„Der Reiz des Ungewohnten, das Vergnügen, alltägliche Dinge auf eine neue, farbige Weise zu verrichten, macht das Laubhüttenfest zu einem sieben Tage langen Picknick, in dem sich tiefe symbolische Bedeutung mit viel Fröhlichkeit verbindet.“ Das schreibt der amerikanisch-jüdische Schriftsteller Herman Wouk in seinem Buch „Das ist mein Gott. Glaube und Leben der Juden“. Und in der Tat steht Freude im Mittelpunkt des Laubhüttenfestes Sukkot, das am 15. Tag des Monats Tischrei und damit nur fünf Tage nach dem von Ernst geprägten Versöhnungstag Jom Kippur beginnt. In diesem Jahr fällt der Auftakt auf den Abend des 23. September.
Das einwöchige Fest erinnert an die Zeit der Wüstenwanderung nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. In der Bibel heißt es dazu: „Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Laubhüttenfest für den HERRN, sieben Tage lang. Am ersten Tage soll eine heilige Versammlung sein; keine Dienstarbeit sollt ihr tun. Sieben Tage sollt ihr dem HERRN Feueropfer darbringen. Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Dienstarbeit sollt ihr tun.“ (3. Mose 23,34–36)
Juden bauen eine Laubhütte (Sukka), in der sie möglichst viel Zeit verbringen, in Israel mitunter sieben Tage. In kalten Gefilden reicht es aus, die Mahlzeiten in der Laubhütte einzunehmen – außer bei sehr ungemütlichem Wetter. Wer eine Reise unternimmt und keine Sukka zur Verfügung hat, ist von dieser Pflicht befreit. Frauen müssen nicht in der Laubhütte sitzen, dürfen aber ebenso wie Männer den entsprechenden Segensspruch sagen, wenn sie es doch tun: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, in der Laubhütte zu wohnen.“ Viele Lokale in Israel haben in dieser Zeit eine große Sukka, in der sie auf Wunsch ihre Gäste bedienen.
Wouk merkt zu dieser Tradition an: „Jedem Wetter ausgeliefert, leben die Juden wie ihre Vorfahren in den ersten vierzig Jahren ihrer Unabhängigkeit in der Wüste, bevor sie Kanaan eroberten.“ Wer eine Laubhütte baut, sollte bestimmte Regeln beachten: Sie muss mindestens drei Wände haben. Das Dach sollte aus Zweigen bestehen. In der Sukka soll mehr Schatten als Sonne sein, die Sterne müssen sichtbar sein. Viele Häuser in Israel haben versetzte Balkons, weil man eine Sukka nicht unter einem Dach errichten darf. Die Laubhütte wird oft mit Früchten und Bildern geschmückt.
Feststrauß mit verschiedenen Zweigen
Ein wichtiges Element des Festes sind die „Vier Arten“. Jeder Mann sollte einen Palmzweig (Lulaw), drei Myrtenzweige und zwei Bachweidenzweige zu einem Feststrauß zusammenbinden. Als vierte Art kommt der Etrog, eine Zitrusfrucht, hinzu. Jeden Tag außer am Schabbat sprechen Juden einen Segen darüber: „Gelobt seist Du Ewiger unser Gott, König der Welt, der uns geheiligt hat durch seine Gebote und uns geboten hat, den Feststrauß zu nehmen!“
Diese Anweisung ist ebenfalls dem 3. Buch Mose (23,40–41) entnommen: „Ihr sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor dem HERRN, eurem Gott, und sollt das Fest dem HERRN halten jährlich sieben Tage lang. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, dass sie im siebenten Monat so feiern.“
Die Festfreude ist also in der Bibel geboten. Sukkot ist neben dem Gedenken ein Dankesfest für die Obsternte und die Weinlese. Ein anderer Name lautet denn auch: „Fest des Einsammelns“. Dazu gebietet Gott in 3. Mose 23,39: „Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag.“
Gebet um Regen
Nach fünf regenarmen Wintern in Folge hoffen die Menschen in Israel für die kalte Jahreszeit auf Niederschläge. Eine weitere Bezeichnung für Sukkot ist „Fest des Wassers“. Nach jüdischer Überlieferung entscheidet Gott am letzten Tag des Laubhüttenfestes endgültig über die Regenmenge für das kommende Jahr. Bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels wurde ein Wassergussopfer dargebracht. Mit diesem Tag beginnen Juden, täglich um Regen zu beten. Den Sommer über bitten sie Gott entsprechend um Tau.
Die Tradition des Wassergussopfers greift Jesus auf, als er zum Laubhüttenfest den Jerusalemer Tempel besucht: „Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Johannes 7,37–29)
Die englischsprachige Webseite „aish.com“ ermuntert Juden, das Laubhüttenfest zu feiern. Sie nennt dafür fünf Gründe. Der erste ist die Möglichkeit, das Judentum mit allen fünf Sinnen zu erfahren: Die geschmückte Sukka biete einen schönen Anblick. Hinzu kämen die Gerüche der Etrog-Frucht und der Pflanzen, das Gefühl der Wärme der Sonne oder einer kühlen Brise, der Geschmack des Essens und die Klänge des Gesangs in der Laubhütte. Mit den beiden letzten Sinnen hängt der zweite Punkt zusammen: Die Sukka vereint Juden mit ihren Nachbarn und Freunden, weil sie sich gegenseitig besuchen.
Ferner wird betont, dass Sukkot eine Zeit der Freude ist. Jede vorbeiziehende Wolke und jeder Windhauch wirke sich auf das Wohlbefinden aus. Die Menschen könnten besser anerkennen, wie sie von Gott abhängen und wie gut es ihnen gehe. Der vierte Aspekt ist die unmittelbare Erfahrung der Natur. Juden könnten die Welt in einer ungewohnten und schönen Weise erfahren, wenn sie Zeit in der Laubhütte verbringen. Ein Brauch ist es zudem, biblische Figuren als symbolische Gäste in die Sukka „einzuladen“. Indem sie über Gestalten wie Abraham oder Mose sprechen, werde als fünfter Punkt die jüdische Kontinuität deutlich.
Ein großes Wallfahrtsfest
In der Zeit der beiden Jerusalemer Tempel war Sukkot nach Pessach und dem Wochenfest Schawuot das dritte große Wallfahrtsfest. Während der gesamten Festwoche fügen Juden das Hallel-Gebet, den großen Lobgesang, in das Morgengebet ein. In der Synagoge gibt es jeden Tag eine Prozession um das Rednerpult (Bima) mit dem Feststrauß und dem Etrog, am letzten Tag findet sie siebenmal statt.
Entsprechend der biblischen Weisung ist im jüdischen Staat Israel der erste Tag des Festes ein gesetzlicher Feiertag. Danach gibt es Halbfeiertage. Schüler haben Ferien, Läden sind kürzer geöffnet als an gewöhnlichen Werktagen.
Am achten Tag – in diesem Jahr am 30. September – ist das Abschlussfest Schemini Atzeret, das in Israel mit Simchat Tora, dem Fest der Freude über die Tora, zusammenfällt. Es ist ebenfalls ein staatlicher Feiertag. An diesem Tag endet die jährliche Tora-Lesung in der Synagoge mit den letzten Versen des fünften Buches Mose (5. Mose 33,1-34,12). Im direkten Anschluss daran wird der erste Wochenabschnitt (1. Mose 1,1-6,8) vorgelesen, weil das Tora-Studium nie unterbrochen werden soll. Juden in der Diaspora feiern die beiden Feste an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.
Von: Elisabeth Hausen