ist Anlass zum fröhlichen Feiern.
Der hebräische Name bedeutet „Freude über die Tora“. Obwohl er in der talmudischen Zeit unbekannt war, sei doch festgesetzt worden, an diesem Tag den letzten Abschnitt der Tora, 5. Mose 33–34 zu lesen. „Aus dieser Praxis erwuchs langsam eine neue Tradition eines Freudenfestes, das das Ende eines Torazyklus charakterisiert“, heißt es auf der Webseite der Orthodoxen Rabbinerkonferenz in Deutschland.
Direkt im Anschluss an den letzten Wochenabschnitt wird in der Synagoge der Beginn des Ersten Buches Mose (1,1–6,8) vorgetragen. Die Segenssprüche über die Tora dürfen ausnahmsweise auch Kinder sprechen, die noch nicht die Bar Mitzva gefeiert haben, also noch nicht religionsmündig sind. Nur an Simchat Tora werden zwei Männer zur Tora-Lesung aufgerufen. Sie werden „Chatan Tora“ (Bräutigam der Tora) und „Chatan Bereschit“ (Bräutigam des Anfangs) genannt. Wegen der besonderen Ehre ist es üblich, dass sie ein festliches Mahl spendieren.
Inspiration durch König Salomo
Dass auf die letzten Kapitel der Tora direkt die Schöpfungsgeschichte folgt, hat in der jüdischen Überlieferung unterschiedliche Erklärungen. Eine lautet, dass das Studium der Tora niemals unterbrochen werden soll. Zudem soll dieser Brauch den Satan davon abhalten, Israel zu beschuldigen, es freue sich über die Beendigung der Tora-Lesung und wolle damit nicht wieder von vorn beginnen.
Eine Grundlage der Feierlichkeiten findet sich in einer jüdischen Bibelauslegung (Midrasch). Diese beschreibt, wie König Salomo ein Fest feierte, nachdem Gott ihm seine Weisheit verliehen hatte. Zitiert wird ein Rabbi namens Eleasar: „Daher leiten wir ab, eine Feier zu veranstalten, um den Abschluss der Tora zu kennzeichnen, denn Gott sagte zu Salomo: ‚Ich gab dir ein weises und verständiges Herz wie niemandem vor oder nach dir.‘ Er gab sofort ein Fest für alle seine Diener, um dieses Ereignis zu feiern. So ist es nur passend, zu feiern, wenn die Toralesungen abgeschlossen werden.“
Im Gegensatz zu Simchat Tora kommt das Abschlussfest von Sukkot, „Schemini Atzeret“, bereits in der Bibel vor. Dazu heißt es in 3. Mose 23,36: „Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Dienstarbeit sollt ihr tun.“ Wie der erste Tag von Sukkot ist es deshalb in Israel ein voller Feiertag. Simchat Tora ist erst seit dem Mittelalter bekannt, vor dem Jahr 1000 ist es nicht nachweisbar. In Israel fallen die beiden Feste auf einen Tag. In der Diaspora feiern Juden sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, also in diesem Jahr am 1. und am 2. Oktober.
Fröhliche Prozessionen
Seit dem 16. Jahrhundert gehören zu Simchat Tora die sogenannten „Hakkafot“ – Prozessionen mit den Torarollen in der Synagoge. In Jerusalem gibt es traditionell einen Umzug zur Klagemauer. Juden tanzen mit den kostbaren Schriftrollen und singen vor Freude über die Güte Gottes, der sich ihnen in seinem Wort offenbart hat. Die Umzüge finden sowohl nach dem Abendgebet als auch im Morgengottesdienst statt. Siebenmal wird das Rednerpult der Synagoge (Bima) umkreist. Eine Vorlage hierfür gibt es in der Bibel: Vor der Eroberung Jerichos marschierten die Israeliten am siebenten Tag siebenmal um die Stadtmauer.
Von: Elisabeth Hausen