Die Konfrontation begann damit, dass Israel einen für das nördliche Westjordanland zuständigen Anführer des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) bei einem der zahlreichen Anti-Terror-Einsätze in der Region festsetzen konnte. Infolgedessen stieß der Gaza-Ableger der Terrorvereinigung Drohungen gegen Israel aus. Nachrichtendienstliche Informationen legten nahe, dass die Vergeltungsplanung tatsächlich auf Hochtouren läuft.
Unter der Leitung von Premier Jair Lapid (Jesch Atid) setzte Israel zunächst auf eine passiv-defensive Linie. Die Einwohner der Grenzregion zum Gazastreifen wurden angewiesen, in Schutzraumnähe zu bleiben. Nach wenigen Tagen schwenkte Israel dann in den Aktionsmodus um. Anders als in den vergangenen Jahren wurden nicht die ersten Raketen gegen israelische Zivilisten abgewartet, stattdessen leitete der jüdische Staat die Operation „Anbrechende Morgendämmerung“ ein.
Nachfolgend ließen Israel und der PIJ die Waffen sprechen. Durch ägyptische Vermittlung kehrte nach nur zweieinhalb Tagen wieder Ruhe ein. Das jedoch hielt Israel nicht davon ab, den Anti-Terror-Kampf im Westjordanland fortzusetzen. Das Ausschalten eines seit langer Zeit gesuchten Kommandeurs der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden stellte die Feuerpause nur wenige Stunden nach Ausrufung auf die Probe. Bislang hält die Vereinbarung, so dass in Israel erste Bilanzen gezogen wurden.
Rückschlag für den PIJ
Es kam bereits vor, dass Israel direkt mit dem PIJ aneinandergeriet. So 2019, als Israels Armee einen hochrangigen PIJ-Kämpfer im Gazastreifen gezielt tötete. Die Organisation lancierte daraufhin Raketen, auf die Israel mit Angriffen auf terroristische Stellungen im Gazastreifen reagierte.
Dieses Mal wurde diese radikal-islamische Vereinigung sehr viel massiver getroffen als 2019. Die israelische Armee nahmen 170 dem PIJ zugeordnete Ziele ins Visier. Darunter waren 17 Spähposten, 45 Raketenabschussstellungen, je acht Militäreinrichtungen und Waffenarsenale sowie ein Angriffstunnel. Dadurch erlitt die Operationsfähigkeit des PIJ zweifelsfrei Rückschläge, ist aber keineswegs lahmgelegt.
Auf der Kommandoebene hingegen sieht das anders aus. Laut Angaben der israelischen Armee kamen zwölf PIJ-Kommandeure ums Leben, die zu den oberen Befehlsrängen zählten, so dass empfindliche Lücken in der Kommandokette entstanden.
Zudem kann Israel zwei weitere Erfolge verbuchen: Der jüdische Staat unterband, dass diese Terror-Organisation eine Verknüpfung zwischen den Vorgängen im Westjordanland und im Gazastreifen herstellt. Das ist für Israel aus operationstaktischen Gründen von großer Bedeutung. Zum anderen machte Israel deutlich, dass sich keiner der PIJ-Kämpfer sicher fühlen kann.
Das impliziert ein allgemeines Abschreckungsmoment, wie Verteidigungsminister Benny Gantz (Blau-Weiß) am ersten Tag der Feuerpause in unmissverständliche Worte fasste: „Alle führenden Köpfe von Terrorvereinigungen sollten besorgt sein“; keiner könne sich, egal wohin er sich auch begibt, so fügte Gantz hinzu, seines Lebens sicher sein. Das bekam die Hamas über Jahre hinweg am eigenen Leibe zu spüren, in denen Israel sogar in der weiteren Region immer wieder einmal Hamas-Terroristen ausschaltete.
Lernfähige Hamas?
Während Israel im Zuge seiner Militäroperation gezielt gegen den PIJ vorging, wurden Hamas-Stellungen im Gazastreifen bewusst ausgespart. Auf die Weise signalisierten die Israelis: Wer nicht schießt, den nehmen wir nicht unter Beschuss. Dennoch war klar: Es gibt keine Garantie, dass die Hamas nicht dennoch in den Raketenbeschuss einfallen würde.
Dieses Risiko stieg praktisch mit jeder Stunde der Kampfhandlungen, da die Hamas unter immer mehr Druck gesetzt wurde; längst nicht nur vom PIJ, sondern unter anderem auch vom iranischen Ajatollah-Regime. Dieses ist dem PIJ mehr als nur wohlgesonnen ist und zieht in der Region nur allzu gerne jegliche Register, um Israel Schaden zuzufügen.
Dennoch feuerte die Hamas keine einzige Rakete ab. Dadurch wurde endgültig offensichtlich: Miteinander verfeindet, bestehen zwar keine direkten Kontakte zwischen Israel und der Hamas, aber dennoch funktionieren arrangierte Übereinkünfte. In den israelischen Medien wurde folglich die Frage laut, ob Israel und die Hamas endgültig einer Hudna (arabisch-islamischer Rechtsbegriff, Waffenstillstand) entgegenblicken. Aus den Reihen der israelischen Armee hieß es dazu: „Diesen Zustand haben wir längst erreicht. Wenngleich weiterhin nur inoffiziell, so deuten die neuesten Vorgänge zwischen Israel und der Hamas de facto darauf hin.“
Gemeinsames Interesse
Diese jüngste Eskalationsrunde legte überdies offen, dass Israel und die Hamas ein gemeinsames Interesse teilen: Der PIJ ist nicht nur einer der Erzfeinde Israels, sondern zugleich Konkurrent der Hamas und daher, trotz verbindender Verfeindung mit Israel, dem eigentlichen Machthaber im Gazastreifen ein Dorn im Auge. Den PIJ geschwächt zu sehen, ist somit nicht das Schlechteste.
Auch mit dem Makel, keine Solidarität mit den kämpfenden palästinensischen Brüdern gezeigt zu haben, wird die Hamas umgehen können. Denn die Karte, auf die diese Gaza-Machthaber vielmehr gesetzt haben, stellt tatsächlich das erhoffte Resultat und sogar noch mehr in Aussicht.
Viele der Einwohner des Gazastreifens waren nicht begeistert über das Stillhalten der Hamas. Doch zur Wut brachte sie vielmehr, dass der PIJ durch Raketenfehlzündungen für Tote unter ihnen verantwortlich war und sogar Katar zur Ankündigung provozierte, im Fall fortgesetzter Kampfhandlungen seine Geldlieferungen einzustellen. Für die arg gebeutelte Bevölkerung des Gazastreifens ist das eine ebenso überlebenswichtige Unterstützung wie die über Israel abgewickelten Hilfslieferungen. Das gilt erst recht für das im Laufe des vergangenen Jahres massiv aufgestockte Kontingent der Genehmigungen, die Einwohnern des Gazastreifens das Arbeiten in Israel ermöglichen.
Israel hatte von vornherein deutlich gemacht, dass nichts dergleichen storniert wird, wenn die Hamas die Finger von Raketen lässt. Unterm Strich beschert das der Hamas zufriedenere Untertanen und im Endeffekt eine gefestigtere Machtposition; erst recht, wenn obendrauf das eintreten sollte, was Israels Premier Lapid in einer ersten Stellungnahme nach Schweigen der Waffen in Aussicht stellte: „Wir werden uns zu verteidigen wissen gegen jeden, der uns bedroht. Aber wir geben auch denen Arbeit, ein Einkommen und ein würdevolles Leben, die in Frieden mit uns leben wollen.“
Militäroperation inmitten eines israelischen Wahlkampfes
Trotz der anstrengenden Tage herrscht in Israel keine Katerstimmung. Die Menschen halten dem seit wenigen Wochen als Premier amtierenden Lapid seine mutige Entscheidung zugute. Nicht nur die Bevölkerung in Grenznähe ist froh darüber, dass Israel endlich einmal nicht ausschließlich reagiert, sondern agiert hat. Das führte im Ausland bereits zu dem Gemunkel, Lapid hätten wahlpolitische Überlegungen zu der Operation angetrieben.
In Israel ist bekannt, dass eine Gaza-Eskalationsrunde kaum zusätzliche Knesset-Mandate einbringt. Genau das belegten die ersten Wahlumfragen nach Eintreten der Feuerpause. Lapid gewann kein einziges Mandat dazu, so dass die politische Pattsituation trotz massiver Rückendeckung für die Militäroperation – 68 Prozent der Befragten hießen Lapids Entscheidung gut, hinter Gantz stellten sich gar 73 Prozent – bestehen bleibt.
Dennoch blickt Israel auf neue Konstellationen. Zu ihnen gehört, dass ein Premier, der prinzipiell für eine „Zwei-Staaten-Lösung“ eintritt und immer wieder die Formel „der Minimierung des militärischen Konfliktes“ beschwört, dennoch aktiv eine militärische Konfrontation eingeleitet hat. Auf den ersten Blick scheint das im Widerspruch zueinander zu stehen. Bei genauerem Hinsehen könnte es letztlich zeigen, dass ein politischer Ansatz, den Lapid mit seiner Koalition im vergangenen Jahr umzusetzen versuchte, eventuell funktioniert: Es wird Ruhe herrschen, wenn man die Lebensbedingungen der Palästinenser verbessert.
Das ist einer der wesentlichen Aspekte, der die Hamas zum Stillhalten veranlasste. Die Zeit wird zeigen, was daraus wird und wie sich Interims-Premier Lapid weiterhin bewähren wird. Bislang regiert er mit dem Handicap, dass ihm viele Israelis mangelhafte politische Führungserfahrung und sogar das Fehlen der dafür erforderlichen Qualifikationen nachsagen. Am vergangenen Wochenende stellte er zweifelsfrei unter Beweis, nicht vor Verantwortungen zurückzuschrecken, die das israelische Premieramt impliziert. Auf ihn warten bis zu den Wahlen am 1. November noch genügend Hürden, an denen dieser Politiker mit unverminderter Vision für den Staat durchaus straucheln, allerdings auch – so wie in der vergangenen Woche – wachsen könnte.
Antje C. Naujoks studierte Politologie an der FU Berlin und an der Hebräischen Universität Jerusalem. Die freischaffende Übersetzerin lebt seit fast 35 Jahren in Israel, davon ein Jahrzehnt in Be‘er Scheva.
5 Antworten
Woher bekommen die „armen“ Palästinenser nur so viele Waffen? Deutsche Rüstungshilfe auch hier wie in der Ukraine? Von etwa 600 Mio. bis eine Milliarde jährlich allein aus Deutschland könnte bei den „Palästinensern“ wirklicher Wohlstand ausbrechen. Aber irgendwie verschwindet das Geld immer wieder bei der korrupten Führung (siehe u.a. Arafat und seine rechte Hand Abbas heute) und die deutschen Geber interessiert es nicht weiter.
Neben den deutschen Geldströmen gibt es aber auch viel Geld aus Katar. Zu Katar gibt es überhaupt keine Berührungsängste. Nicht nur die deutsche Regierung hat gute Beziehungen (deshalb bettelt man dort auch um ÖL), sondern auch der DFB und Bayern München und, und …
Russland zählt leider nicht zu den Begünstigten der Ampel, obwohl es gut wäre, endlich den Gashahn aufzudrehen und Nord Strem 2 in Betrieb zu nehmen. Viele Sorgen vor dem kommenden Winter würden den Bürgern genommen werden!
Ob auch die Amtsstuben, das große Kanzleramt, der Bundestag etc. schon anfangen, Gas zu sparen.? Ob dort auch nur 19 Grad Raumtemperatur geplant sind?
Der Versuch Israels, getreu der Kolonialismusstrategie des „Divide et impera“ die Hamas gegen den Islamischen Dschihad auszuspielen, wird nicht gelingen. Wenn es hart auf hart kommt, wird der palästinensische Widerstand gegen das brutale Besatzungs- und Belagerungsregime in Westbank und Gaza fest zusammenstehen. Inwieweit dies auch die mittlerweile korrupte PLO-Führung betrifft, bleibt abzuwarten, denn trotz israelischer Klagen über die Korruption bei der PA (bei der Israel sehr gern „mitschmiert“!) ist die (vor allem „Sicherheits“-) Zusammenarbeit mit der PA von Abbas sehr effizient, was immer mehr Westbank-Palästinenser in die Arme der Hamas treibt. Je korrupter die Abbas -Clique, desto besser für Israel. Aber diese Politik wird auf die Dauer Israel nichts nützen. Das Besatzungsregime muß enden. Auch wenn manche der sich hier äußernden Kommentatoren, die sich für „Freunde Israels“ halten, dies nicht wahrhaben wollen.
So gibt Ami Ajalon (Shin-Bet-Chef von 1996 bis 2000) zu Protokoll: „Im Nachhinein hat das meine ganze Welt verändert. Plötzlich sah ich Israel mitanderen Augen. Mir war das ganze Ausmaß von Hetze und Hass gar nicht bewusst gewesen. Die Kluft in unserer Gesellschaft, wie wir unsere Zukunft sehen, […] oder warum wir überhaupt hierhergekommen sind.“ Ähnlich sieht es Ajalons Nachfolger, Avi Dichter. Er war von 2000 bis 2005 Direktor des Shin Bet und ist überzeugt, dass der israelische Ansatz, palästinensischen gewaltsamen Widerstand mit Ermordung der Anführer zu beantworten, verfehlt sei und nichts als weitere Aufstände provoziere : „Es lief klar auf eine neue Intifada hinaus, auf den Aufstand eines Volkes, das glaubt, es habe nichts mehr zu verlieren.“ Und Dichter fügt hinzu: „Wir wollen Sicherheit und bekommen Terror, sie wollen einen Staat und sehen immer mehr Siedlungen.“ Karmi Gillon, Shin-Bet-Direktor von 1995-1996, fordert in dem Film ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern: „Israel kann sich den Luxus nicht leisten, nicht mit dem Feind zu reden.“
In Vergessenheit geraten ist auch die Einsicht, die Shin Bet schon nach dem Sechs-Tage -Krieg von 1967 geäußert hat: der Inlandsgeheimdienst riet zur Gründung eines palästinensischen Staates – um zukünftige Gewalt, zukünftigen Terror zu vermeiden.
In Vergessenheit geraten ist auch die Einsicht, die Shin Bet schon nach dem Sechs-Tage -Krieg von 1967 geäußert hat: der Inlandsgeheimdienst riet zur Gründung eines palästinensischen Staates – um zukünftige Gewalt, zukünftigen Terror zu vermeiden.
Quelle: Heiko Flottau
Der neueste Konflikt zwischen Israel und Palästinensern verlief nach einem bekannten Muster: Israel setzt einen palästinensischen „Terroristen“ fest, Palästinenser antworten mit Raketenbeschuss auf Israel, Israel wiederum tötet einen palästinensischen Anführer in Gaza und beschießt die palästinensische Enklave. Zivilisten sterben. Doch der Lösung des inzwischen 74 Jahre dauernden Konfliktes dient dieser zur tragischen Routine gewordene Gewaltaustausch nicht. Das wissen auch die Israelis – seit langem.
In dem Film „Töte zuerst“ des israelischen Dokumentarfilmers Dror Moreh – mitfinanziert von den TV-Sendern ARTE und Norddeutscher Rundfunk, 2013 nominiert für einen Oscar – äußern sich ehemalige Shin Bet-Direktoren über die Strategie ihres Landes, palästinensischen Terror, wie sie es nennen, durch Liquidierung der Anführer zu bekämpfen. So wurden der Hamas-Gründer, der gelähmte Scheich Ahmed Jassin, am 22. März 2004 und der Bombenbauer der Hamas, Jahja Ajasch , am 5. Januar 1995 getötet.
Die Einsichten ehemaliger Geheimdienst-Direktoren
Die Schlussfolgerungen, welche die Geheimdienstleute aus dieser Politik der Vergeltung ziehen, sind überraschend: Nach Jahren der Kriegführung gegen die Palästinenser räumen die vom Filmemacher Dror Moreh Interviewten ein, dass all ihre Gewalt zu keiner friedlichen Lösung geführt habe. Mehr noch: Der Mord an Premier Yitzhak Rabin Ende 1995 durch den radikalen Siedlerfreund Jigal Amir habe überraschenderweise zu immer größerer Unnachgiebigkeit gegenüber den Palästinensern geführt.
Zwei Fragen an Luley:
1. Woher beziehen Sie Ihre ständig gegen ISRAEL gerichteten „Nachrichten“, die den Anspruch erheben, der Wahrheit zu entsprechen?
2. Warum nehmen die reichen arabischen Länder Flüchtlinge aus Gaza und aus den PA-Gebieten, ihre Glaubensgenossen, nicht auf, damit sie sich dort als Flüchtlinge niederlassen können? Denkt man allein an die Millionen gekühlter weißer Zelt-Städte um Mekka herum, die von den Pilgern nur einmal im Jahr bei der Hadsch für einen Monat belegt sind und ansonsten leer stehen. Fürchten Sie etwa Unruhen durch die zum Terror neigenden „Palis“.
Da ist die links orientierte Regierung in Berlin wesentlich großzügiger. Sie nimmt jeden auf, so dass im Laufe der Jahre mittlerweile ca. 50.000 arabische „Palästinenser“ in Berlin wohnen und es sich gut gehen lassen. Das ermöglichen auch meine Steuern.