Direkt auf die zehn „furchtgebietenden Tage“ der Buße, mit denen das jüdische Jahr beginnt, folgt ab dem 15. Tag des Monats Tischrei das Laubhüttenfest. Es trägt die hebräische Bezeichnung „Sukkot“ (Hütten) und erinnert an die Zeit der Wüstenwanderung, während der die Israeliten in provisorischen Unterkünften lebten. Im Mittelpunkt des Festes steht die Freude. Die Verbindung zeigt, dass sich im Judentum Gottesfurcht und Freude ergänzen.
In diesem Jahr beginnt das einwöchige Fest am Abend des 4. Oktober. Juden bauen eine Laubhütte, in der sie möglichst viel Zeit verbringen, in Israel mitunter sieben Tage. In kalten Gefilden reicht es aus, die Mahlzeiten in der Laubhütte einzunehmen – außer bei sehr ungemütlichem Wetter. Wer eine Reise unternimmt und keine Sukka zur Verfügung hat, ist von dieser Pflicht befreit. Frauen müssen nicht in der Laubhütte sitzen, dürfen aber ebenso wie Männer den entsprechenden Segensspruch sagen, wenn sie es doch tun: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, in der Laubhütte zu wohnen.“ Viele Lokale in Israel haben in dieser Zeit eine große Sukka, in der sie auf Wunsch ihre Gäste bedienen.
Wer eine Laubhütte baut, sollte bestimmte Regeln beachten: Sie muss mindestens drei Wände haben. Das Dach sollte aus Zweigen bestehen. In der Sukka soll mehr Schatten als Sonne sein, die Sterne müssen sichtbar sein. Viele Häuser in Israel haben versetzte Balkons, weil man eine Sukka nicht unter einem Dach errichten darf. Die Laubhütte wird oft mit Früchten und Bildern geschmückt. Der erste Tag von Sukkot ist in Israel ein gesetzlicher Feiertag. Darauf folgen Halbfeiertage. Schüler haben Ferien, Läden sind kürzer geöffnet als an gewöhnlichen Werktagen. Menschen besuchen sich gegenseitig in der Laubhütte.
In der Bibel heißt es zu Sukkot: „Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Laubhüttenfest für den HERRN, sieben Tage lang. Am ersten Tage soll eine heilige Versammlung sein; keine Dienstarbeit sollt ihr tun. Sieben Tage sollt ihr dem HERRN Feueropfer darbringen. Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Dienstarbeit sollt ihr tun.“ (3. Mose 23,34–36)
Dank für Obst und Wein
Ein anderer Name für Sukkot lautet: „Fest des Einsammelns“. Es kennzeichnet das Ende der Obsternte und der Weinlese, für die Juden Gott danken. Dazu gebietet Gott in 3. Mose 23,39: „Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag.“
Ein wichtiges Element des Festes sind die „Vier Arten“. Jeder Mann sollte einen Palmzweig (Lulaw), drei Myrtenzweige und zwei Bachweidenzweige zu einem Feststrauß zusammenbinden. Als vierte Art kommt der Etrog, eine Zitrusfrucht, hinzu. Jeden Tag außer am Schabbat sprechen Juden einen Segen darüber: „Gelobt seist Du Ewiger unser Gott, König der Welt, der uns geheiligt hat durch seine Gebote und uns geboten hat, den Feststrauß zu nehmen!“
Diese Anweisung ist ebenfalls dem 3. Buch Mose (40–41) entnommen: „Ihr sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor dem HERRN, eurem Gott, und sollt das Fest dem HERRN halten jährlich sieben Tage lang. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, dass sie im siebenten Monat so feiern.“
Gebet um Regen beginnt wieder
Ein weiterer Aspekt zeigt sich in der Bezeichnung „Fest des Wassers“. Nach jüdischer Überlieferung entscheidet Gott am letzten Tag von Sukkot endgültig über die Regenmenge für das kommende Jahr. Bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels wurde ein Wassergussopfer dargebracht. Mit diesem Tag beginnen Juden, täglich um Regen zu beten. Den Sommer über bitten sie Gott entsprechend um Tau.
Die Tradition des Wassergussopfers greift Jesus auf, als er zum Laubhüttenfest den Jerusalemer Tempel besucht: „Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Johannes 7,37–29)
Die linksliberale israelische Tageszeitung „Ha’aretz“ merkt an, das Laubhüttenfest sei bedeutsam für die heutige Generation, die zum größten Teil abgeschnitten von der Natur lebe. Weiter heißt es in dem Artikel: „Sukkot erinnert uns auch an die letztgültige Gleichheit von Reich und Arm. Es regnet auf die Suppe eines jeden; die Sukka eines jeden ist zerbrechlich und vorübergehend, und offen für Winde und Stürme.“
Prozession in der Synagoge
In der Zeit der beiden Jerusalemer Tempel war Sukkot nach Pessach und dem Wochenfest Schawuot das dritte große Wallfahrtsfest. Während der gesamten Festwoche fügen Juden das Hallel-Gebet, den großen Lobgesang, in das Morgengebet ein. In der Synagoge gibt es jeden Tag eine Prozession um das Rednerpult (Bima) mit dem Feststrauß und dem Etrog, am letzten Tag findet sie siebenmal statt.
Am achten Tag – in diesem Jahr am 12. Oktober – ist das Abschlussfest Schemini Atzeret, das in Israel mit Simchat Torah, dem Fest der Freude über die Torah, zusammenfällt. Es ist ebenfalls ein staatlicher Feiertag. An diesem Tag endet die jährliche Torah-Lesung in der Synagoge mit den letzten Versen des fünften Buches Mose (5. Mose 33,1-34,12). Im direkten Anschluss daran wird der erste Wochenabschnitt (1. Mose 1,1-6,8) vorgelesen, weil das Torah-Studium nie unterbrochen werden soll. Juden in der Diaspora feiern die beiden Feste an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.
Von: Elisabeth Hausen