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Fünf Jahre Rückzug aus Gaza: „Land für Krieg“

Vor fünf Jahren, im August 2005, hat der damalige Ministerpräsident Israels, Ariel Scharon, seine Ankündigung vom Dezember 2003 in Herzlija wahrgemacht: Rückzug aus Gaza mitsamt 8.000 Siedlern und allen Militärstellungen. Überrascht wurden vor allem jene, die in Scharon den "Vater der Siedlungen" sahen und vergessen hatten, dass er 1982 als Verteidigungsminister infolge des Friedensvertrags mit Ägypten die Räumung aller Siedlungen im Sinai mitsamt der Zerstörung der Siedlerstadt Jamit verfügt hatte.

Um für sein Vorhaben die Unterstützung einer großen Mehrheit im Parlament  zu erhalten, musste der damalige Vorsitzende der rechts-konservativen Likudpartei viele innenpolitische Schachzüge machen. So setzte Scharon seine eigene Partei vor die Tür und gründete das neue rechts-links Parteien-Bündnis Kadima.

Die Palästinenser unter Präsident Mahmud Abbas wollten der Ankündigung Scharons bis zuletzt nicht glauben. Palästinensische Politiker lachten laut, als Journalisten sie in der Residenz des deutschen Repräsentanten in Ramallah, Andreas Reinicke, im Frühjahr 2004 nach ihren Vorbereitungen und Plänen für die Zeit nach dem Rückzug befragten. Wohl auch aus politisch-taktischen Gründen verweigerten sie jegliche Verhandlungen zu dem „einseitigen“ Beschluss Israels, sich aus dem Gazastreifen komplett und dem Norden des Westjordanlandes zurückzuziehen. Erst in letzter Minute, angesichts massenhafter Demonstrationen rechtsgerichteter Israelis und Siedler gegen den Rückzug wurde ihnen klar, dass Scharon es ernst meinte. Sie wachten auf und stellten mit amerikanischer Vermittlung durch Außenministerin Condoleezza Rice eine „Bedingung“: Israel solle die Siedlerhäuser abreißen. Die Palästinenser wollten die geräumten Gebiete so übernehmen, wie die Israelis sie 1967 vorgefunden hatten.

An einem Sabbat, einen Tag vor dem Beginn des Rückzugs, sammelten New Yorker Juden die notwendigen Millionen Dollar, um den Siedlern die Bewässerungsanlagen und Computer abzukaufen. Die Gewächshäuser sollten bestehen bleiben, um etwa 4.000 Palästinensern auch nach dem Rückzug den Arbeitsplatz zu erhalten und dem Gazastreifen eine lukrative Exportmöglichkeit zu bieten. Doch sowie die Israelis weg waren, verbrannten palästinensische Fanatiker einen Teil der Gewächshäuser, während Präsident Abbas sich persönlich vor anderen Gewächshäusern aufstellte, um deren Zerstörung zu verhindern. Obgleich die Palästinenser offiziell nicht mit Israel verhandeln wollten, kooperierten hinter den Kulissen die Sicherheitskräfte. Tatsächlich gab es keinen einzigen Anschlag, während Lastwagen israelisches Privateigentum abtransportierten.

Der israelische Traum von Gaza als „Singapore des Nahen Ostens“ zerschlug sich schneller als von Pessimisten vorausgesagt. Im Januar 2006 gewann die islamistische Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen. Die Fatah-Streitkräfte bekämpften die Hamas-Milizen im Gazastreifen, bis die Hamas im Juli 2007 putschte und die Kontrolle übernahm. Der seit Jahrzehnten tobende Machtkampf zwischen der weltlichen Fatah-Bewegung Arafats und den Moslem-Brüdern erreichte einen Höhepunkt. Der Putsch besiegelte die Spaltung der Palästinenser.

Durch massiven Raketenbeschuss auf israelische Grenzorte wurde zudem der Spruch „Land für Frieden“ ins Absurde gekehrt. Anstelle von Frieden und Ruhe ernteten die Israelis Terroranschläge, die Entführung des Soldaten Gilad Schalit und Beschuss mit rund 10.000 Raketen. Wegen dieser Entwicklungen stand eine Fortsetzung des Rückzugsprojekts unter Scharons Nachfolger Ehud Olmert kaum mehr zur Debatte. Hinzu kam, dass der Staat Israel den abgezogenen 8.000 Siedlern viel zu spät und zu wenig unter die Arme griff, um neue Häuser, Gewächshäuser und eine Zukunft nach ihrer traumatischen „Deportation“ nach Israel aufzubauen.

So wie die Europäer Kritik am Abzug Israels aus dem Südlibanon äußerten, gab es auch Widerstand gegen das Ende der Besatzung und den Abbau der Siedlungen im Gazastreifen. Israel habe im Schnitt 23 tote Soldaten pro Jahr im Libanon zu ertragen, sagte der EU-Nahostbeauftragte Miguel Moratinos ein halbes Jahr vor dem Truppenabzug aus Südlibanon im Mai 2000. Israel werde den Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs im Libanon auf dem Gewissen haben und Syriens Hegemonie im Land der Zedern gefährden, falls es den Südlibanon räume. Ähnlich äußerten europäische Sprecher in Hintergrundgesprächen auch Kritik am damals noch geplanten Rückzug aus Gaza. Der Abzug aus dem Landstreifen werde keinen Frieden bringen, solange Israel sich nicht gleichzeitig aus dem Westjordanland, Jerusalem und den syrischen Golanhöhen zurückziehe.

Zweimal zog sich Israel bedingungslos aus besetztem arabischen Territorium zurück. In beiden Fällen verweigerten die Araber Verhandlungen. Eine relative Ruhe kam erst nach weiteren Kriegen zustande, Libanon 2006 und der „Operation gegossenes Blei“ im Gazastreifen im Winter 2008-2009. Das Ende der israelische Besatzung brachte keine „Lösung“ des Konflikts, sondern schuf neue Probleme.

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