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Gebetsstreit an Jom Kippur

In Tel Aviv führt die Frage der Geschlechtertrennung bei einer öffentlichen Gebetsveranstaltung zu handfestem Streit. Staatspräsident Herzog übt scharfe Kritik.
Von Israelnetz
In Tel Aviv protestierten viele Menschen gegen die Geschlechtertrennung und skandierten „Buscha“ (Schande)

JERUSALEM / TEL AVIV (inn) – Am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ist in Tel Aviv der Streit um die Ausrichtung eines öffentlichen Gebetes eskaliert. Am Sonntagabend kam es dabei in Tel Aviv zu Gerangel. Inzwischen meldeten sich dazu auch Staatspräsident Jitzchak Herzog und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) zu Wort.

Der Streit drehte sich um das Thema Geschlechtertrennung. Diese wollten einige Gläubige bei der Kol-Nidre-Versammlung auf dem Dizengoff-Platz in Tel Aviv einhalten. Diese Versammlung wird üblicherweise am Vorabend von Jom Kippur abgehalten. Kernstück ist eine gebetsartig vorgetragene Erklärung, die alle Schwüre gegenüber Gott aufhebt. Damit wollen die Gläubigen verhindern, dass sie Versprechen brechen, weil sie sie nicht einhalten oder einhalten können.

Die Veranstaltung mitten im säkular geprägten Tel Aviv findet seit 2020 statt. Dahinter steckt die orthodoxe Organisation Rosch Jehudi. Sie will damit Juden von den orthodoxen Traditionen überzeugen. Dazu gehört laut der Halacha auch die Geschlechtertrennung beim Gebet.

Die Stadt Tel Aviv verbietet allerdings die Geschlechtertrennung. Die Gläubigen scheiterten mit Petitionen gegen das Verbot beim Obersten Gericht. Dennoch versuchten sie am Sonntagabend, Trennwände zu errichten. Als die Gegner dazukamen, blieb es nicht beim verbalen Austausch: Die Kontrahenten gerieten auch körperlich aneinander.

Netanjahu: Hass ohne Grenzen

Als der Versöhnungstag am Montagabend zu Ende war, äußerte Regierungschef Netanjahu scharfe Kritik an den Protestlern: „Zu unserer Überraschung probten im Staat der jüdischen Nation, am heiligsten jüdischen Tag, linksgerichtete Protestler den Aufstand gegen Juden, als diese beteten. Es scheint, dass es keine Grenzen gibt, keine Normen, keine Ausnahme vom Hass der linksgerichteten Extremisten.“

Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai (Die Israelis), sieht hingegen durch die Art des Gebets den Charakter der Stadt in Gefahr: „In Tel Aviv gibt es keine Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum. Diejenigen, die sich nicht an die Anweisungen und Gesetze der Stadt halten, werden keine Genehmigungen für Aktivitäten im öffentlichen Raum erhalten.“

Im Vorfeld hatten sich orthodoxe Rabbiner in einem offenen Brief an Huldai gewandt. Sie forderten ihn auf, die Geschlechtertrennung zuzulassen. Die Rabbiner sprachen von einem „erzwungenen Säkularismus“ und einem Eingriff in die Religionsfreiheit.

Herzog: Streit muss sofort enden

Der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog kam ebenfalls auf den eskalierten Streit zu sprechen. Die Bilder von den Streitszenen ausgerechnet an Jom Kippur hätten ihn schockiert, sagte er am Dienstag bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Jahrestages des Jom-Kippur-Krieges auf dem Jerusalemer Herzlberg. „Wie ist es dazu gekommen, dass 50 Jahre nach diesem bitteren Krieg Brüder und Schwestern gegenseitig auf die Barrikaden gehen?“

Herzog mahnte an, den Zwist „hier und jetzt“ zu stoppen. Die Feinde Israels sähen in diesen Streitigkeiten schon den Anfang vom Ende Israels gekommen. „Obwohl sie vollkommen falsch liegen, müssen wir zur Besinnung kommen.“ Weiter sagte er, dies sei eine historische Verantwortung. „Historiker und Anführer werden in 50 Jahren auf diese Tage schauen und auf den schrecklichen Preis, den dieser Bruch von uns abverlangte. Sie werden sich fragen: ‚Wie konnten sie das Ausmaß der Gefahr und die Tiefe des Abgrundes nicht sehen? Immerhin lag es direkt vor ihren Augen.‘“

Vier Kinder kommen zur Welt

Abgesehen von diesem Streit verlief der Jom Kippur in den üblichen Bahnen: Der Rundfunk stellte seinen Betrieb ein, der Verkehr kam fast im ganzen Land zum Stillstand. Das Umweltministerium gab bekannt, dass es an Jom Kippur zu einer erheblichen Senkung der Luftverschmutzung gekommen sei: Die Konzentration von Stickstoffdioxid lag demnach bei einem Anteil von höchstens 38,9 Milliardstel („Parts per Billion“ – ppb). An normalen Tagen liege sie bei 500 Milliardstel.

Während gläubige Juden den Tag in der Regel mit Fasten und Gebet verbringen, nutzen säkular eingestellte Juden die Gelegenheit, sich auf den freien Straßen zu bewegen. Für Rettungsdienste bedeutet das eine erhöhte Zahl von Einsätzen: Es kam zu Fahrradunfällen oder Schwächeanfällen infolge des Fastens. Nach Angaben des Roten Davidsterns mussten 3.000 Menschen medizinisch versorgt werden, 2.000 davon kamen ins Krankenhaus. Vier Babys wurden während des Feiertags zur Welt gebracht, während 170 werdende Mütter in Erwartung einer baldigen Geburt das Krankenhaus aufsuchten. (df)

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17 Responses

  1. Das nervt vielleicht!
    Gestern in der Synagoge saß ich links und Chaim rechts. Gang trennte uns.
    Alles gut. Immer dieses Theater.

    12
    1. Ist ja auch kein Problem, jede(r) sollte doch selbst entscheiden dürfen, wo man in der Synagoge sitzt bzw. betet.
      Auf einem öffentlichen Platz hat aber nun mal die öffentliche Verwaltung die Verfügungsgewalt, und die Errichtung einer Absperrung wurde untersagt.

      Offensichtlich geht es dieser orthodoxen Gruppierung um Provokation am großen Versöhnungstag. Klappt auch bestens.

      Gebet und sinnlose Provokation haben nichts gemeinsam.

      Durch solche Aktionen wird wohl kein einziger säkularer Tel Aviver sich GOTT zuwenden.
      .

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      1. @One
        „Jede(r) sollte doch selbst entscheiden dürfen, wo man in der Synagoge sitzt bzw. betet.“ Nein, im Kino und Theater darf man das auch nicht.

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    2. Bei einer (glücklicherweise) ganz kleinen Minderheit der Israelis riechts mir irgendwie nach Teheran… .

      Und wie B.N. auf seine alten Tage seinen Ruf ruiniert, wahrscheinlich hatten die Spinnerten innert seiner Knesset-Mehrheit mal wieder Streicheleinheiten gebraucht, da ist Kopfschütteln eine noch milde Formulierung.

      Liebe M. , Gruss Dir ins Heilige Land, wo ich Dich vermute.

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    3. Gab es übrigens bis in die 60er und 70er Jahre auch in christlichen Kirchen. Zumindest auf dem Land hielt sich die Regelung relativ lang.

      Wer sich interessiert wie diese Regelung im Judentum zustande kommt, sollte vielleicht mal das 3. Buch Mose lesen, da sind solche Dinge geregelt. Und zwar durch die Anordnung Gottes.

      Die Frage ist doch, muss es Krawall geben? Warum kann man nicht einen Teil den getrennt betenden Gläubigen zur Verfügung stellen und einen anderen, die sich mischen wollen. Sie müssen sich nicht in die Quere kommen.

      6
  2. Ich wünsche Tel Aviv und auch anderen Israelischen Städten die Einsicht, dass alle Jüdischen Gruppen respektvoll trotz unterschiedlicher Auffassung zusammenleben. Die Feinde sind zahlreich genug….

    2
  3. Wenn man sich nicht an die göttlichen Gebote hält, darf man sich auch nicht wundern, wenn der Messias niemals zurückkommt.

    1
    1. Sie meinen also, die Menschheit müsse sich die Wiederkunft des Messias „verdienen“?
      Wozu sollte Er dann noch erscheinen?

      Vielleicht sind Sie ja imstande mir mitzuteilen, auf welches göttliche Gebot sich die Geschlechtertrennung beim Gebet bezieht.

      Bisher blieben meine Fragen unbeantwortet.

      .

      8
      1. „Vielleicht sind Sie ja imstande mir mitzuteilen, auf welches göttliche Gebot sich die Geschlechtertrennung beim Gebet bezieht.“

        Das fragen Sie am besten die Orthodoxen. Schließlich widmen die ihr ganzes Leben dem Studium der heilige Schriften und sind somit Experten, was die göttlichen Gebote anbelangt.

        1
        1. Nun, da Sie offensichtlich selbst auch dieses „Gebot“ als von GOTT gegeben ansehen, müssten Sie doch wissen, wo in den Heiligen Schriften der Juden dieses zu finden ist?
          Oder plappern Sie einfach etwas nach?

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          1. Da in Deutschland das Studium religiöser Schriften leider nicht staatlich gefördert wird, muß ich einer Erwerbstätigkeit nachgehen und habe so leider nicht genug Zeit dafür. Ich vertraue in dieser Frage aber den orthodoxen Experten.

            1
        2. Frank,

          Ihre Beiträge sind doch Satire ?

          Kann ich auch !

          Die finanzielle Trockenlegung der Kirchen in Deutschland ist beängstigend.
          Habe gehört, sie muss sogar für Vater Staat Steuern einziehen,
          die an diesen vor Auszahlung des Arbeitslohnes an den Arbeitnehmer gleich
          ausgekehrt werden.

          Oder habe ich da etwas durcheinander gebracht ?

          9
  4. Jeshua sagte im Matthäusevangelium 6,5 etwas sehr erstaunliches über das Gebet.
    Oder liest die Geschichte in 1. Samuel 2 über Hanna.

    Hoffentlich bin ich jetzt nicht ins Fettnäpfchen getreten aber es steht so geschrieben in der Bibel!

    0
  5. Ich wünsche dem Volk Israel ein fröhliches Sukkot Fest trotz der Streitigkeiten. Gebt Gott JHWH die Ehre…… und ich glaube Gott sieht alles und es schmerzt Ihn bestimmt weil sich die Brüder und Schwestern in Israel in den Haaren haben wegen jeder Kleinigkeit.

    CHAG SUKKOT SAMEACH!

    1
  6. Also, liebe Freunde, nicht nur angesichts des Versöhnungstages: warum sind eure Frage-Antworten so aggressiv? Kann nicht jeder die Art des anderen zu beten, akzeptieren? Wichtig beim Gebet ist doch, dass man sich ganz auf den Adressaten konzentriert, dem Almächtigen unabgelenkt die Ehre gibt. Das kann man nur in der Weise, die man gewohnt ist – dem Nächsten zuliebe friedlich und nicht anmaßend. Die Orthodoxen in ihrer Frömmigkeit haben immerhin die Torah durch die Jahrtausende erhalten. Ohne sie und den Gott, der Sei Volk trotz Schwierigkeiten erhält, wäre Israel längst -wie andere Völker- vergangen.
    An diesem Tag und dem kommenden Laubhüttenfest sei IHM Lob und Dank zuteil, und nicht nur dann.
    Schalom sagt eine aus den Heiden.

    1

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