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Nachruf auf Israel Yaoz

Israel Yaoz ist am vergangenen Freitag verstorben. Mit seinem Tod ist nicht nur ein außergewöhnlicher Mensch von uns gegangen, es ist auch einer der letzten, die aus eigener Erfahrung vom Holocaust berichten konnten.
Israel Yaoz (1928–2018) war vielen Deutschen als exzellenter Reiseleiter bekannt

Israel Yaoz wurde 1928 als ältester von fünf Kindern in Deutschland geboren. Nach der Reichskristallnacht schickten ihn seine Eltern nach Holland, wo er bei einer jüdischen Familie Zuflucht für kurze Zeit fand. Am 16. März ist Israel Yaoz, den viele Freunde auch Is nannten, in Herzlia gestorben.

Seine Familie wurde in Konzentrationslagern ausgelöscht und er hat den Lageralltag in Bergen-Belsen am eigenen Leib erfahren. Gleichzeitig war er ein bewegendes Beispiel dafür, wie gelebte Vergebung aussehen kann. Nicht zuletzt als Leiter zahlloser Reisegruppen in Israel stand der gebürtige Gelsenkirchener mit unzähligen Deutschen in Kontakt. Zu vielen hatte er eine innige Herzensbeziehung, die er oft innerhalb kürzester Zeit aufbaute. Anderen war er über Jahrzehnte hinweg tief verbunden. Bei wohl allen, die Israel Yaoz gekannt haben, bleibt neben wertvollen Erinnerungen an Erlebnisse, Begegnungen und Gespräche vornehmlich eins: die große Dankbarkeit, diesen Menschen gekannt zu haben.

Ich kannte Israel nur flüchtig, unsere letzte Begegnung lag schon einige Jahre zurück. Immer schon wollte ich ihn besuchen, ich wusste, dass er ein interessanter Gesprächspartner wäre. Ende Februar hatte ich endlich einen konkreten Anlass, Kontakt aufzunehmen: Ich wollte ihn dazu befragen, wie er das Jahr 1948 und die Staatsgründung erlebt hatte.

Per SMS fragte ich, ob ich ihn für ein Interview besuchen könne. Sein Sohn Omri rief mich zurück: „Mein Vater ist zur Zeit nicht im Pflegeheim in Herzlia. Er ist gestürzt und musste operiert werden. Er liegt im Krankenhaus in Tel Aviv.“
Na gut, dann wird es eben kein Interview, sondern ein Krankenbesuch, dachte ich. Doch während unseres etwa zweieinhalbstündigen Gesprächs war Israel so klar, klug, witzig und charmant – wenn sein Körper nicht so schwach gewesen, die Geräte neben ihm nicht gepiept, die Schwestern nicht hereingekommen und die lärmenden Besucher am Bett des Mitpatienten nicht gewesen wären – ich hätte nicht gefühlt, dass wir unser Gespräch im Krankenhaus führen.

Ihm war wichtig, zu betonen: „Wenn du heute ein Interview mit allen Holocaustüberlebenden führen würdest, würden zu drei Themen alle das gleiche sagen: Erstens: Ich habe nicht einmal Glück gehabt, sondern fünf, sechs oder sieben Mal. Wäre ich nur einmal durch die Maschen des Netzes gefallen, hätte es nicht genügt und ich hätte nicht überlebt. Zweitens: In einer halben Stunde kann ich meine Geschichte erzählen, aber die Dimension der Zeit kann ich nicht übersetzen. Drittens: Ich habe Schuldgefühle den anderen gegenüber. Und deshalb stellt sich jedem Überlebenden die Frage: Warum habe ausgerechnet ich überlebt?“

Dass seine Kräfte innerhalb weniger Tage nachlassen würden, war am 25. Februar noch nicht abzusehen. In der Zeit im Krankenhaus und seiner Zeit im Beit Juliana, seinem Pflegeheim in Herzlia, waren unter den Besuchern auch einige Deutsche. Omri sagte mir wenige Tage nach meinem Besuch am Telefon: „Du warst eine der letzten Personen, die ihn gesehen haben, als er klar war.“ Im Nachhinein kommt mir das Gespräch mit Israel wie ein Vermächtnis vor.

Bei seiner Beerdigung am 18. März auf dem neuen Stadtfriedhof in Herzlia legten neben der Familie, langjährigen Wegbegleitern, Freunden aus Israel und den Niederlanden auch einige Deutsche einen Stein auf Israels Grabstätte. Sie taten es auch stellvertretend für viele Menschen, die nicht anwesend sein konnten.

Die Art, wie sich Israel von mir im Krankenhaus verabschiedete, begreife ich als unverdienten Gnadenbeweis Gottes: Unser Gespräch erfolgte überwiegend auf Hebräisch, doch als ich aufbrechen wollte, sagte der Mann, der zu Kriegsbeginn von den Deutschen gezwungen war, sein Heimatland zu verlassen – der Mann, dessen Familie von den Nazis ausgelöscht wurde, sagte mir, einer Deutschen, die nur vier Jahrzehnte nach Kriegsende geboren ist, langsam, auf Deutsch, in unserer beider Muttersprache: „Schön, dass es dich gibt.“ Ich antwortete: „So Gott will, auf Wiedersehen im Beit Juliana!“ Er lächelte und sagte: „Im Deutschen sagt man auf Wiedersehen. Im Hebräischen sagen wir Neschikot, Küsschen.“ Und hauchte mir einen Luftkuss zu.

Von: Merle Hofer

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