Mit Papst Johannes XXIII. „wurde ein neuer Anfang im Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum gemacht“, sagte Kardinal Koch in dem Interview. „Er hatte wirklich eine prophetische Vision davon, dass wir Christen untrennbar mit dem Volk Israel verbunden sind. Diese Sicht hat sich dann im II. Vatikanischen Konzil in der Erklärung ‚Nostra Aetate‘ niedergeschlagen und in der Zwischenzeit reiche Frucht getragen.“
Auf den Hinweis, dass manche Juden die Amtszeit von Papst Benedikt XVI. als Rückschritt hinter Nostra Aetate empfunden hätten, erwiderte der katholische Würdenträger: „Ich sehe im Ganzen keine Belastungen des jüdisch-katholischen Gesprächs im Pontifikat Benedikts XVI. Im Gegenteil. Es gab nicht wenige Juden, die nach seinem Amtsverzicht betont haben, dass die Beziehungen noch nie so gut waren wie unter dem letzten Pontifikat. Die Karfreitagsfürbitte ist ja gerade kein Aufruf zur Judenmission, wie sie oft missverstanden wird, sondern macht sich die endzeitliche Perspektive des Apostels Paulus zu eigen.“ Dass es im Fall Williamson bei der Vorbereitung und Veröffentlichung der Aufhebung der Exkommunikation schwerwiegende Pannen gegeben hat, habe Papst Benedikt selbst ehrlich zugestanden. Diese Missverständnisse immer wieder zu repetieren, sei kontraproduktiv.
„Landverheißung hat theologische und politische Komponente“
In dem Gespräch anlässlich des 65. Bestehens des Staates Israel ging es auch um die Landverheißungen, die in der Bibel festgehalten sind. „Die Frage nach dem Verhältnis zwischen der biblischen Landverheißung und ihrer Erfüllung im Staate Israel 1948 hat einerseits eine theologische und andererseits eine politische Bedeutung“, stellte Kardinal Koch klar. „Es ist wahr, dass die Verheißung des Landes zur Identität Israels gehört. Aber man muss zwischen Verheißung und Realisierung unterscheiden.“ Palästinensische Christen hätten die neue israelische Landnahme als Nakba, als Katastrophe, erlebt, die oft zum Verlust der alten Heimat durch Flucht und Vertreibung geführt habe. Das sei nachvollziehbar. Zudem hätten auch die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat.
Zum Thema Heilsweg und Judenmission merkte der Geistliche an, das Neue Testament baue auf dem Alten Testament auf. „Die katholische Kirche kennt aus diesem Grund keine organisierte Judenmission, wie dies etwa in bestimmten evangelikalen Kreisen der Fall ist. Auf der anderen Seite bezeugen wir Christen auch Juden gegenüber die Hoffnung, die uns der Glaube an Christus schenkt.“
Gefragt, ob die messianischen Juden hier eine Brücke sein könnten, antwortete Koch: „Sie könnten eine Brücke sein, und sie sind eine Realität, die man nicht vernachlässigen kann. Für sehr viele Juden stellen die messianischen Gemeinden aber eine große Herausforderung dar. Diese Frage muss deshalb sehr sensibel betrachtet werden, um die offiziellen Dialoge mit dem Judentum nicht zu gefährden.“