Für junge Israelis ist der Wehrdienst eine Selbstverständlichkeit

Die Deutschen diskutieren über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Laut einer Umfrage sind nur die wenigsten bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen. In Israel ist die Wehrpflicht für viele selbstverständlich, wie für den 24-jährigen Inbar.
Von epd

HANNOVER / BERLIN (epd) – Für Inbar (Name geändert) war die Sache mit dem Wehrdienst, die in Deutschland gerade heiß diskutiert wird, immer eindeutig: „Alle um mich herum haben ihren Wehrdienst geleistet“, erzählt der 24-jährige Israeli. „Meine Mama, mein Papa, meine Großeltern, Onkel, Tanten, einfach alle. Für mich war es keine Frage, dass ich das auch tue“, sagt der Elektrotechnik-Student aus der Nähe von Tel Aviv. „Ich wollte meinem Land damit etwas zurückgeben.“

Inbar hat nicht nur seinen zweieinhalbjährigen Wehrdienst in den israelischen Verteidigungsstreitkräften geleistet, sondern sich für weitere zwei Jahre verpflichtet. Heute ist er Leutnant der aktiven Reserve und weiterhin im Dienst. „Das heißt, ich studiere zwar, muss aber mehrmals im Semester an Übungen teilnehmen und mich ständig bereithalten für einen Einsatz“, erzählt er. Inbar gehört damit zu den etwa 470.000 Reservisten in der israelischen Armee. Hinzu kommen etwa 180.000 aktive Soldaten.

Der Student betrachtet seinen Armeedienst als notwendigen Beitrag zum Schutz seines Landes. „Ich will mein Land und seine Werte schützen. Bei einem Angriff durch ein anderes Land oder eine Terror-Organisation hilft uns niemand anderes außer uns selbst.“

Die Ausbildung in der Armee hat der durchtrainierte junge Mann als sehr hart empfunden. „Das hat mich mental und körperlich an meine Grenzen gebracht.“ Aber die Armee habe ihn auch reifer werden lassen, ihm Werte vermittelt, wie Vertrauen, Menschlichkeit und Verantwortung. „Ich habe viel, viel mehr zurückbekommen, als ich investiert habe.“

Hoher Stellenwert in der Gesellschaft

Im Vergleich zu anderen Ländern habe die Armee in der israelischen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert, sagt der Nahost-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Das resultiere daraus, dass Israel ein kleines Land und umgeben von potenziellen oder tatsächlichen Feinden sei. „Es gibt eine Art Gesellschaftsvertrag, wonach die Armee die Israelis beschützt und dafür die Familien ihre Kinder in den Armeedienst schicken“, erläutert Lintl.

Dennoch werden in Israel nur etwa 50 Prozent der jungen Erwachsenen nach Abschluss der Schule für den Wehrdienst eingezogen – Frauen für zwei, Männer seit Ende 2024 für drei Jahre. Ausgenommen sind ultra-orthodoxe Juden und israelische Araber. Sie sehen die Armee sehr kritisch, sagt der Politikwissenschaftler. Die seit kurzem bestehende Wehrpflicht für Ultra-Orthodoxe werde faktisch nicht durchgesetzt.

Zudem leisten Lintl zufolge etwa 10 Prozent eines Jahrgangs aus psychologischen Gründen keinen Wehrdienst. Ein genereller Zivildienst existiert nicht. Wehrdienstverweigerern drohen laut Amnesty International Haftstrafen. Wer aus pazifistischen Gründen den Dienst verweigert, kann davon befreit werden.

Inbar sieht Wehrdienstverweigerer kritisch. Auch wer nicht kämpfen wolle, finde in der Armee viele Aufgaben, etwa in der Logistik oder in der Krankenversorgung. Wenigstens eine Art zivile Dienstpflicht sollten Verweigerer erfüllen, findet der Leutnant.

Mit Bedrohung und Krieg aufwachsen

Für seinen Cousin Lasse (Name geändert), der in Niedersachsen aufgewachsen ist und lebt, ist das Thema Wehrpflicht weit weg, trotz einer möglichen Bedrohung durch Russland. Der 21-Jährige studiert Public Relations. Eine Wehrpflicht hält er in Deutschland nicht für sinnvoll. Eher sollte die Bundeswehr für Freiwillige attraktiver werden.

Die Situation in Israel sei eine gänzlich andere: „Die Menschen in Israel wachsen mit Bedrohung und Krieg auf.“ Deshalb sei dort eine Wehrpflicht richtig und wichtig. Er habe als Jugendlicher sogar kurz darüber nachgedacht, in der israelischen Armee einen freiwilligen Dienst zu leisten. „Ich weiß von Inbar und anderen, dass sie, so merkwürdig sich das für manche vielleicht anhören mag, in der Armee eine gute Zeit hatten.“

Cousin Inbar ist klar, dass er als Soldat auch sein Leben riskiert. Jetzt, während des Gazakrieges, denke er häufiger darüber nach: „Ich möchte nicht sterben, ich möchte auch meine zukünftigen Kinder nicht sterben sehen.“ Aber im Ernstfall würde er sein Leben für die Verteidigung Israels und seiner Bürger opfern, sagt er mit Nachdruck: „Du musst bereit sein, zu schützen, was du liebst.“

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14 Antworten

  1. Der junge Mann hat völlig recht mit der Kritik an den Haredim. Es ist unfassbar, dass diese Leute im Schutz der Armee leben und gedeihen und sich nicht schämen, bei Gelegenheit auf Soldaten zu spucken, im wahrsten Sinne des Wortes. Und ja, wer sich zu fein ist, eine Waffe in die Hand zu nehmen, kann sich auf vielerlei andere Weise nützlich machen. Das denke ich übrigens auch für die europäischen Länder, die langsam mitbekommen, dass es sehr wohl eine Bedrohung gibt und dass die Amerikaner nur noch Verbündete mit beschränkter Haftung sind. A bon entendeur…

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    1. Da hast du meine volle Zustimmung, liebe Antonia. Die Israelis haben gelernt, mit Brdrohung umzugehen. Und auch wenn mein Mutterherz blutet, wenn Soldaten fallen, finde ich den Wehrdienst in Israel wichtig. Die jungen Frauen bewundere ich, vielleicht werden es weniger nach dem Geiseldrama?
      Auch für DE fand ich den Wehrdienst nicht verkehrt. Meine Jungs haben Zivildienst geleistet. Hat ihnen nicht geschadet. Unsere Jugend weiß oft nichts anderes zu tun, als herumzulungern. Bedrohung kennen sie nicht. LG

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      1. Es geht beim Wehrdienst der Israelis um nichts anderes, als in stolzer Demut den höchsten Preis,das Leben ,für einen vollkommenen Wert ,Israel und das Judentum an sich mit allem, was es beinhaltet,vom Land bis zu den Leuten zu entrichten……………..SHALOM ALEJCHEM

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  2. „Ich will mein Land und seine Werte schützen“. Das hören wir leider in der Toscana selten. Junge Israelis stehen zum Wehrdienst. Junge Italiener überhaupt nicht.

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  3. Nachtrag:
    Ich habe aber auch gelesen, dass die IDF sich Sorgen macht um eine Krise bei den Reservisten und dass viele sich nicht mehr zum Dienst melden, sei es aus Motivationslosigkeit, Müdigkeit oder das Ziel aus den Augen verloren. Nicht zuletzt wegen dem Widerstand, die Ultraorthodoxen zu verpflichten. Das kann ich gut auch alles nachvollziehen. An dieser Stelle bete ich zu Gott um den Schutz für die tapferen Soldaten und ihre körperliche und mentale Gesundheit.🙏🎗🇮🇱

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    1. @Ella
      Ich schließe mich deinem Gebet für die israelischen Soldaten und ihre Gesundheit an. Mögen sie gestärkt werden an Geist und Seele. Möge der Herr sie bewahren vor Angriffen des Feindes und ihnen innere Ruhe schenken. Möge Er sie segnen und Erfolge ihres Dienstes zeigen.

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  4. „Du mußt bereit sein zu schützen was du liebst“. Absolut vorbildlich…….mehr fällt mir dazu nicht ein.
    Nur, daß ich auch meine 15 Monate Wehrdienst geleistet habe und es auf keinen Fall bereue.

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  5. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß auch ich gedient habe, deswegen war ich auch nicht überrascht, das gleiche von meinen Verwandten in Israel zu erfahren.
    Sie wissen, warum und wofür, Israel hat proportional zu Bevölkerung eine der zahlenmäßig stärksten Streitkräfte der Welt, ihre Kampfkraft übertrifft die aller anderen Armeen ,gemessen an der Zahl………SHALOM

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  6. Es gibt eine ganz einfache Erkenntnis, die nach dem Überfall auf die Ukraine und Israel in allen Köpfen aufblitzt. Eine Maschinenpistole ist nichts Böses, sondern kann Leben retten, wenn sie der Richtige besitzt. Das ist eine grundliegende Kehrtwende im Denken aller Friedensaktivisten und Wehrdienstverweigerer.
    Man muss eine Grundausbildung an Verteidigungswaffen absolvieren, sonst kann man nicht einmal die eigene Familie beschützen.
    Damit einher geht das Ansehen des Soldatenberufes.

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  7. Otto, die Waffe selbst ist eh nicht das Problem, sondern der Mensch, der den Abzug betätigt, und vor allem die Intention, mit der das geschieht. Die Waffe selbst ist harmlos, ein Werkzeug wie jedes andere, und wie jedes andere Werkzeug kann sie zum Guten oder zum Bösen verwendet werden……..SHALOM

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