Thörner schreibt: „Der jüdische Staat stellt tagtäglich seine Überlegenheit als Besatzungsmacht demonstrativ zur Schau, indem er ‚palästinensische Häuser zerstört, palästinensischen Grund und Boden beschlagnahmt, die Palästinenser demütigt und ihnen unmenschliches Leid zufügt‘. Die Brutalität und Israels notorische Sonderrolle sind nur historisch zu erklären: ‘Unter den Gründern Israels waren viele Juden, die vor dem Nationalsozialismus aus Europa nach Palästina geflohen waren und deshalb nicht einfach ‚Zionisten‘ waren, sondern die oft nach traumatischen Erfahrungen (viele hatten Familienangehörige in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern verloren) die Gründung eines jüdischen Staates als existentielle, überlebensnotwendige Forderung betrachteten […] und zu Kompromissen mit anderen Ansprüchen nicht bereit waren. Nur hieraus sind Massaker an der palästinensischen Bevölkerung im Zuge des Unabhängigkeitskrieges zu erklären.“
Wem sich bei dieser als unhinterfragbares Tatsachenwissen verkauften antiisraelischen Propaganda, die die Überlebenden der Schoa in zynischer Anerkennung ihrer „traumatischen Erfahrungen“ zu Tätern stigmatisiert, die Haare sträuben, an dem ist entweder die deutsche Schulpädagogik gescheitert oder er hat das Glück der frühen Geburt genossen. Oben zitierte Sätze finden sich nämlich alle in aktuellen deutschen Schulbüchern, mit Hilfe derer sich Jugendliche hierzulande heute ihre politische Meinung bilden sollen.
Antiisraelische Sachtexte
Böss kommt in seiner Analyse von zwölf Geschichtsbüchern zum Ergebnis: „Kein Staat wird in Deutschland so kritisch gesehen wie Israel. Obwohl er die einzige Demokratie im Nahen Osten ist und Herausragendes in Bereichen wie Medizin, Telekommunikation, Softwareentwicklung oder erneuerbare Energien leistet, sieht eine Mehrheit hierzulande im jüdischen Staat die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Außerdem traut man ihm zu, an den Palästinensern Verbrechen zu begehen, die mit denen der Nazis an den Juden vergleichbar sind. Woher kommt dieses schlechte Bild? Die Grundlagen dafür werden vermutlich schon in der Schule gelegt. Die drei großen Schulbuchverlage, Klett, Westermann und Cornelsen, vermitteln Schülern einen einseitigen Blick auf den Krisenherd, der die israelische Seite zum Täter macht und die palästinensische zum Opfer. Teilweise werden Texte verwendet, die Anfang der Neunzigerjahre geschrieben wurden und darum hoffnungslos veraltet sind, andere Beiträge stecken voller historischer Fehler und Verdrehungen.“
Durchgängig wird den Schülern das Bild vermittelt, die israelische Gesellschaft bestünde ausschließlich aus drei Bevölkerungsgruppen: Siedler, die Arabern das Land wegnehmen, Soldaten, die die Palästinenser schikanieren und Orthodoxe, die mit ihrem religiösen Fundamentalismus dies sanktionieren.
Einseitiges Quellenmaterial
Böss stellt fest: „In keinem [der untersuchten] Schulbücher wird Antisemitismus als ein Antrieb für den irrationalen Hass auf die Juden erwähnt, dabei ist der Nahostkonflikt für die Hamas kein territorialer Konflikt, sondern ein religiöser Kampf gegen das Judentum und für die Errichtung eines Gottesstaates.“ So wird im Buch „Horizonte12“ von Westermann beim Quellentext der Hamas-Charta Artikel 7 unterschlagen, der religiös motivierte antisemitische Hetze enthält: „Das jüngste Gericht wird nicht kommen, solange Muslime nicht die Juden bekämpfen und sie töten. Dann aber werden sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken, und die Steine und Bäume werden rufen: ‚Oh Muslim, ein Jude versteckt sich hinter mir, komm’ und töte ihn.‘“ Es ist grundsätzlich positiv, wenn Schulbücher Quellentexte der Konfliktparteien enthalten, mit denen die Schüler sich auseinandersetzen können. Aber was ist, wenn ihnen genau diejenigen Passagen vorenthalten werden, die die Vernichtung Israels fordern? So fehlt bei „Horizonte12“ der wichtige Abschnitt aus der Hamas-Charta: „Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat“, sowie folgender Satz aus Artikel 13: „Für das Palästina-Problem gibt es keine andere Lösung als den Dschihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung.“
Damit nicht genug. Im Gegenzug fehlen im Quellentext der Israelischen Unabhängigkeitserklärung gerade die Abschnitte, die Israels Friedensbereitschaft dokumentieren: „Wir wenden uns – selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind – an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufruf, den Frieden zu wahren und sich aufgrund voller bürgerlicher Gleichberechtigung […] an seinem [des Staates] Aufbau zu beteiligen. Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zu Frieden und guter Nachbarschaft […]“.
Siedlungsbewegung und Hamas auf einer Stufe?
Unter dem Titel „Radikalismus und Fundamentalismus bei Juden und Arabern“ wird in „Horizonte12“ krampfhaft versucht, die Siedlungsbewegung auf dieselbe Stufe mit der Hamasbewegung zu stellen. Dazu werden einerseits als Quelle die oben erwähnte, „schönfrisierte“ Hamas-Charta und andererseits als „Nachweis“ für jüdischen Radikalismus zwei europäische Zeitungsartikel herangezogen, die sich in bekannter Weise negativ über die jüdischen Siedlungen auslassen. Weder jüdische Siedler noch andere Israelis kommen dabei in einem Quellentext zu Wort. Ein Beleg für die Gleichmacherei fehlt. Allen Büchern gemeinsam ist, dass Israelis ihre Meinung nur dann äußern dürfen, wenn sie eine kritische Haltung zur Politik des jüdischen Staates einnehmen.
Unterschlagene historische Fakten und falsche Zahlen
In „Horizonte12“ von Westermann wird auf 50 Seiten der Nahostkonflikt dargestellt, ohne auch nur mit einem Satz das Völkerbundmandat für Palästina von 1922 zu erwähnen, das die völkerrechtliche Grundlage für den Staat Israel und auch für die jüdische Besiedlung des sogenannten Westjordanlandes sowie der Golanhöhen enthält. Auch die Khartum-Resolution vom September 1967, in der sich die arabischen Regierungschefs nach dem Sechs-Tage-Krieg mit ihrem dreifachen „Nein“ festlegten (Nein zu Verhandlungen mit Israel, Nein zur Anerkennung Israels als Staat, Nein zu einem Frieden mit Israel) werden in „Horizonte12“ und den anderen Schulbüchern nicht erwähnt. Das palästinensische Flüchtlingsproblem wird dagegen ausführlich thematisiert. Nur eines der zwölf untersuchten Bücher erwähnt in einem Nebensatz, dass es zu dieser Zeit auch etwa 800.000 jüdische Flüchtlinge gab, die aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden. Während im Laufe des Unabhängigkeitskrieges 1948 nach palästinensischen Angaben circa 700.000 Araber das Land verließen, sind in manchen Schulbüchern gar Zahlen von bis zu einer Million Flüchtlingen angegeben. Diese falsche Zahlen sowie die Unterschlagung entscheidender historischer Fakten wurden offensichtlich von den Prüfungsinstanzen nicht beanstandet. Die Bücher bieten somit den deutschen Schülern keine Chance, sich ein objektives Bild der Konfliktursachen und Hintergründe zu verschaffen.
Juden sind die Täter, Araber die Opfer
Durch die Wortwahl wird bereits festgelegt, wer die Guten und wer die Bösen sind. In „Horizonte12“ begehen Juden kühl kalkulierend ihre „Massaker“, Araber begehen aus Verzweiflung und Not heraus „Attentate“. Eine Lüge ist, dass die „Verelendung in den Palästinensergebieten“ zu den vielen Kandidaten für Selbstmordanschläge geführt habe. Tatsache ist, dass über 80 Prozent der Selbstmordattentäter eine höhere Schul- oder Universitätsausbildung besaßen und aus der arabischen Oberschicht stammten. Die 146 palästinensischen Selbstmordanschläge, die allein in den Jahren 2000 bis 2005 über 1.000 Israelis das Leben kosteten, werden in den Schulbüchern selten erwähnt.
Wo palästinensischer Terror nicht ignoriert werden kann, wird er auf schamlose Weise verharmlost. In „Horizonte12“ ist über den Anschlag auf die Olympischen Spiele von 1972 in München zu erfahren, dass „eine palästinensische Terrorgruppe einen Teil der israelischen Olympiamannschaft in ihre Gewalt brachte“. Kein Wort darüber, dass die elf israelischen Geiseln kaltblütig ermordet wurden, nur weil sie Juden waren. Kann man so Geschichte vermitteln? Sieht so heute Erziehung nach Auschwitz aus?
Verlage sehen keinen Handlungsbedarf
Die drei großen Verlage Cornelsen, Westermann und Klett, die 90 Prozent des deutschen Schulbuchmarktes unter sich aufteilen, sehen keinen Anlass, ihre Bücher kritisch zu hinterfragen, stellt Böss fest. Bereits 1985 wurde von einer deutsch-israelischen Schulbuchkommission eine Analyse durchgeführt. Bereits damals kritisierten die Forscher „die Gefahr einer neuen Stereotypenbildung“ durch eine „exemplarisch-isolierte Darstellung Israels in deutschen Schulbüchern“ und empfahlen eine Gesamtdarstellung über Israel anstelle der Reduktion israelischer Geschichte auf den Nahost-Konflikt. Derzeit erarbeitet eine neue Kommission Empfehlungen zu diesem Thema, die bis 2015 der Kultusministerkonferenz vorgelegt werden. Wenn Verlage und Kultusminister nicht endlich darauf reagieren, tragen sie eine entscheidende Verantwortung für zunehmende Vorurteile und Israelfeindschaft in der jungen Generation in Deutschland.