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Mit der Zukunft in die Vergangenheit

Moderne Technik stellt Museen vor große Herausforderungen. In Zusammenarbeit mit Entwicklern sollen dem Besucher neue Zugänge ermöglicht werden. Die Davidszitadelle hat Mitte Oktober den Grundstein für ein Innovationslabor gelegt.
Tom, Nizan und Ori stellen ihre App vor, mit deren Hilfe Besucher eine Zeitreise durch die Altstadt antreten können

JERUSALEM (inn) – „Früher musste man ins Museum gehen, um etwas über die Vergangenheit zu lernen, heute findet man alles im Telefon. Was also ist die Aufgabe eines Museums im 21. Jahrhundert?“ Caroline Schapiro, Öffentlichkeitsreferentin der Jerusalemer Davidszitadelle, ist überzeugt: „Heute muss ein Museum es schaffen, die Besucher in die Informationsgewinnung mit einzubinden. Es muss Informationen vermitteln, die an Erfahrungen geknüpft sind“.

Eilat Lieber, Direktorin und Chefkuratorin der Davidszitadelle, erinnert sich an ihre Schulzeit: „Als ich 16 war, fand ich Geschichte langweilig und habe mich gefragt, warum wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen müssen. Erst als ich nach Jerusalem kam, habe ich verstanden, dass Geschichte bunt und lebendig ist. Doch wie schaffen wir es, diese Erkenntnis der jungen Generation zu vermitteln, wenn viele Ausstellungsstücke wie Münzen, Keramik oder Kleidung für die Öffentlichkeit gar nicht zugänglich sind, weil sie geschützt werden müssen?“

Es ist ein globales Problem, mit dem nicht nur die Davidszitadelle zu kämpfen hat, doch Lieber ist überzeugt: „Dieser Ort ist perfekt dazu geeignet, Steine zum Sprechen zu bringen. Wir wollen unseren Besuchern helfen, sich Wissen anzueignen, indem sie modernste Technologie nutzen. Unser Museum bietet so viele Informationen, die nur darauf warten, dass die Technologie sie zu den Menschen bringt.“

Unterschiedliche Fachbereiche arbeiten zusammen

Anfang Januar wird deshalb ein Innovationslabor eröffnet, das sowohl Historiker, Archäologen und Designer als auch Pädagogen und Technologen zusammenbringt. Gemeinsam sollen sie Wege entwickeln, Interessierten die Geschichte lebendig vor Augen zu führen. Über dem Projekt steht der Leitsatz „Wenn diese Steine sprechen könnten …!“ Hauptschlagworte der angewandten Technologien sind die englischen Begriffe AR, VR und MR: Erweiterte, virtuelle und gemischte Wirklichkeit. Bei allen Konzepten geht es darum, die Realitätswahrnehmung mithilfe von computererzeugten Erweiterungen zu ergänzen.

Die Davidszitadelle ließ König Herodes um 24 vor Christus auf dem westlichen Hügel Jerusalems als Festung errichten. Das Labor ist im einzigen erhaltenen der drei Verteidigungstürme verortet, den König Herodes nach seinem älteren Bruder Phasael benannt hatte. Die geschichtsträchtigen Mauern sollen als Inspiration dienen und die Kreativität der Forscher und Technikliebhaber fördern.

Leiterin des Innovationslabors ist Debora Mason. Sie kommt aus dem Hightech-Bereich: „85 Prozent der Stadtbevölkerung hatten noch nie die Möglichkeit, AR- und VR-Technologie zu nutzen“. Mason ist davon überzeugt, dass das Museum ein entscheidender Teil des AR- und VR-Markt werden wird, das Touristen ein abwechslungsreiches Programm bietet. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass Besucher jeden Tag ein anderes Angebot bekommen: „Das Museum selbst soll wie das Labor zum Ausprobieren dienen. Firmen sollen hier ihre Produkte entwickeln und an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen.“

Reise in die Vergangenheit

Eine Firma, die an der Entwicklung beteiligt ist, ist MARstorytelling. Einer der drei Gründer stellt sich vor: „Hi, ich bin Tom vom Mars. Unser Projekt heißt ‚Jerusalem erwacht‘ und führt durch die Straßen der Altstadt, wo historische Personen und Gebäude um den Zuschauer herum lebendig werden. Die App, die von dem jeweiligen Handy aus gesteuert wird, ermöglicht dem Besucher eine Art ‚Zeitreise‘ durch historische Schlüsselmomente, die die Welt beeinflussten.“ Ohne die Inhalte abzuspielen, beträgt die reine Wegezeit für die etwa anderthalb Kilometer 18 Minuten. Die drei Firmengründer kommen aus der Unterhaltungsindustrie und haben bereits als Filmproduzenten und Regisseure gearbeitet. Dem Besucher soll ermöglicht werden, mit dem Handy an einzelnen Stationen der Altstadt Halt zu machen und den Geschichten zu folgen, die in der Geschichte von Bedeutung waren.

Andere Firmen wenden weitere Techniken an. Manche setzen auf Haptik und legen dem Kunden eine Weste an, die entsprechend der visuellen Reize am Körper mitschwingt. Andere setzen die HoloLens von Microsoft ein, die vor dem Auge des Besuchers ganz neue Welten entstehen lässt. Wieder andere setzen 3D-Brillen ein oder geben dem Besucher einen Joystick in die Hand, mit dem er die erweiterte Realität um sich herum steuern kann.

Die Davidszitadelle verzeichnet etwa 400.000 Besucher jährlich. Das Innovationslabor soll weitere bringen. Auch weil es weltweit nur eine Handvoll Museen gibt, die solche Labore beherbergen, ist Lieber überzeugt, dass es keinen besseren Platz als Jerusalem für das neue Projekt gibt: „Die Davidszitadelle ist ein einzigartiger Ort. In ganz Jerusalem werden Teile der Geschichte der Stadt erzählt, doch nur hier findet man die ganze Geschichte Jerusalems auf einen Ort konzentriert.“

Von: mh

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