KASSEL (inn) – Ein Antisemitismus-Skandal prägte im Jahr 2022 die documenta in Kassel, eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Das Ansehen der Veranstaltung hat unter den Vorfällen gelitten. Die Findungskommission für die documenta 16, die im Jahr 2027 geplant ist, hat Ende des Jahres die 48-jährige Naomi Beckwith beauftragt, den guten Ruf wiederherzustellen
Bereits vor dem Start der documenta 15 hatte es Kritik gegeben, da Beobachter den Organisatoren vom indonesischen Künstlerkollektiv „ruangrupa“ und einigen Künstlern die Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Bei der Eröffnung fielen dann Kunstwerke mit antisemitischer Bildsprache auf, die vor allem in der jüdischen Gemeinschaft für Empörung sorgten.
Die ursprüngliche Findungskommission zur documenta 16 sah sich dann ebenfalls mit einem Antisemitismus-Problem konfrontiert: Eines der sechs Mitglieder hatte 2019 eine Petition der „BDS India“ unterzeichnet, die anti-israelische Positionen enthielt. Und schon zuvor hatte sich das israelische Mitglied der Kommission wegen Differenzen verabschiedet. Schließlich trat die gesamte Kommission im November 2023 zurück und acht Monate später wurde eine neue gebildet, die sich nun auf Beckwith geeinigt hat.
Wer ist Naomi Beckwith?
Naomi Beckwith ist seit 2021 stellvertretende Leiterin und Chefkuratorin des New Yorker Guggenheim-Museums. Dessen Namensgeber, der Industrielle und Philanthrop Solomon R. Guggenheim, stammte aus einer jüdischen Familie. Davor war die Amerikanerin die leitende Kuratorin am renommierten Museum für zeitgenössische Kunst in Chicago. In ihren Projekten legt sie besonderen Wert auf den Einfluss schwarzer Kultur auf die zeitgenössische Kunst.
Auf einer Pressekonferenz der documenta zu ihrer Ernennung nahm Beckwith Stellung zu ihren Positionen bei der Auswahl von Künstlern und Objekten für ihre Ausstellung. Dabei stellte sie klar, dass sie weder Rassismus oder Diskriminierung noch Antisemitismus Raum geben will. „So etwas wird es in einer Ausstellung unter meiner Leitung nicht geben“, erklärte sie nachdrücklich. „Ich werde nichts zulassen, was meine eigene Ethik, meine eigenen Werte als Kuratorin verletzt.“
Beckwiths bisherige Laufbahn und ihre Arbeit zeigen zumindest keine Vorbehalte gegenüber Juden oder Israel. Während ihrer Zeit in Chicago stellte sie Werke der israelischen Künstlerin Keren Cytter aus und in einer von ihr kuratierten Show mit dem Titel „Homebodies“ nahm auch der Israeli Guy Ben-Ner teil.
Sie versteht ihre Aufgabe als einen Balanceakt, denn der Schutz der Kunstfreiheit sei ebenfalls wichtig. Einige Künstler befürchten eine Zensur, auch weil sich die Politik zukünftig mehr in die documenta einmischt. Es wurde ein wissenschaftlicher Beirat etabliert, der Geschäftsführung und Aufsichtsrat der documenta unterstützt. Zudem erhält die Bundesregierung zwei Sitze mit Stimmrecht. Auch mit einer Entziehung der Förderung kann das Kultusministerium Druck auf die Veranstalter ausüben.
Ein Schritt in die richtige Richtung?
Die Wahl von Beckwith wird von Experten sowie von der Politik positiv aufgenommen. Der Deutschlandfunk-Chefkulturkorrespondent Stefan Koldehoff sieht sie als „sichere Nummer“, und das sei in Anbetracht des Fiaskos von 2022 auch gut so. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen ist zufrieden. Die documenta sei „auf einem guten Weg“, erklärte sie in einer Stellungnahme. Sie betont, dass die documenta ihre Probleme aufgearbeitet und „sich in aller Klarheit gegen Antisemitismus positioniert“ habe.
Erste Erkenntnisse dazu wird es vermutlich im Sommer 2025 geben, wenn Beckwith ihr Konzept vorstellen will. Mit der Polarisierung der vorigen documenta und der angespannten Stimmung der Gesellschaft wird das eine schwere Aufgabe. Ihre Ernennung scheint jedoch ein Schritt in die richtige Richtung zu sein.
Von: Tobias Köchling
4 Antworten
Ein Schritt in die richtige Richtung? Nein zu documenta in Kassel!
„Zudem erhält die Bundesregierung zwei Sitze mit Stimmrecht.“
Das macht sie nicht mehr zu einer Kunstausstellung, sondern zu einem politischen Statement! Kunst im Kontext einer Staatsräson? Viele Künstler werden abspringen und solche Bedingungen nicht tolerieren.
Vielleicht ist das die Absicht….
Ludovico. Wenn die staatlichen Stimmrechte dazu führen, dass keine Juden mit Schweinsgesichter auf Bildern zu sehen sind ( wie bei der letzen Dokumenta geschehen), gehe ich mit dem Stimmrecht d’accord.
Was sie sagt, hört sich vernünftig an, hoffen wir, dass dem auch entsprechende Taten folgen.