JERUSALEM (inn) – Wer auf einen Geiseldeal hofft, konnte am Montag neue Zuversicht gewinnen: Die an den Verhandlungen beteiligten Akteure teilten übereinstimmend mit, dass eine Vereinbarung kurz bevorstehe. Offiziell war am Dienstag aber noch kein Durchbruch zu vermelden.
Wie oft in so einer Phase nehmen Spekulationen überhand: Zunächst hieß es am Dienstag, dass die Hamas einen Entwurf akzeptiert habe. Wenig später kam das Dementi. Katar, das neben Ägypten bei den Verhandlungen vermittelt, teilte zumindest mit, dass die größten Hürden überwunden seien. Auch die USA zeigten sich optimistisch: Die Parteien seien einem Deal näher als je zuvor.
Drei Phasen angedacht
Mehrere Medien nannten Details zu dem anvisierten Deal, die inzwischen bekannt geworden sind: Er sieht drei Phasen vor. Zunächst sollen innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln freikommen, die in die „humanitäre“ Kategorie fallen: Kinder, Frauen, Soldatinnen, Senioren und Kranke. Nach Schätzung der Israelis sind „die meisten“ dieser Geiseln noch am Leben.
Israel lässt im Gegenzug inhaftierte Terroristen frei, darunter auch Sicherheitsgefangene mit lebenslanger Haftstrafe. Außerdem zieht sich die Armee aus Wohngebieten im Gazastreifen zurück, und die Bevölkerung kann in ihre Häuser zurückkehren. Sie verbleibt aber im Philadelphi-Korridor, dem Grenzgebiet zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Auch eine Steigerung der humanitären Hilfslieferungen auf 600 Laster pro Tag ist angedacht.
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In einer zweiten Phase sollen die restlichen Geiseln freikommen, hauptsächlich Soldaten und Männer. Hier fordert die Hamas allerdings einen „vollständigen“ Rückzug der israelischen Armee und ein Kriegsende. Dies dürfte ein Knackpunkt sein, da der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) betont hat, die Hamas bis zu ihrer Zerschlagung zu bekämpfen.
In einer dritten Phase soll die Hamas die getöteten Geiseln freigeben. Dafür ist dann eine bis zu fünf Jahre andauernde Wiederaufbauphase unter internationaler Aufsicht vorgesehen.
Terroristen sollen freikommen
Explizit ausgeschlossen von dem Deal ist laut Medienberichten die Übergabe der Leiche von Jahja Sinwar, dem Architekten des Terrormassakers. Außerdem werde Israel keinesfalls Marwan Barghuti freilassen. Der inzwischen 65-Jährige hatte in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre die „Al-Aqsa-Intifada“ angeführt und sitzt eine mehrmals lebenslängliche Haftstrafe ab.
Von den insgesamt 251 Geiseln, die die Hamas am Tag des Terrormassakers verschleppt hat, sollen sich noch rund 94 im Gazastreifen befinden. 34 davon sind nach Erkenntnissen der Armee nicht mehr am Leben.
Hamas unter Druck
Israelische Regierungsvertreter nannten zwei Faktoren, die die Hamas unter Druck gesetzt und zu Fortschritten im Deal geführt hätten: Durch den Fall des Assad-Regimes in Syrien und der Zurückdrängung der libanesischen Terrormiliz sei die iranische Achse geschwächt.
Zugleich habe der gewählte US-Präsident Donald Trump (Republikaner) damit gedroht, dass „die Hölle losbrechen“ werde, wenn die Geiseln bis zu seinem Amtsantritt am 20. Januar nicht freikämen. Trump hatte hier vor allem die Geiseln mit amerikanischer Staatsangehörigkeit im Blick.
Kritik am Deal
Während die meisten Angehörigen der Geiseln einem Geiseldeal wohl entgegenfiebern, hat es immer auch Skepsis gegeben. Die Befürchtung ist dabei, dass Israel einen zu hohen Preis zahle. Besonders Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (Jüdische Stärke) und Finanzminister Bezalel Smotritsch (Religiöser Zionismus) monieren die Zugeständnisse, die Israel dafür machen muss. Sie befürworten etwa einen dauerhaften Verbleib im Gazastreifen.
Falls die beiden Politiker aufgrund des Deals die Koalition aufkündigen, würde Netanjahu nur noch mit einer Minderheit regieren. Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) hat ihm für diesen Fall aber ein „Sicherheitsnetz“ in Aussicht gestellt.
Ben-Gvir: Habe frühere Deals verhindert
Der Fall könnte durchaus eintreten: Am Dienstag veröffentlichte Ben-Gvir ein Video, in dem er Smotritsch zu einem Regierungsaustritt aufforderte. Dabei betonte er, er habe im vergangenen Jahr erfolgreich einen Deal verhindert. Nun aber fehle ihm die nötige Macht dazu.
Ben-Gvirs Äußerungen riefen Kritik bei Geiselfamilien hervor. Laut der „Times of Israel“ sagte Gil Dickmann, ein Verwandter der getöteten Geisel Carmel Gat: „Ohne Ben-Gvir wäre Carmel noch am Leben.“ Für Lapid belegen die Äußerungen, dass die Regierung „aus politischen Gründen“ keinen Deal erreicht habe.
Proteste gegen Deal
Aber nicht nur Ben-Gvir und Smotritsch sind skeptisch: Am Montagabend protestierten einige Familien von gefallenen Soldaten und Geiseln in Jerusalem gegen den Deal. „Sie haben kein Mandat, sich der Hamas zu ergeben“, lautete deren Botschaft an die Regierung.
Am Dienstag unterzeichneten rund 100 Rabbis der Organisation „Tora des guten Landes“ einen Brief, in dem sie sich gegen den nahenden Deal aussprechen. Besonders kritisieren sie die Freilassung von Terroristen und eine Waffenruhe, bevor der Feind besiegt sei. „Das alles gefährdet die Zukunft des Staates und die Sicherheit seiner Bürger.“
Gegen diese Stimmen stehen die Israelis, die sich in wöchentlichen, mitunter turbulenten Protesten für einen Geiseldeal aussprachen. Sie warfen Netanjahu unter anderem vor, einen Geiseldeal hinauszuzögern, um seine eigene Regierungsmacht zu erhalten. Vertreter der US-Regierung hatten aber oftmals betont, dass es die Hamas sei, die einem Deal im Weg stehe. (df)
3 Antworten
Hamas Mörder kämen frei, die wieder morden werden. Siehe Sinwar, der Barbar.
Wer bestraft diese Terrorbrut, dass sie Geiseln
sterben ließen? Zur Belohnung kommen wieder Judenmörder frei – und Hamas wird nach Rückzug ILs aufgerüstet. Das Problem ist und das weiß Hamas, dass Israel keinen Juden im Stich lässt. Und das ist richtig. Frage? Wer führt nach Tötungen der Kommandeure Hamas?
Mullahs oder Erdogan?
Was für ein schreckliches Dilemma ! Natürlich will jeder anständige Mensch, dass die Geiseln freikommen. Aber um welchen Preis ? Das Kalkül der Hamas-Terroristen geht leider auf. Der innere und äussere Druck auf die israelische Regierung zahlt sich aus. Was wird aus Gaza ? Bleiben die Hamas-Verbrecher an der Macht ? Angeblich haben die Amerikaner einen Plan für den Tag danach. Wenn der so ïst wie im Irak…
Familien von gefallenen Soldaten und Geiseln in Jerusalem gegen den Deal. Wir auch.