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Gedenktag: Eichmanns Gnadengesuch veröffentlicht

JERUSALEM / BERLIN (inn) – Erstmals macht Israel das Gnadengesuch des NS-Verbrechers Adolf Eichmann zugänglich. Der israelische Premierminister fordert zum internationalen Holocaustgedenktag Widerstand gegen den zunehmenden Antisemitismus.
An dem verkündeten Todesurteil änderte sich auch durch das Gnadengesuch von Eichmann (im Glaskasten) nichts mehr
Vor 55 Jahren hielten die Entführung von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann und der darauf folgende Prozess gegen ihn Israel in Atem. Vor kurzem ist in den Archiven des Präsidialamtes das Gnadengesuch des deutschen NS-Verbrechers aufgetaucht – handschriftlich und abgetippt. Der deutsche Brief trägt das Datum des 29. Mai 1962. Der damalige israelische Staatspräsident Jitzhak Ben Zvi lehnte das Gesuch ab, Eichmann wurde am 31. Mai gehängt. Das Urteil bezog sich nicht auf den Mord an bestimmten Juden, sondern auf seine Schlüsselrolle beim Genozid am jüdischen Volk. In dem Gesuch beteuerte der NS-Verbrecher wie bereits im Verlaufe des Prozesses, er sei keine derart hochgestellte Persönlichkeit gewesen, „dass ich die Verfolgung der Juden selbstständig hätte betreiben können“. Weiter heißt es: „Ich erkläre nochmals, wie bereits vor Gericht geschehen: Ich verabscheue die an den Juden begangenen Greuel als größtes Verbrechen und halte es für gerecht, dass die Urheber solcher Greuel jetzt und in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden.“ Die Ehefrau Vera Eichmann und die Geschwister hatten seinerzeit in kurzen Briefen ebenfalls um Gnade gebeten. Hinzu kommen das Schreiben des Kölner Verteidigers sowie die Ablehnung von Ben Zvi auf Hebräisch. Das Präsidialamt präsentierte die Dokumente in einer Veranstaltung zum internationalen Holocaustgedenktag. Diesen begehen die Vereinten Nationen seit 2005 am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, dem 27. Januar.

Netanjahu kritisiert UNO und Europa

Zu diesem Anlass hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ein Grußwort verfasst, in dem er auf den aktuellen Antisemitismus hinweist: „Leider werden in Europa und anderswo Juden einmal mehr ins Visier genommen, nur weil sie Juden sind“, schreibt der „Likud“-Vorsitzende laut einer Mitteilung des Außenministeriums. „In aller Welt leben jüdische Gemeinschaften immer mehr in Furcht. Wir sehen Antisemitismus, der sich gegen einzelne Juden richtet, und wir sehen auch, dass sich dieser Hass gegen den kollektiven Juden richtet, gegen den jüdischen Staat.“ Der Regierungschef kritisiert den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen: „Die Besessenheit mit den Juden – die Fixierung auf den jüdischen Staat – trotzt jeder rationalen Erklärung. Während in der gesamten Region islamistische Kämpfer ganze Bevölkerungen brutal behandeln, Frauen versklaven und vergewaltigen, Christen und Homosexuelle ermorden, verurteilt der UN-Menschenrechtsrat wiederholt Israel. Öfter als Nordkorea. Öfter als den Iran. Öfter als Syrien. Öfter als sie alle zusammen. Manche Dinge ändern sich nicht.“ Doch heute seien die Juden nicht mehr machtlos. Sie seien „ein unabhängiges und souveränes Volk in unserem eigenen Heimatland“. Sie könnten ihre Stimme gegen diejenigen erheben, die ihre Zerstörung anstrebten. „Aber wo ist Europa? Wo ist der Rest der Zivilisation?“, fragt Netanjahu. „Wenn ein Staat wie der Iran und Bewegungen wie IS und Hamas offen ihr Ziel erklären, einen weiteren Holocaust zu begehen, werden wir das nicht zulassen. Aber Europa und der Rest der Welt müssen sich gemeinsam mit uns erheben. Nicht um unseretwillen; um ihretwillen.“

Scho‘ah-Überlebender am ältesten

Indes wurde bekannt, dass ein 112-jähriger Überlebender der Judenvernichtung der älteste Mann der Welt ist. Jisrael Krystal aus Haifa wurde 1903 in Polen geboren. Er überlebte das Ghetto Lodz und das Vernichtungslager Auschwitz. Wie die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ berichtet, muss er für einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde einen Geburtsnachweis aus seinen ersten 20 Lebensjahren vorlegen. Bislang ist das früheste Dokument allerdings seine Heiratsurkunde, die ihm im Alter von 25 Jahren in Polen ausgestellt wurde.

Gastrednerin im Bundestag lobt Willkommenspolitik

Bei der UNO steht der Gedenktag in diesem Jahr unter dem Thema: „Der Holocaust und menschliche Würde“. Deutschland begeht ihn bereits seit 1996 mit einer Gedenkveranstaltung im Bundestag. Am heutigen Mittwoch ging es dabei um Zwangsarbeit. Die US-amerikanische Auschwitz-Überlebende Ruth Klüger war Gastrednerin in Berlin. Die 84-jährige gebürtige Österreicherin berichtete im Beisein des israelischen Botschafters Yakov Hadas-Handelsman, was sie als Mädchen während der Zwangsarbeit erdulden musste. Bei allem Leid habe sie auch Glück gehabt. Denn sie habe ihr Alter bei der Selektion in Auschwitz mit 15 statt mit 12 angegeben – deshalb habe sie arbeiten dürfen, statt in den Tod geschickt zu werden. Die Freude darüber habe allerdings nach der Verlegung in ein Außenlager des niederschlesischen Konzentrationslagers Groß-Rosen nicht lange gewährt. Zum Abschluss ihrer Ansprache sagte die Literaturwissenschaftlerin: „Dieses Land, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich war, hat heute den Beifall der Welt gewonnen, dank seiner geöffneten Grenzen und der Groβherzigkeit, mit der Sie die Flut von syrischen und anderen Flüchtlingen aufgenommen haben und noch aufnehmen.“ Sie gehöre zu den vielen Auβenstehenden, „die von Verwunderung zu Bewunderung übergegangen sind“. In Berlin sei ein gegensätzliches Vorbild entstanden, „mit dem bescheiden anmutendem und dabei heroischem Wahlwort: Wir schaffen das“. Bereits am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Deutschen Historischen Museum Berlin eine Ausstellung mit „Kunst aus dem Holocaust“ eröffnet. (eh)

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